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1.
Erscheinungsdatum:
25.11.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Wenige Meter entscheiden über den Tod
Zwischenüberschrift:
Die letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkriegs: Lore Niemann und der brennende Bahnhof
Artikel:
Originaltext:
Georgsmarienhütte/
Osnabrück
Der
Osnabrücker
Autor
Christian
Hardinghaus
gibt
in
seinem
neuen
Buch
„
Die
verratene
Generation″
Gespräche
mit
Zeitzeuginnen
des
Zweiten
Weltkriegs
wieder,
die
entweder
Flucht
und
Vertreibung
aus
den
Ostgebieten
oder
den
Bombenkrieg
in
der
Heimat
hautnah
miterlebt
haben.
Darin
kommt
auch
eine
Osnabrückerin
vor:
Lore
Josepha
Niemann,
geborene
Pötter.
Sie
ist
die
einzige
Osnabrückerin
unter
den
zwölf
ausführlich
in
Einzelinterviews
zu
Wort
kommenden
Frauen.
Die
anderen
leben
kreuz
und
quer
verteilt
im
Bundesgebiet.
Hardinghaus
hat
sich
über
seine
bisherigen
historischen
Arbeiten
ein
Netzwerk
aufgebaut,
das
ihm
zu
entsprechenden
Kontakten
verhalf.
Ihm
ging
es
bei
der
Auswahl
darum,
Frauen
mit
unterschiedlichen
Funktionen
im
NS-
Staat,
ob
Wehrmachtshelferin,
Lazarettschwester
oder
Rüstungsarbeiterin,
Frauen
aus
unterschiedlichen
Vertreibungsgebieten
und
Frauen
mit
unterschiedlichen
Erfahrungen
im
Bombenkrieg
abzubilden.
Hardinghaus
kannte
Lore
Niemann
zuvor
nicht.
Er
entschied
sich
für
ihre
Geschichte,
weil
sie
gleich
mehrere
Bombenangriffe
miterlebt
hatte,
darunter
den
für
sie
grauenvollsten
am
13.
September
1944,
als
sie
den
Zug
im
brennenden
Hauptbahnhof
verlassen
musste
und
über
brennende
Leichen
und
stöhnende
Schwerverletzte
stolperte.
Lore
Niemann
stammt
aus
einem
„
behüteten
Elternhaus″,
wie
sie
es
selbst
beschreibt,
gut
katholisch,
der
Vater
August
Pötter
hat
ein
Geschäft
für
Haushaltswaren,
Betten,
Gardinen
und
Stoffe
an
der
Wesereschstraße/
Ecke
Bremer
Straße.
Lore
Josepha,
wie
sie
laut
Taufschein
heißt
–
Lore
allein
erschien
dem
Kreuzkirchen-
Pfarrer
als
zu
„
unchristlich″
–,
geht
zur
Kreuzschule.
Sie
kommt
täglich
am
jüdischen
Gemischtwarenladen
Samson
David
vorbei,
wo
sie
große
Teile
ihres
Taschengeldes
für
Süßigkeiten
lässt.
Fassungslos
steht
sie
am
10.
November
1938
nach
der
Reichskristallnacht
vor
dem
verwüsteten
Laden,
die
Gläser
mit
den
Bonbons
zerschlagen,
die
Lutscher
im
Dreck.
Sie
bekommt
keine
Antworten
auf
ihre
Fragen,
die
Zusammenhänge
werden
beschwiegen.
Ab
Klasse
5
besucht
sie
die
Ursulaschule
–
jedenfalls
solange
die
Nazis
den
Betrieb
der
Nonnenschule
noch
dulden.
Damit
ist
es
im
August
1941
vorbei.
Lore
beginnt
eine
Einzelhandelslehre
im
Geschäft
des
Vaters.
Den
Bombenkrieg
bekommt
sie
vom
ersten
Angriff
an
mit.
Im
Juni
1940
fallen
Bomben
auf
das
Stahlwerk.
Die
ersten
Verletzten
und
ein
Toter
werden
geborgen.
Ab
1942
setzen
die
Angriffe
auf
Wohngebiete
ein.
