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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Was ist der bessere Ökostrom?
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker haben die Wahl: Bürgerstrom oder Regionalstrom
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Alle Privatkunden der Stadtwerke in Osnabrück erhalten neuerdings saubere Energie aus garantiert heimischer Erzeugung Regionalstrom heißt das Stichwort. Örtliche Genossenschaften liefern dagegen schon seit Jahren den Bürgerstrom Osnabrücker Land: ebenfalls grün und teils selbst produziert.
Die Nachfrage nach Ökostrom ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen″, stellte das Umweltbundesamt im August 2019 in seiner Marktanalyse Ökostrom II fest. Zudem scheine Regionalität beim Strombezug eine zunehmende Rolle zu spielen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt jedoch: Auch bei Beziehern von Ökostrom fließt in der Regel grauer Strom aus der Steckdose jedenfalls solange Kraftwerke am Netz sind, in denen Energie mit fossilen Brennstoffen oder Atomkraft erzeugt wird. Auch bedeute ein Mehr an Ökostrom-Bezug in Deutschland keineswegs automatisch, dass mehr grüner Strom erzeugt wird. Daran würden auch regionale Stromprodukte nicht unbedingt etwas ändern.

Viele Ökostrom-Tarife haben nur einen grünen Anstrich″: Unter Ökostrom versteht man Strom, der vollständig aus erneuerbaren Energien stammt. Er wird in Wind- oder Wasserkraftwerken gewonnen, in Biogas- oder Solarstromanlagen (Fotovoltaik). Anbieter müssen für die Menge, die sie als Ökostrom verkaufen wollen, sogenannte Herkunftsnachweise beziehen. Diese belegen, wie und wo der Strom erzeugt wurde. Sie sind gewissermaßen seine Geburtsurkunde. Herkunftsnachweise aus Deutschland gibt es allerdings kaum″, erklärt die Verbraucherzentrale. Grund dafür sei, dass hier der Ausbau erneuerbarer Energien gesetzlich gefördert wird über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Grüner Strom, der so gefördert wird, darf nicht gesondert als Ökostrom verkauft werden, erhält also auch keinen entsprechenden Herkunftsnachweis. Sonst würden Anlagenbetreiber für denselben grünen Strom doppelt kassieren: über die Förderung und zusätzlich durch Verkaufserlöse.″ Fast jeder Öko-Anlagenbetreiber in Deutschland habe sich bislang für die sichere staatliche Förderung entschieden.
Herkunftsnachweise stammen also meist aus dem Ausland, etwa aus Norwegen oder Österreich. Die grüne″ Eigenschaft der dort erzeugten Energie verschiebt sich durch den Zukauf eines Herkunftsnachweises auf den Strom des deutschen Anbieters. Die Verbraucherzentrale sagt: So kann dieser auf der Rechnung eines Ökostromkunden 100 Prozent Ökostrom ausweisen. Insgesamt aber gibt es nachher genauso viel , grünen′ und , grauen′ Strom wie vorher dem Klima ist nicht geholfen.″ Da bei vielen Ökostrom-Tarifen nur dieser grüne Anstrich″ stattfinde, trage der Bezug von Ökostrom oftmals nicht zur Energiewende bei.

Regionalstrom wird nur im Radius von 50 Kilometern erzeugt: Im Unterschied zu den Herkunftsnachweisen für Ökostrom machen seit 2019 sogenannte Regionalnachweise den Erzeugungsort von EEG-gefördertem Strom nachvollziehbar. Heißt konkret: Stromversorger können damit belegen, dass der von ihnen gelieferte Ökostrom aus EEG-Anlagen kommt, die nicht weiter als 50 Kilometer Luftlinie von der Verbrauchsstelle entfernt stehen. Die Kontrolle über die Regionalnachweise hat das Umweltbundesamt. Es stellt nach eigenen Angaben sicher, dass die regionale Eigenschaft einer aus erneuerbaren Energien erzeugten Kilowattstunde Strom nur einmal an einen Verbraucher verkauft wird″.
Von den rund 750 Stadtwerken in Deutschland sind die Stadtwerke Osnabrück (SWO) nach eigenen Angaben eins der ersten gewesen, die sogenannten Regionalstrom auf den Markt gebracht haben. War dieser zunächst Neukunden in Osnabrück vorbehalten, so werden seit 1. Januar 2021 das ist bundesweit bislang einmalig automatisch alle Privatkunden in der Stadt (unabhängig vom jeweiligen Tarif und ohne Öko-Aufschlag) mit Regionalstrom versorgt: insgesamt 60 000 Haushalte. Dahinter steht ein jährlicher Strombedarf von 170 Millionen Kilowattstunden (kWh). Etwa ein Drittel davon erzeugt das kommunale Unternehmen selbst, vor allem mit Windrädern in Rieste, Wallenhorst und Ostercappeln.

