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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
„Es ist alles so nah bei″
 
Erfinder-Glück nach Eisenbahn-Unglück
Zwischenüberschrift:
Zufriedene Stadtteilbewohner in Schinkel – Kreuzschule bleibt beherrschendes Thema
 
Straßenkunde: Die Rawiestraße ist nach dem Erfinder des Brems-Prellbocks benannt
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Vor allem zwei Themen bewegten die Schinkelaner am Mittwoch auf dem Wochenmarkt an der Ebertallee: Zum einen wurden sie nicht müde, am Stand der NOZ zu betonen, wie wunderschön″, gemütlich″ und toll″ Schinkel ist. Zum anderen nutzten junge Familien die Gelegenheit, die geplante Schließung der Kreuzschule zu kritisieren.

Untermalt vom Knistern der Plastiktüten, dem Poltern von Kartoffeln, die auf die Waage plumpsten, und dem traurigen Wimmern eines einsamen Mundharmonika-Spielers trugen die Schinkelaner vor, was sie bewegte: Ich weiß nicht, was die Politik sich denkt für den Stadtteil ist das nicht gut″, ärgerte sich Beate Saggel. Ihre Kinder haben die Kreuzschule besucht, die jetzt mit der ebenfalls katholischen Overbergschule in der Teutoburger Schule zusammengelegt werden soll. Ich habe von einigen gehört, die deshalbweg ziehen wollen″, sagte sie.
Wir wohnen total gerne hier, haben letztes Jahr ein Haus gekauft″, schickte Nadine Pohlmeyer vorweg. Aber das Thema Kreuzschule brennt uns auf der Seele.″ Ihr Mann René ergänzte: Das ist keine Zusammenlegung, im Grunde ist es eine Schließung.″ Auch Melanie Schneider bedauerte den Verlust der alteingesessenen Schule. Wenn mein jüngerer Sohn zu einer katholischen Schule soll, müssten wir ihn immer fahren. Aber das ist für uns gar nicht machbar″, sagte sie.
Ansonsten betonten alle Schinkelaner, wie gut es sich im Stadtteil leben lässt. Ich wohne im Grünen, bin in zwei Minuten oben auf dem Schinkelberg, trotzdem aber in 15 Minuten mit dem Fahrrad am Neumarkt. Und das neue Solebad ist ein Traum″, sagte Renate Bergmann. Es ist alles so nah bei: Kirche, Sparkasse, Wochenmarkt, Ärzte, Supermarkt″, lobte Anneliese Beyer. Es gibt soviele Vorurteile gegenüber dem Schinkel″, ärgerte sich die geborene Schinkelanerin Brigitte Meckelhoff. Obwohl unser Schinkel so schön ist, hat er einen negativen Touch.″ Vielleicht hat das mit einem Kritikpunkt zweier Besucherinnen des NOZ-Standes zu tun: Der Schinkel sollte ein bisschen sauberer werden″, sagte Barbara Kleine. An den Glas- und Kleidercontainern liegt oft Müll. Und an der Buerschen Straße liegt ein Dreck im Gebüsch! Ähnliches hat Gabriele Pendl beobachtet, an den Glas-Containern am Markteingang. Um auf den Markt zu kommen, wo es die frischen Sachen gibt, muss ich durch den Müll das ist ekelig.″
Auch die Art und Weise, wie über Schinkel berichtet werde, trage zum schlechten Bild bei, das der Stadtteil in der Öffentlichkeit genieße, sagte Manfred Göcken, und Peter Schmidt er eiferte sich über einen unverzeihlichen Fehler″. Als solchen bezeichnete er die Schließung der Stadtteilbibliothek. Sie war immer gut besucht, auch von Bewohnern mit Migrationshintergrund.″
Für einen Moment ließ sogar Hans-Jürgen Niermann Kartoffeln Kartoffeln sein und erzählte von seiner herrlichen Jugend″, die er erlebt habe. Der Händler für Obst und Gemüse lebt in Bissendorf, ist aber in Schinkel aufgewachsen. Er sagte: Ich freue mich immer, hier mittwochs Bekannte zu treffen, wenn wir mit unserem Stand auf dem Markt unterwegs sind.″ Liebes Schinkel, wir haben uns auch gefreut, Dich zu treffen.

Bildtext:
Treffpunkt Marktplatz: Angeregt unterhält sich (von links) ein alteingesessener Schinkelaner mit Till, Petra Baumgarte und Hanne Riepenhoff auf dem Wochenmarkt in Schinkel.
Foto:
Uwe Lewandowsk