Lore
verbringt
viele
Nächte
mit
der
Familie
im
Luftschutzkeller.
Schlimm
ist
das
Bombardement
am
13.
Mai
1944,
das
auch
Wohngebiete
an
der
Bremer
Straße
heimsucht.
Noch
wird
das
Haus
der
Pötters
verschont,
aber
das
Haus
der
besten
Spielkameradin
ist
einfach
weg,
nur
noch
ein
Trümmerhaufen.
Die
Freundin
ist
mit
Geschwistern
und
Eltern
darin
erschlagen
worden.
„
Ich
wusste,
dass
genau
das
Gleiche
auch
uns
hätte
treffen
können.
Wenige
Meter
entscheiden
über
den
Tod″,
erinnert
sich
Lore
Niemann.
In
ihrer
direkten
Nachbarschaft
sterben
243
Menschen.
Dem
Vater
reicht
es.
Er
entscheidet,
die
Familie
bei
Freunden
auf
einem
Bauernhof
in
Oesede
unterzubringen.
Lore
fährt
jeden
Tag
mit
dem
Zug
nach
Osnabrück
hinein,
weil
sie
im
Laden
verkaufen
muss.
Bei
einer
dieser
Fahrten
durchlebt
sie
die
grausamsten
Momente
ihrer
bislang
92
Lebensjahre.
Sie
gerät
in
den
Großangriff
vom
13.
September
1944.
Ihr
abendlicher
Zug
nach
Oesede
ist
schon
angefahren,
hält
dann
aber
nach
wenigen
Metern.
Vollalarm,
gellende
Sirenen,
alle
raus
aus
dem
Zug,
alle
hasten
in
Richtung
Bahnhofsbunker.
Zu
spät,
die
Bomben
fallen.
Der
Zug,
den
sie
gerade
verlassen
hat,
steht
in
Flammen.
Es
sind
noch
Menschen
drin.
Panik,
Schmerzensschreie.
Einige
bleiben
mit
ihren
Schuhen
im
glühenden
Asphalt
des
Bahnsteigs
stecken,
sie
sacken
zusammen,
ihre
Kleidung
fängt
Feuer,
keiner
kann
ihnen
helfen.
Lore
überlebt.
Es
folgen
weitere
Angriffe.
Am
13.
Oktober
1944
wird
auch
das
bislang
verschont
gebliebene
Wohn-
und
Geschäftshaus
der
Pötters
vernichtet.
Lores
einziger
Trost
ist
ihr
Freund
Joseph
Niemann,
den
sie
bei
den
Zugfahrten
kennengelernt
hat.
Er
ist
ihre
erste
große
Liebe.
Sie
bleiben
zusammen
und
heiraten
nach
dem
Krieg.
Doch
noch
ist
der
nicht
zu
Ende.
Lore
berichtet
dem
Historiker
Christian
Hardinghaus
von
amerikanischen
Panzertruppen,
die
Anfang
Mai
1945
in
Oesede
auftauchten.
Amerikaner
im
Osnabrücker
Land?
Es
waren
doch
Briten,
die
Osnabrück
besetzten?
Hardinghaus
kann
das
einordnen:
„
Die
Amerikaner
zogen
aus
dem
Ruhrkessel
nach
Nordosten,
um
den
Briten,
die
von
Nordwesten
kamen,
die
südliche
Flanke
frei
zu
halten.
Ihr
Auftrag
war,
im
Osnabrücker
Südkreis
die
letzten
Widerstandsnester
auszuschalten.
An
der
Stadtgrenze
machten
sie
halt,
um
den
Engländern
dann
die
relativ
ungestörte
Einnahme
der
Stadt
Osnabrück
zu
ermöglichen.″
Lore
wird
zur
„
Trümmerfrau″.
Mit
Eltern
und
Geschwistern
pickt
sie
Steine
für
den
Wiederaufbau
an
der
Wesereschstraße.
Es
gelingt,
das
alte
Lagerhaus
auf
dem
rückwärtigen
Grundstücksteil
wieder
zu
errichten
und
darin
unterzukommen.
