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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die Bombe schweißte sie zusammen
Zwischenüberschrift:
Einmal um den Pudding: Die „Klushügelianer″ feiern und helfen sich gegenseitig
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Im Oktober 2009 war die Nachbarschaft auf dem Klushügel in den Schlagzeilen. Im Garten von Holger Clodius an der Humboldtstraße wurde eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die Klushügelianer″ fackelten damals nicht lange. Sie packten bei den Aufräumarbeiten in Clodius′ verwüstetem Garten mit an. Dabei wurde mehr gelacht und gefeiert als geschwitzt und geackert. Die Party-Stimmung auf dem Klushügel beschränkt sich nicht nur auf Feierlichkeiten.

Auf dem Spielplatz neben der Sportanlage auf dem Klushügel befindet sich das Epi-Zentrum der Klushügelianer″. Da war früher der Biergarten eines Lokals, erzählen sie. Dort steht ein Maibaum, der am 1. Mai Startpunkt der legendären Maigänge ist, die die Nachbarschaft seit einigen Jahren unternimmt.
Der Spielplatz ist eigentlich das Revier von Felix Rasten, Erik Brinkmann und den vielen anderen Kindern. Sie spielen dort Fußball, Räuber und Gendarm, Fangen oder Verstecken. Wir haben hier eine schöne Kindheit″, sind sich Felix und Erik einig. Auch die Gemeinschaft der Nachbarn finden beide nett. Nur bei der Frage, ob es am Klushügel leise oder laut sei, ist es mit der Einigkeit vorbei. Erik meint, es ist grün und ruhig auf dem Hügel. Felix widerspricht: Die Bahn ist laut.″ Schnell einigen sich aber beide Jungen: Man gewöhnt sich dran.″
Neben dem Spielplatz liegt die Sportanlage. Das war früher der größte Sportplatz von Osnabrück″, sagt Claudia Schiller. Deswegen wurde der Ort als Platz für eine Kundgebung der NSDAP am 24. Juli 1932 ausgewählt. Klaus Rasten berichtet, die Treppen, die von der Bohmter Straße zum Sportplatz führen, wurden extra für diesen Menschenauflauf gebaut. 25 000 bis 60 000 Menschen sollen dort gewesen sein. Dagehen die Angaben der Quellen auseinander. Adolf Hitler war der Hauptredner. Seitdem haben wir nie wieder etwas von ihm gehört″, sagt Karl-Heinz Sdrenka, und alle lachen.
Die Retourkutsche kam jedoch einige Jahre später. Bei Bombenangriffen auf Osnabrück war der nahe liegende Bahnhof Ziel der Alliierten. Etliche Bomben landeten auf dem Klushügel. Die Siedlung, die in den Zwanzigerjahren für Bahn- und Postbeamte entstanden war, wurde komplett zerstört, berichtet Andreas Lehr. Seine Mutter hat die Bombardierungen im Hochbunker an der Buerschen Straße überlebt.
Unter der Erde des Klushügels schlummerten jahrzehntelang Blindgänger. Die Bombe im Garten von Holger Clodius wurde gefunden, weil eine Bedienstete der verstorbenen Vorbesitzerin sich an die Familie wandte, als sie erfuhr, dass dort Kinder eingezogen waren, erzählt Clodius. Sie plagte ihr Gewissen.
Klaus Rasten berichtet, er habe Bombensplitter, die einen halben Meter lang waren, beim Umgraben im Garten entdeckt. An die Bomben denkt man nicht″, sagt Thomas Wulf. Andreas Lehrer gänzt: Es sind auch nicht mehr viele übrig.″
Die Vergangenheit ist am Klushügel jedoch präsent, wenn etwas unter der Oberfläche gegraben wird. Lehrberichtet, er habe unter dem Boden in seinem Wohnzimmer alte Zeitungen von 1936 gefunden, als er mit seiner Familie vor eineinhalb Jahren auf den Klushügel gezogen ist.
Seit über 30 Jahren lebt Bernhard Abels dort. Der gebürtige Ostfriese soll früher der Witwentröster″ gewesen sein, erzählen die Klushügelianer″. Der heute 75-jährige Abels winkt lachend ab. Er lässt den Witwentröster″ unkommentiert, aber durchblicken, dass die Bezeichnung wohl passt. Jahrelang war er Platzwart des TSV Osnabrück. Als er seinen Dienst antrat, hätten nur acht Häuser auf dem Klushügel gestanden. Da haben wohl hauptsächlich Witwen gewohnt, die Abels im Lokal auf dem Platz besucht haben.
Bernhard Abels hat aus seiner ostfriesischen Heimat den Kopfnicker-Gruß″ importiert. Einer ruft: Kopf″, die anderen rufen aus voller Kehle: Nicken! Dies sei ein Synonym für Danke und Bitte, erklärt Abels. Für die Klushügelianer″ ist es mittlerweile ein Schlachtruf geworden, der beim Kränzen des Maibaums oder beim Maigang oder bei den Weihnachtsfeiern oder den gemeinsamen Festen erschallt.
Zu Feiern gibt es viel auf dem Klushügel. Da dürfen auch Zugereiste mitmachen. Karl-Heinz Sdrenka wohnt eigentlich in der Buerschen Straße. Ich hab mich in die Nachbarschaft eingeschleimt″, sagt er augenzwinkernd. Er ist wegen seines Kleingartens auf dem Klushügel immer durch die Umgebung gelaufen. Irgendwann wurde er gegrüßt. Irgendwann kam er zu den Partys. Seit 25 Jahren gehört er dazu. Sdrenka meint: Das möchte ich nicht mehr missen.″

Bildtext:
Der Spielplatz ist das Zentrum der Nachbarschaft auf dem Klushügel. Dort erschallt bei Feierlichkeiten der Kopfnicker-Gruß″.
Foto:
Egmont Seiler
Autor:
Thomas Wübker


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