Stadtwerke Osnabrück bundesweit Vorreiter bei Regionalstrom: Spätestens 2023 wollen wir auch unseren Kunden im Landkreis Osnabrück Regionalstrom anbieten ebenfalls ohne Aufpreis″, kündigt SWO-Energiechef Marcus Bergmann an. Damit könnte der heimische Versorger seine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet sogar noch ausbauen. Vor der Regionalstrom-Offensive machte Ökostrom nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus.
Die Anzahl entsprechender Verträge bewegte sich laut Bergmann zuletzt im mittleren vierstelligen Bereich. Ein paar Hundert davon entfallen auf den Klimacent-Tarif, mit dem Kunden und Stadtwerke gemeinsam seit mehr als 20 Jahren den Ausbau grüner Energie vor Ort fördern: die einen durch freiwillige Zahlung einer verbrauchsabhängigen Extragebühr, die anderen durch Aufstockung der Gesamtsumme um jährlich 25 000 Euro.

Was genau verspricht sich das Unternehmen nun von Regionalstrom? Regionalstrom schafft eine direkte Verbindung zwischen Anlage und Kunde″, erklärt der Geschäftsbereichsleiter. Ein solches Angebot könne in der Bevölkerung mehr Akzeptanz schaffen″ für den Bau weiterer dezentraler Anlagen, mit denen sich erneuerbare Energie gewinnen lässt. Auch steigere es die regionale Wertschöpfung, sprich: Geld fließt nicht in andere Gegenden ab. Die Stadtwerke würden, obschon weiterhin an fossiler Energiegewinnung etwa durch Kohlekraft beteiligt, ihr Image als innovatives, nachhaltig agierendes Unternehmen″ stärken. Kunden wiederum hätten die Möglichkeit, die Energiewende aktiv mitzugestalten″.

Energiegenossenschaften liefern Ökostrom aus Bürgerhand: Das allerdings haben Verbraucher im Raum Osnabrück schon lange. Indem sie zum Beispiel den Bürgerstrom Osnabrücker Land″ kaufen: einen Tüv-zertifizierten Ökostrom, den die Osnabrücker Genossenschaft N-Werk (gegründet 2008) und die Bissendorfer Energiegenossenschaft (Bieneg, gegründet 2013) seit November 2015 gemeinsam anbieten.
Teilweise stellen sie ihn sogar selbst her. So betreibt das N-Werk insgesamt 13 Fotovoltaik-Anlagen in der Region. Der Bieneg wiederum gehört mehrheitlich ein großes Windrad im Bissendorfer Ortsteil Ellerbeck. Zusammen produzieren beide Genossenschaften nach eigenen Angaben jedes Jahr genug Strom für einige Hundert Haushalte. Weitere Mengen steuern auf gleiche Weise viele andere Energiegenossenschaften in ganz Deutschland bei, die sich wie N-Werk und Bieneg den sogenannten Bürgerwerken angeschlossen haben: einer Dachgenossenschaft mit Sitz in Heidelberg, deren selbst formuliertes Ziel die Energiewende von unten″ ist frei nach der Devise: 100 Prozent Ökostrom von Bürgern für Bürger. Damit Bürgerstrom-Kunden auch in windstillen und sonnenarmen Zeiten mit Energie versorgt sind, beziehen die Bürgerwerke zusätzlich Strom aus einem bayerischen Wasserkraftwerk.
Aufgrund ihrer Struktur verstehen sich N-Werk und Bieneg als urdemokratische Wirtschaftsunternehmen″. Im Gegensatz zu herkömmlichen Anbietern strebten sie nicht nach größtmöglichem Profit, wie N-Werk-Vorstandsvorsitzender Otto Wetzig betont, sondern arbeiteten im Wesentlichen kostendeckend, wobei für Anteilseigner eine kleine jährliche Dividende″ herausspringe. Auf der Bürgerwerke-Internetseite heißt es außerdem: Als Teilhaber ihres eigenen Energieversorgers bestimmen die Energiebürger selbst über Herkunft und Kosten ihrer Energie.″
Bisher werde Bürgerstrom EEG-gemäß ins Netz eingespeist. Das wollen wir ändern″, erklärt die Dachgenossenschaft. Alle Bürger sollen sich mit gemeinschaftlich erzeugtem Ökostrom selbst versorgen.″

