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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Streit um Baugebiet im Grünen Finger
 
Häuser bauen und Natur schützen – passt das?
Zwischenüberschrift:
CDU legt Vorschlag für Grünen Finger in der Gartlage vor / Widerstand formiert sich
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Wie geht die Stadt mit den Grünen Fingern um? Dieses hochsensibles Thema nimmt kurz vor der Ratssitzung am Dienstag Fahrt auf. Die CDU hat als erste Ratsfraktion einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie die 21, 5 Hektar Grün- und Ackerland im Grünen Finger der Gartlage genutzt werden sollen, die die Stadt kaufen will. Nach Ansicht der Unionsfraktion sollen knapp zwölf Hektar ökologisch aufgewertet und dauerhaft geschützt werden, acht Hektar direkt an der Knollstraße sollen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WiO für den Bau von Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt werden. Die Eiswiesen und Kaltluftschneisen blieben unberührt, so die CDU-Vorsitzende Verena Kämmerling. Unterdessen hat sich eine Bürgerinitiative zum Schutz des Grünen Fingers gegründet.

Osnabrück Die Stadt wickelt in diesen Tagen ein Grundstücksgeschäft ab, das in dieser Größenordnung außerordentlich selten ist. Insgesamt geht es um rund 60 Hektar beiderseits des Haster Weges und um die grundsätzliche Frage, wie weit ein Grüner Finger angeknabbert werden darf. Während die CDU einen konkreten Vorschlag vorlegt, wie Wohnungsbau und Umweltschutz kompatibel umgesetzt werden könnten, formiert sich der Widerstand.
Ein Teil des Doppeldeals ist bereits Anfang November besiegelt worden. Die Stadt besitzt seither die Flächen östlich und nördlich der Halle Gartlage, wo Platz wäre für das lange versprochene Nachwuchsleistungszentrum des VfL Osnabrück und die Trainingsplätze der Profis.
Im zweiten Grundstücksgeschäft, über das morgen der Rat entscheidet, geht es um die sogenannten Eiswiesen um 21, 5 Hektar östlich des Haster Weges und südlich der Knollstraße, die nach unbestätigten Angaben für 15 Millionen Euro in die öffentliche Hand wechseln sollen. Dieser Teil des Deals liefert allen politischen Lagern reichlich Zündstoff, um den Kommunalwahlkampf im kommenden Jahr zu befeuern. Denn hier, zwischen Feuchtwiesen und Maisacker, treffen politische Grund- und Gegensätze aufeinander. Die Stadt braucht mehr bezahlbare Wohnungen und muss zugleich mehr für Natur- und Klimaschutz tun. Wie lässt sich beides miteinander vereinbaren?

Der CDU-Vorschlag

Die CDU glaubt einen Weg gefunden zu haben, beide Ziele auf diesen 21, 5 Hektar bestens miteinander verknüpfen zu können. 60 Prozent der Fläche, gut 12 Hektar im südlichen Teil, sollen dauerhaft ökologisch gesichert und aufgewertet werden, sagt Verena Kämmerling, umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion und CDU-Vorsitzende. 40 Prozent oder rund acht Hektar im nördlichen Bereich sollen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WIO (Wohnen in Osnabrück) zur Wohnbebauung übertragen werden. Wir machen nichts gegen die Natur, sondern etwas, was der Natur nützt, weil wir Artenvielfalt und ökologisch wertvollere Bereiche schaffen″, sagte Fraktionschef Fritz Brickwedde in einem Pressegespräch.
Nach den Vorstellungen der CDU soll das Baugebiet gleichsam das Spiegelbild des noch jungen Wohngebietes nördlich der Knollstraße sein. Das Waldstück soll bleiben. An der Ecke Knollstraße/ Haster Weg ist keine Bebauung vorgesehen, um eine Verbindung der nördlichen und südlichen Grünzonen zu ermöglichen. Da wechseln viele Rehe die Seiten″, so Brickwedde.
Wichtig ist der CDU die Feststellung: Nach diesem Plan werden weder die Kaltluftschneisen noch die Eiswiesen beeinträchtigt. Im Gegenteil: Die Grünflächen sollen ökologisch aufgewertet werden. Denkbar seien artenreiches Grünland, Feuchtbiotope und eine weitere Aufforstung des Waldes in der Gartlage, so Kämmerling. Heute sind die Wiesen und Äcker nicht erreichbar. In Zukunft sollen Wander- und Fahrradwege die Öko-Zonen erlebbar machen, betonte Brickwedde. Der Sandbach soll aus seinem teilweisen Kanalbett befreit und renaturiert werden.
Wie viele Wohneinheiten auf den acht Hektar entstehen und wie viele Menschen dort ein Zuhause finden könnten, ist noch völlig unklar. Auch die CDU-Spitze will sich zu diesem frühen Planungszeitpunkt nicht auf eine Zahl festlegen. Die CDU geht davon aus, dass 40 Prozent der künftigen Wohnungen zu einer Kaltmiete von unter sechs Euro pro Quadratmeter vermietet werden, 20 Prozent zu unter acht Euro und 40 Prozent zu einem Preis bis elf Euro. Das sind die Vorgaben für die Wohnungsbaugesellschaft. Für die CDU ist klar, dass hohe ökologische und energetische Baustandards vorgeschrieben werden.
Verena Kämmerling schlägt vor, einen Naturschutz-Beirat einzurichten, der den Planungsprozess verfolgt und sich mit eigenen Ideen einbringt. Teilnehmen sollten Vereinigungen wie der Naturschutzbund Nabu, Klimaschützer, Anwohner und auch jene Experten von der Hochschule, die in einem Forschungsprojekt die Grünen Finger in Osnabrück untersuchen.