Das
Vorderhaus
darf
nicht
neu
entstehen,
da
die
Stadt
die
Bremer
Straße
verbreitern
will.
Lore
und
ihr
Joseph
ziehen
nach
der
Heirat
1950
nach
Sutthausen.
Sie
schaffen
einen
glücklichen
Neustart.
Vier
Kinder
kommen
zur
Welt.
Heute
kann
Lore
ihre
große
Familie
kaum
noch
zählen,
mittlerweile
gehören
zwölf
Enkel
und
zwölf
Urenkel
dazu.
Hardinghaus
beschreibt
im
Vorwort
seine
Motivation
zur
Wahl
des
Themas.
Er
möchte
jenen
eine
Stimme
geben,
die
es
bald
nicht
mehr
gibt.
Er
möchte
die
letzten
Zeitzeuginnen
verteidigen,
wenn
ihnen
immer
wieder
pauschal
unterstellt
wird,
Hitler
angehimmelt
und
gewählt,
aber
nichts
gegen
den
Mord
an
Millionen
Juden
unternommen
zu
haben.
Sie
„
haben
nicht
nur
geschwiegen,
weil
man
sie
schon
vorher
mit
Vorurteilen
überschüttet
hatte,
sondern
auch,
um
überhaupt
wieder
ins
Leben
zu
finden″
angesichts
eigener
erlittener
Traumata.
14
Millionen
Deutsche
wurden
aus
ihrer
Heimat
vertrieben,
mehr
als
zwei
Millionen
von
ihnen
ermordet,
mindestens
zwei
Millionen
Frauen
und
Mädchen
vergewaltigt.
Die
Vertreibungsverbrechen
gelten
gesellschaftlich
als
Tabuthema,
ebenso
wie
die
Diskussion
darüber,
ob
die
alliierten
Flächenbombardements
mit
600
000
zivilen
Opfern,
darunter
mehrheitlich
Frauen
und
Kinder,
Kriegsverbrechen
waren.
Wer
diese
Themen
anspreche,
gerate
automatisch
in
Verdacht,
die
Verbrechen
der
Nazis
relativieren
zu
wollen.
Mutig
streitet
Hardinghaus
für
ein
Überdenken
unserer
Erinnerungskultur.
Bildtexte:
Lore
Niemann
aus
Osnabrück
ist
jetzt
92
und
erfreut
sich
bester
Gesundheit.
Lore
Pötter
und
Joseph
Niemann
kurz
nach
dem
Zweiten
Weltkrieg.
Pötters
Haushaltswaren-
Laden
an
der
Wesereschstraße/
Ecke
Bremer
Straße
um
1910.
Fotos:
Joachim
Dierks,
Archiv
Niemann,
Archiv
NOZ
Der
Autor
Christian
Hardinghaus
Jahrgang
1978,
aufgewachsen
in
Osnabrück-
Haste,
ist
Historiker,
Schriftsteller
und
Fachjournalist
.
Er
veröffentlicht
neben
Sachbüchern
zu
zeitgeschichtlichen
Themen
(Schwerpunkt
Erforschung
des
NS-
Systems
und
des
Zweiten
Weltkriegs)
historische
Romane
sowie
Thriller
und
Kriminalliteratur.
Zu
seinen
wichtigsten
Werken
zählen
eine
Biografie
Ferdinand
Sauerbruchs,
des
Wehrmachts-
Arztes
Helmut
Machemer
und
„
Die
verdammte
Generation:
Gespräche
mit
den
letzten
Soldaten
des
Zweiten
Weltkriegs″.
Er
studierte
Geschichte,
Medien
und
Literaturwissenschaft
an
der
Universität
Osnabrück
.
2011
promovierte
er
hier
im
Bereich
Propaganda-
und
Antisemitismusforschung.
2016
erwarb
Hardinghaus
zudem
den
Abschluss
für
das
gymnasiale
Lehramt
in
den
Fächern
Deutsch
und
Geschichte.
Hardinghaus
lebt
in
Osnabrück
und
arbeitet
als
Schriftsteller,
Lektor,
beratender
Historiker
und
freier
Journalist.