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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die Liebe, das Leben und der FC Schalke 04
Zwischenüberschrift:
Einmal um den Pudding: Am Paradiesweg ist nicht alles paradiesisch, aber vieles
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Der Paradiesweg ist eine Straße, die Osnabrücker Verhältnisse auf den Punkt bringt. Die Nordseite der Straße gehörte den Evangelischen Stiftungen, die Südseite dem katholischen Grafen von Galen. Der Paradiesweg bildet zwar eine Grenze zwischen den Besitzständen. Eine ideelle Grenze hat es aber nie gegeben. Die Leute hier haben sich alle gut verstanden″, sagt Anneliese Schlochtermeyer. Sie muss es wissen. Die 83-Jährige wohnt schon ihr Leben lang dort.

Seinen Namen verdankt der Weg trotz der Besitzverhältnisse nicht den Konfessionen, sondern einer sehr weltlichen Einrichtung. Am Anfang der Straße lag das Ausflugslokal Café Paradies. Früher wurden die Straßennamen von den Hausbesitzern übernommen″, erklärt Karl-Heinz Schlochtermeyer. Zum Beispiel wurde der Strothmannsweg nach dem Bauern gleichen Namens benannt. Der Wirwin Esch, ebenfalls eine Nebenstraße, die vom Paradiesweg abgeht, hat seinen Namen dem Unkraut zu verdanken, das dort früher wuchs. Wirwin heißt ins Hochdeutsche übersetzt Unkraut, so Schlochtermeyer.
Karl-Heinz Schlochtermeyer ist ein wandeln des Lexikon, was den Paradiesweg angeht. Kein Wunder, der Mann wurde dort geboren, ist dort aufgewachsen und hat auch seine Frau dort kennengelernt. Anneliese Schlochtermeyer kennt sich ebenso gut dort aus. Auch ihre Wiege stand am Paradiesweg. Als Kinder spielten Anneliese und Karl-Heinz noch nicht miteinander. Als wir Teenies wurden, da fing es an″, erinnert sich Anneliese mit einem Lächeln. Ihr Geburtshaus wurde 1914 auf der Südseite gebaut.
Den Vorschlag, die Nordseite des Paradieswegs zu bebauen, unterbreitete Gerda Avermanns mittlerweile verstorbener Mann Josef den Evangelischen Stiftungen im Jahr 1946. Der Paradiesweg reichte zu dieser Zeit von der Iburger bis zur Sutthauser Straße. Das Gebiet war damals Ackerland″, berichtet Karl-Heinz Schlochtermeyer, dessen Großvater Zimmermann war. Auf der Nordseitehatte er einen Garten, der zusätzliche Nahrung zum Lebensunterhalt lieferte.
Schlochtermeyers haben uns lange nicht gegrüßt″, lässt Gerda Avermann die Bombe platzen. Die andere Familie sei wegen seines Bau-Vorschlags böse auf ihren Mann gewesen, erzählt die 91-Jährige. Davon weiß ich ja gar nichts″, sagt Karl-Heinz Schlochtermeyer überrascht. Ob es irgendwann einen Friedensschluss zwischen den Familien gegeben hat, daran kann sich die Schwägerin des ehemaligen Nahner Bürgermeisters Bernhard Avermann nicht erinnern. Am friedlichen Miteinander hat und wird dieses lang gehütete Geheimnis jedoch nichts ändern.
Dass im Paradiesweg Harmonie und Frieden herrschen, liegt auch am FC Schalke 04. In der Siedlung lebt eine hohe Ansammlung Königsblauer. Das zeigen Auto-Aufkleber und Gartenzwerge in den Schalker Farben. Dieter Avermann und Norbert Musial sind Dauerkartenbesitzer. Sie fahren regelmäßig zu den Heimspielen nach Gelsenkirchen allerdings in getrennten Fahrgemeinschaften. Zu Hause am Paradiesweg wird ihre Eintracht nicht durch schwarzgelbe Störmanöver getrübt. Ein Dortmund-Fanist mir hier noch nicht begegnet″, sagt der 49-jährige Dieter Avermann.
Neben viel Licht gibt es auch Schatten im Paradiesweg: Die Parksituation ist gerade am Wochenende chaotisch″, sagt Christa Musial. Zwar habe jeder Anwohner eine Garage oder einen Einstellplatz. Die Straße sei aber zu klein für alle Autos, sind sich alle einig. Dazu kommt, dass durch die Sperrung der Ansgarstraße zurzeit viele Autofahrer den Paradiesweg als Umleitung benutzen. Das ist zwar temporär. Die nächste Belastung lässt aber nicht lange auf sich warten. Der Paradiesweg soll auf Anordnung der Stadt bis 2016 verengt werden. Das gibt noch mehr Chaos″, sind sich alle einig.
Karl-Heinz Hörnschemeyer findet einen weiteren Schatten im Paradies: Wir verdursten in Nahne.″ Die seligen Zeiten des Cafés Paradies seien ja schon lange vorbei. Aber auch viele andere Kneipen hätten in der jüngeren Vergangenheit ihre Pforten geschlossen. Es war immer mein Traum, eine Gaststätte zu machen″, sinniert die 67-jährige Christa Musial, die mit ihrem Mann Norbert übrigens eine einmalige Vorreiterrolle im Stadtteil Nahne hat: Sie haben als erstes Paar in der Ansgarkirche geheiratet.
Den Kneipen-Traum legt Christa Musial aber schnell ad acta. Sie trauert eher dem Tante-Emma-Laden hinterher, in dem sie so gut mit den Nachbarn plaudern konnte. Der Ort zum Plaudern hat sich durch die Schließung verlagert, wie Anneliese Schlochtermeyer berichtet: Wenn den Leuten langweilig ist, gehen sie zum Arzt.″

Bildtext:
Unter der Eiche hat Karl-Heinz Schlochtermeyer (Zweiter von links) schon als Kind gespielt. Auch Christa Musial, Anneliese Schlochtermeyer sowie Gerda und Dieter Avermann leben ihr Leben lang im Paradiesweg.
Foto:
Thomas Wübker
Autor:
Thomas Wübker


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