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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Warum Nina und Katwarn nützlich sind
 
Fünf Haustüren aufgebrochen
Zwischenüberschrift:
Polizei traf bei Bombenräumung immer wieder auf Evakuierungsverweigerer
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Wann immer in Osnabrück Bomben aus dem Krieg entschärft werden müssen, kommt es zu Verzögerungen, weil Anwohner nicht rechtzeitig evakuiert werden können. Da gibt es Menschen, die ignorieren die Gefahr, verstecken sich und werden von der Polizei aus ihren Häusern geholt. Notfalls muss die Haustür gewaltsam geöffnet werden. So war es auch am Montagabend, als der Kampfmittelräumdienst im Widukindland einen Blindgänger unschädlich machen wollte. Nicht wenige Anwohner haben aber weder über das Internet noch über das Radio von der Evakuierung erfahren. Feuerwehrchef Dietrich Bettenbrock rät deshalb allen Handynutzern, die kostenlosen Katastrophen-Warnapps Katwarn oder Nina zu verwenden. Eine Nachlese zur Bombenräumung finden Sie im Lokalteil.

Osnabrück Anwohner, die wegen der Bombenräumung am Montagabend in Osnabrück ihre Häuser verlassen mussten, beschweren sich über fehlende Informationen. Feuerwehrleuten, die Kontrollgänge machten, schlug Misstrauen entgegen. Einige Male eskalierte die Situation: Mehrere Haustüren mussten gewaltsam geöffnet werden.
Karl-Heinz Lübbe fiel aus allen Wolken, als kurz vor 19 Uhr die Feuerwehr an seiner Tür klingelte. Bombenräumung. Sie müssen sofort raus! Die Lübbes hatten nichts davon mitbekommen, weder im Radio noch übers Internet und auch nicht über eine Lautsprecherdurchsage. Sofort packte das Ehepaar vom Gevaweg ein paar Sachen zusammen und folgte den behördlichen Anweisungen. Um 19.05 Uhr war dieser Fall für die Ordnungskräfte erledigt.

Bewohner verstecken sich

Aber nicht überall gelang die Überzeugungsarbeit so reibungslos. Immer wieder stießen die durchs Wohngebiet patrouillierenden Feuerwehrleute auf Menschen, die sich in ihren Häusern versteckt hielten und sich weigerten, ihre vier Wände zu verlassen. In fünf Fällen hätten die Bewohner auch auf die Polizeiansprache nicht reagiert, erklärte Stadtsprecher Gerhard Meyering am Dienstag. Deshalb sei den Behörden nichts anderes übrig geblieben, als die Schließzylinder der Haustüren aufzubohren und die Zivilschutzverweigerer gewaltsam aus dem Evakuierungsgebiet zu entfernen. Zwölf weitere Eskalationen hätten noch abgefangen werden können, weil die Betroffenen die Tür im letzten Augenblick doch noch freiwillig öffneten.
Für die Verantwortlichen von der Stadt, der Polizei und der Feuerwehr war der kurzfristige Einsatz im Widukindland stressig, weil trotz der weitreichenden Corona-Beschränkungen 4200 Menschen unter Zeitdruck in Sicherheit gebracht werden mussten. Dabei wurde wohl auch vorausgesetzt, dass die Information über die bevorstehende Entschärfung der Fliegerbombe bei den Anwohnern angekommen war. Aber in den Evakuierungszentren beklagten sich viele der Ausquartierten glaubwürdig, dass ihnen niemand Bescheid gesagt habe.
Lautsprecherdurchsagen wurden nach Auskunft von Polizeisprecherin Mareike Edeler erst veranlasst, als das Informationsdefizit offenkundig war. Feuerwehrchef Dietrich Bettenbrock erklärte auf Anfrage, zu diesem Mittel werde heute nur noch in Ausnahmefällen gegriffen. Er rät allen Handynutzern, die kostenlosen Katastropenwarn-Apps Katwarn oder Nina zu installieren. Über die bevorstehende Bombenräumung im Widukindland hatte auch unsere Redaktion auf noz.de seit dem frühen Nachmittag kontinuierlich berichtet, und in vielen Fällen hatten Stadtteilbewohner die Nachricht an ihre Nachbarn weitergegeben.

Keine Zeit zu verlieren

Dennoch gab es in fast jeder Straße Menschen, die erst von den kontrollierenden Feuerwehrleuten auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden mussten. Und obwohl die Übermittler der Botschaft Uniform trugen, wurden sie von argwöhnischen Anwohnern nicht immer als Amtsträger erkannt. In einigen Fällen war das Misstrauen so groß, dass sich die Ordnungshüter gezwungen sahen, die Tür mit Gewalt zu öffnen. Das geschah aber auch, wenn ihnen Evakuierungsverweigerer auffielen, die sich in ihren Wohnungen versteckt hatten und partout nicht herauskommen wollten, wie Stadtsprecher Meyering erklärte.
Wegen der vielfältigen Verzögerungen konnte der Kampfmittelräumdienst erst gegen 22.30 Uhr mit der Entschärfung des Blindgängers beginnen.
Die englische 250-Kilo-Bombe war bei Bauarbeiten auf einem Grundstück in der Nähe der Bahnstrecke zwischen Osnabrück und Bremen entdeckt worden. Sie steckte annähernd waagerecht in 1, 30 Meter Tiefe. Weil sie sich bei den Sondierungsarbeiten bewegt hatte, war es Sprengmeister Michael Crölle wichtig, keine Zeit zu verlieren.

Mut zum Understatement

Der Grund: Fliegerbomben sind zuweilen mit Säurezündern ausgestattet. Erschütterungen können bei ihnen einen chemischen Prozess auslösen, der nach einer unkalkulierbaren Zeitspanne zur Detonation führt. Wie sich später herausstellte, hatte die Bombe vom Ickerweg aber keinen Säurezünder, sondern einen mechanischen Heckzünder. Der musste aus dem immer noch höchst explosiven Monstrum mit der rostigen Hülle herausgezogen werden. Das gelang. Gegen 23.15 Uhr konnte Sprengmeister Crölle Entwarnung geben.
Der Profi vom Kampfmittelräumdienst aus Hannover wird manchmal gefragt, wie viel Mut es denn erfordere, seinen Job zu machen. Dafür hat er eine druckreife Antwort parat: Es gibt die mutigen Sprengmeister und die alten Sprengmeister. Ich möchte zu den alten gehören.″

Bildtexte:
Hier brennt noch Licht. Ob jemand in der Wohnung ist? Bei der Kontrolle der Feuerwehrleute im Evakuierungsgebiet kam es auch zu unerfreulichen Begegnungen.
Den Zünder in der Hand: Sprengmeister Michael Crölle (rechts) nach der erfolgreichen Entschärfung des Blindgängers vom Ickerweg.
Fotos:
Claudia Sarrazin, André Havergo
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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