Unterschiede im Preis und bei der Vertragsdauer: Allerdings ist der genossenschaftlich erzeugte Bürgerstrom Osnabrücker Land im Vergleich zum Stadtwerke-Regionalstrom ein bisschen teurer: Kunden in Osnabrück (Postleitzahlgebiet 49074) etwa mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr zahlen 91, 82 Euro im Monat, davon 11, 90 Euro Grundgebühr sowie 27, 40 Cent/ kWh Arbeitspreis (Stand 25. Februar 2021). Mitglieder von N-Werk und Bieneg erhalten allerdings Rabatt auf die Grundgebühr. Im genannten Beispiel sinkt sie auf 10, 90 Euro.
Einen vergleichbaren Regionalstrom-Tarif bieten die Stadtwerke Osnabrück zurzeit ab 86, 29 Euro monatlich an. Die Grundgebühr beträgt hier 7, 74 Euro, der Arbeitspreis 26, 93 Cent/ kWh. Jährliche Ersparnis gegenüber dem Bürgerstrom Osnabrücker Land: rund 66 Euro. Beim Thema Vertragsdauer hingegen haben Bürgerstrom-Kunden einen Vorteil: Ihre Verträge lassen sich monatlich kündigen, während SWO-Kunden jahrelang an ihren Versorger gebunden sind.

Ausbau der regionalen Grünstrom-Erzeugung unerlässlich: Und wofür sollen sich umweltbewusste Verbraucher nun entscheiden? Der Verbraucherzentrale Bundesverband empfiehlt Ökostrom-Anbieter, die sich politisch für die Energiewende und wirtschaftlich für den EEG-unabhängigen Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen″. Wer als Kunde solche Versorger wähle, unterstütze deren ökologische Geschäftspolitik und somit indirekt auch die Energiewende in Deutschland. Regionalstrom-Angebote hingegen sieht der vzbv noch skeptisch: Einen Beitrag zur Energiewende leisten regionale Stromprodukte nicht, da kein zusätzlicher Ausbau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen stattfindet.″ Es werde sich zeigen, ob dieses eher komplizierte neue System am Markt bei Verbrauchern und Stromanbietern Fuß fassen wird″. Stadtwerke-Energiechef Bergmann ist hier schon von Berufs wegen optimistisch und widerspricht daher der Verbraucherzentrale: Unser Engagement ist das beste Beispiel dafür, dass Regionalstrom funktioniert und einen Beitrag zur Energiewende vor Ort leistet.″
Genug Regionalstrom für alle SWO-Kunden in Osnabrück und perspektivisch auch im Umland könne es schließlich nur geben, wenn im vorgegebenen 50-Kilometer-Radius zusätzliche und hinreichend leistungsfähige Grünstrom-Anlagen entstehen. Der SWO-Chef verspricht: Auch wir werden weiterhin in den massiven Ausbau der regionalen Grünstrom-Erzeugung investieren.″

Bildtext:
Regional erzeugten Ökostrom aus Sonne und Wind erhalten Kunden in Osnabrück sowohl von den Stadtwerken als auch von örtlichen Energiegenossenschaften wie N-Werk und Bieneg.
Foto:
Patrick Pleul/ dpa

Übersicht über die Grünstrom-Anlagen

Die Stadtwerke Osnabrück betreiben mehrere Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung in der Region im Umkreis von 50 Kilometern. Allein im Bereich Fotovoltaik kommen die Stadtwerke laut eigenen Angaben (Stand Februar 2021) auf 26 Anlagen, die mit einer Gesamtleistung von 1450 kW einen Ertrag von 1 300 000 kW/ h erzeugen. Darin sind die Solarkomplett-Anlagen, die von den Stadtwerke Osnabrück gebaut und verpachtet wurden, nicht eingerechnet.
Drei Anlagen werden dem Bereich Deponiegas zugeschrieben. Dabei erzeugen die Blockheizkraftwerke Wärme, die reine Stromproduktion beläuft sich bei einer Leistung von 830 kW auf stattliche 5 700 000 kW/ h. Der Bereich Biomethan mit ebenfalls drei Anlagen bringt eine Leistung von 1102 kW und einen Ertrag von gesamt 6 400 000 kW/ h.
Bei der Windkraft zählen die Stadtwerke drei Anlagen am Piesberg mit einer Leistung von 6000 kW und 12 800 000 kW/ h Gesamtertrag, je zwei Anlagen in Wallenhorst-Hollage mit 4000 kW Leistung und 8 600 000 kW/ h Gesamtertrag sowie in Ostercappeln-Venne mit 4700 kW Leistung und 8 100 000 kW/ h Gesamtertrag und schließlich vier Anlagen in Rieste mit einer Leistung von 13 200 kW und einem Ertrag von gesamt 34 800 000 kW/ h.

Die EEG-Umlage

Jeder Haushalt, egal ob Ökostromkunde oder nicht, fördert erneuerbare Energien über die sogenannte EEG-Umlage auf seiner Stromrechnung. Aktuell sind dies rund 6, 5 Cent pro Kilowattstunde und somit gut 20 Prozent des Strompreises. Durch dieses System der Förderung gibt es in Deutschland bereits einen hohen Anteil Ökostrom im allgemeinen Strommix rund 50 Prozent″, stellt der Verbraucherzentrale Bundesverband fest.
Autor:
Sebastian Stricker


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