OSNABRÜCK. Am 6. Dezember 1901 fuhr der Ostende–Wien-Express um 5 Uhr morgens mit einer Geschwindigkeit von 66 km/ h in die Bahnhofshalle Frankfurt am Main ein. Geplant war, den Zugr echtzeitig vor dem Gleisende des Kopfbahnhofs zum Stehen zu bringen. Doch der Plan misslang, weil die Luftdruckbremse keine Wirkung zeigte. Der Lokführer hatte, so das Ergebnis der späteren Gerichtsverhandlung, nach dem vorhergehenden Halt in Mainz vergessen, den Druckkessel wieder aufzupumpen. Mit kaum verminderter Geschwindigkeit schob die Dampflok den Prellbock beiseite, kreuzte den Quersteig des Bahnhofs, durchschlug die Mauer des Empfangsgebäudes und kam erst im Wartesaal zweiter Klasse, inmitten der zum Frühstück gedeckten Tische, zum Stehen.
Diese Nachricht, die damals um die Welt ging, las auch der Osnabrücker Ingenieur und Unternehmer Franz Rawie. Seine Gedanken kreisten schon länger darum, wie man den von schweren Unfällen erschütterten Eisenbahnverkehr sicherer machen könne. Es lag auf der Hand, dass der starre Prellbock am Ende des Stumpfgleises″ die Katastrophe nicht hatte verhindern können. Zug und Bahnhofsanlagen trugen große Schäden davon. Rawies geniale Idee war, aus dem starren Prellbock einen gleitenden zu machen. Die Gleitbewegung gegen einen erheblichen Widerstand sollte Aufprallenergie verbrauchen und den Zug unschädlich zum Stehen bringen. Er entwickelte aus dem Prellbock einen Bremsbock.
1907 war es so weit, dass er mit dem angemeldeten Patent an die Öffentlichkeit treten konnte. Zu einem Erprobungsversuch hatte er in Ibbenbüren sein Bremssystem Nummer 1″ auf die Schienen montiert. Zugpferde links und rechts des Gleises beschleunigten ein paar alte Waggons in Richtung des Bremsbocks. Die Bahn war skeptisch, sie wollte für den ersten Praxistest nicht eine ihrer teuren Lokomotiven hergeben. Der Versuch gelang, das System hatte sich als praxistauglich erwiesen. Die Bahn bestellte weitere Prototypen. Der zweite wurde in Schneidemühl, dem Eisenbahnknoten in Westpreußen, montiert, der dritte in Duisburg, der vierte in Osnabrück am alten Bremer Bahnhof. Jeder musste zahlreiche Rennversuche″ über sich ergehen lassen. Anhand der Messergebnisse rüstete Rawie kontinuierlich Verbesserungen nach. 1910 wurde der erste große Kopfbahnhof mit Rawie-Bremsprellböcken ausgestattet, und zwar der in Frankfurt am Main. Neun Jahre nach dem auslösenden Unfall hatte Franz Rawie sein erstes großes Ziel erreicht. In der Folgezeit gingen die Eisenbahngesellschaften in allen Kontinenten auf das System Rawie über. Auf den Weltausstellungen in Brüssel und Turin heimste er Ehren-Diplome und königliche Verdienstmedaillen in Serie ein. Bis heute gilt die Firma A. Rawie als Weltmarktführer für entschleunigende Gleisabschlusssysteme. Franz Rawie kam am 14. Juli 1859 in Osnabrück zur Welt. Seine Vorfahren stammen von einem bäuerlichen Anwesen in Wersen. Über mehrere Generationen hatten die Rawies das Amt des städtischen Türmers auf der Haster Mühle inne. Großvater Bernhard Anton Rawie nannte sich nicht nur Türmer, sondern auch schon Feilenhauer″. Vater Rudolf Bernhard Rawie eröffnete 1855 an der Großen Gildewart eine Schlosserei.
Franz Rawie studierte Ingenieurwesen an der Technischen Hochschule Dresden und trat danach in die väterliche Firma ein, die mittlerweile an der Süsterstraße produzierte. Mit neuen Ideen formte er die Fabrik für Eisenwaren″ zur Fabrik für Eisenbahnbedarf″ um. Er fertigte Ersatzteile für das Reichsbahn-Ausbesserungswerk und entwickelte mechanische Überwegschranken, die in abgesenktem Zustand verriegelt waren. Um das Jahr 1900 verlagerte Franz Rawie den Betrieb an die Buersche Straße. Hier, in der Industrie-Vorstadt Schinkel, war man auch räumlich nahe an den Bahn-Werkstätten. 1912 brachte die Firma die 2500. Eisenbahnschranke und den 1000. Prellbock zur Auslieferung. Auf repräsentative Ämter im öffentlichen Leben verzichtete Rawie. Erlebte für seine Erfindungen. Lediglich das Reiten begeisterte ihn und brachte ihm Entspannung. Nach kurzer Krankheit starb Franz Rawie am 10. August 1929.
Seine Witwe Martha führte den Betrieb fort, später unterstützt von ihrem Bruder Erhart Wilisch. Nach Marthas Tod 1961 erbte Tochter Traute Fründ, geborene Rawie, den Betrieb, der 1978 aus Platzgründen Schinkel verließ und an der Dornierstraße in Eversburg eine neue Betriebsstätte eröffnete. Franz Rawies Enkel Jost Fründ ist heute einer der beiden Geschäftsführer.
Die nach Franz Rawie benannte Straße liegt im Stadtteil Schinkel nur wenige Hundert Meter vom ehemaligen Firmensitz an der Buerschen Straße entfernt. Sie zweigt als Sackgasse beim Autohaus Härtel von der Mindener Straße ab. Am toten Ende steht jedoch kein Prellbock, was man vielleicht in einer Rawiestraße erwarten könnte. Aber eine andere Art des Ausbremsens fand gleichwohl hier statt. Ältere Autohalter werden sich mit gemischten Gefühlen an das Befahren dieser Straße erinnern. Denn hierher gelangte man zu den Prüfhallen des TÜV. Für manches Auto, das bei der Hauptuntersuchung keine Gnade vor den Augen der gestrengen TÜV-Ingenieure fand, wurde die Rawiestraße zur finalen Sackgasse.

Bildtexte:
Tüftler und Unternehmer Franz Rawie.
In Erinnerung an Rawie im Stadtteil Schinkel: die Rawiestraße.
Fotos:
Archiv, Joachim Dierks
Autor:
Hanne Riepenhoff, Michael Schiffbänker, Joachim Dierks


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