Glücksfall″

Anette Meyer zu Strohen, CDU-Ratsfrau und Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, hält es für einen Glücksfall″, dass die Stadt auf die Flächen zugreifen kann. Fantastisch″ und toll″ mit diesen Worten beschrieb sie die Chance, die sich der Stadt jetzt böte und die sie sich auf keinen Fall″ entgehen lassen dürfe.
Rein betriebswirtschaftlich betrachtet, werde sich der Grundstückskauf nicht rentieren, so Brickwedde. Beziehe man jedoch den Gewinn an Artenvielfalt, Klimaschutz und Lebensqualität in die Kalkulation ein, werde der Kauf zumindest kein Verlustgeschäft.
Die Grünen sehen das anders und haben Befürchtungen, dass der Grüne Finger langfristig weiter angeknabbert und Kaltluftschneisen unterbrochen werden könnten. Die SPD ist grundsätzlich für den Grundstückskauf und für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Schon 2006 hatte es einen heftigen politischen Streit um eine Bebauung im Umfeld der Eiswiesen gegeben. Am Ende einigten sich die Fraktionen auf den Kompromiss, nur das frühere Friedhofserweiterungsgelände nördlich der Knollstraße zu bebauen. Brickwedde: Die Grünen sind in der Neinsager-Position. Wir stellen unseren konstruktiven Vorschlag dagegen. Die Diskussion ist eröffnet.″

Bürgerinitiative

Gegen die Pläne der Stadt tritt jetzt eine Bürgerinitiative an. Bei drei Grad Außentemperatur trafen sich am Donnerstag vor dem Herrenhaus Gartlage 35 Leute aus verschiedenen Altersgruppen, um eine Initiative zum Schutz der Grünen Finger zu gründen. Menschen aus verschiedenen Stadtteilen waren dabei, Aktivisten von Fridays for Future″ und anderer Umweltgruppen, außerdem zwei Ratsmitglieder der Grünen. Es sollte ein Aufschrei für den Erhalt der Freiräume sein.
Eingeladen hatte Marita Thöle, eine Anwohnerin der Eiswiesen. Sie sprach sich dafür aus, dass Osnabrücks Grüne Finger dauerhaft unter Schutz gestellt werden müssten, weil sie wichtige Funktionen für die benachbarten Siedlungen, aber auch für das Stadtklima erfüllten. Dass die Stadt bezahlbaren Wohnraum schaffen wolle, sei richtig, führte die Initiatorin des Protests aus. Mit der Wohnungsbaupolitik dürften aber nicht andere stadtpolitische Ziele wie der Schutz der Freiräume ausgehebelt werden.
Die Frage, wo stattdessen gebaut werden könnte, beantwortete Thomas Polewsky, der sich verkehrspolitisch engagiert. Wenn in Osnabrück die Zahl der Autos abnehme, so legte er dar, würden in erheblichem Maße Parkplätze frei, die für den Wohnungsbau geeignet seien.
Ratsherr Michael Hagedorn bekundete, der Konflikt bringe die Grünen in eine schwierige Situation, weil sie sich gleichermaßen für das Stadtklima und die Linderung der Wohnungsnot verantwortlich fühlten. Dass die Verwaltung mit mehreren Erbengemeinschaften ein umfangreiches Grundstücksgeschäft für Flächen im Grünen Finger Gartlage eingefädelt hat, kritisierte er scharf: Diese Art und Weise, wie uns das untergeschoben werden soll, habe ich in 25 Jahren Ratstätigkeit nicht erlebt!
Zur Ratssitzung am Dienstag will die Initiative ab 16 Uhr vor der Osnabrück-Halle demonstrieren.

Bildtexte:
Der Vorschlag der CDU. 81000 Quadratmeter sollen für Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, 110000 Quadratmeter als Grünfläche erhalten und ökologisch aufgewertet werden. Rad- und Wanderwege (gelbe Linien) sollen die Grünzone erlebbar machen.
Die CDU Osnabrück stellte ihre Pläne zur Bebauung von Flächen im Grünen Finger Gartlage vor. Unser Bild zeigt Fraktionschef Fritz Brickwedde und CDU-Vorsitzende Verena Kämmerling sowie online zugeschaltet die christdemokratische Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Anette Meyer zu Strohen.
Fotos/ Grafik:
Geodaten Osnabrück/ NOZ Medien, Jörg Martens
Autor:
Wilfried Hinrichs, Rainer Lahmann-Lammert


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