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1.
Erscheinungsdatum:
21.11.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Inhalt:
Zeitreise
Überschrift:
Vom Bischof vor den Nazis gerettet
Zwischenüberschrift:
Dr. Josef Müller und seiner Frau Irmgard gelang 1938 die Flucht aus Osnabrück in die USA
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Wenn
am
9.
November
an
die
Reichspogromnacht
erinnert
und
damit
des
Schicksals
der
früheren
jüdischen
Mitbürger
in
Osnabrück
gedacht
wird,
fallen
Emmy
Feldwisch-
Drentrup
immer
wieder
die
Begegnungen
mit
Irmgard
und
Dr.
Josef
Müller
ein.
Irmgard
Müller
war
Jüdin,
ihr
Mann
„
Arier″.
Sie
entgingen
dem
Holocaust
nur
knapp.
Die
heute
98-
jährige
Emmy
Feldwisch-
Drentrup
ist
die
Witwe
des
1994
verstorbenen
Architekten
Josef
Feldwisch-
Drentrup.
Er
war
der
Hausarchitekt
des
Marienhospitals.
Zu
seinen
großen
Leistungen
gehört
der
rasche
Wiederaufbau
des
Krankenhauses
nach
der
Kriegszerstörung.
Das
Marienhospital
ist
auch
der
Verknüpfungspunkt
der
Lebenswege
von
Emmy
Feldwisch-
Drentrup
und
den
Müllers.
Dr.
Josef
Müller
hatte
dort
1931
die
geburtshilfliche
Abteilung
aufgebaut.
Er
war
gebürtiger
Rheinländer
und
von
kontaktfreudiger
Natur,
zugleich
ein
guter,
ein
beliebter
Arzt,
der
Tausenden
von
kleinen
Osnabrückern
dabei
half,
das
Licht
dieser
Welt
zu
erblicken.
„
Kein
Kind
ohne
Müller″,
lautete
damals
ein
gängiger
Slogan.
Trennungs-
Druck
Das
Problem
Dr.
Müllers
in
der
Nazizeit
bestand
darin,
dass
er
eine
Jüdin
zur
Frau
hatte.
Irmgard
war
zwar
getaufte
Katholikin,
aber
für
die
Nazis
galt
sie
weiterhin
als
Jüdin.
Die
Partei
legte
Dr.
Müller
nahe,
sich
von
seiner
Frau
zu
trennen.
Der
wusste
aber:
Er
konnte
seine
Frau
nur
so
lange
vor
der
Deportation
bewahren,
wie
er
zu
ihr
hielt.
Würde
er
sich
von
ihr
trennen,
drohte
ihr
unmittelbar
der
Transport
ins
KZ.
Gleichzeitig
wuchs
der
Druck
auf
Dr.
Müller.
Er
verlor
seine
Stelle
als
Leiter
der
Gynäkologie,
durfte
am
Marienhospital
aber
zunächst
noch
untergeordnet
weiterarbeiten.
Die
NS-
Kreisleitung
schreckte
noch
davor
zurück,
ihn
zu
verhaften,
weil
sie
um
seine
große
Popularität
in
der
Bevölkerung
wusste.
Doch
das
konnte
sich
täglich
andern.
Zudem
setzte
sich
Dr.
Müller
weiterer
Gefahr
aus,
indem
er
auch
jüdische
Patientinnen
behandelte.
1938
drohte
sich
die
Schlinge
um
Müllers
Hals
schließlich
zuzuziehen.
Bischof
Wilhelm
Berning
erfuhr
durch
die
besonderen
Kontakte
seines
Generalvikariatsrats
Dr.
Heinrich
Lünenborg
zur
örtlichen
Parteispitze
von
der
bevorstehenden
Verhaftung
der
Müllers.
Der
Bischof
zögerte
nicht
lange
und
setzte
eine
Geheimaktion
ins
Werk.
Er
beauftragte
Kaplan
Witte
aus
Ostercappeln,
sich
zivil
zu
kleiden,
in
ein
bereitgestelltes
unauffälliges
Auto
zu
steigen
und
zur
Wohnung
der
Müllers
am
Kollegienwall
zu
fahren.
Dort
traf
der
Kaplan
Frau
Müller
an,
klärte
sie
über
die
in
der
Nacht
bevorstehende
Verhaftung
auf
und
bedrängte
sie,
alles
stehen
und
liegen
zu
lassen
und
mitzukommen.
Frau
Müller
wollte
aber
erst
noch
zur
Bank.
„
Nein,
das
geht
nicht,
wir
dürfen
keine
Minute
Zeit
verlieren,
sonst
sind
Sie
morgen
in
Bergen-
Belsen″,
wurde
der
Kaplan
deutlich.
Weiter
ging
es
zum
Marienhospital,
wo
sie
Dr.
Müller
unter
einem
Vorwand
aus
dem
Kreißsaal
holten
und
zusteigen
ließen.
Der
Kaplan
brachte
sie
ins
Emsland,
ins
Burtanger
Moor,
und
dort
zu
einer
Vertrauensperson,
die
sie
nachts
über
die
grüne
Grenze
in
die
Niederlande
schleuste.
Das
Bistum
hatte
das
Ehepaar
mit
ausreichend
Devisen
ausgestattet,
damit
es
die
Schiffspassage
ab
Rotterdam
in
die
USA
bezahlen
konnte.
In
New
York
trafen
die
Müllers
einen
jüdischen
Fabrikanten,
der
sie
fürs
Erste
aufnahm.
Frau
Müller
konnte
als
Hilfsarbeiterin
in
dessen
Handschuhfabrik
arbeiten.
Herrn
Müllers
Approbation
wurde
nicht
anerkannt,
er
schob
zunächst
Nachtdienst
als
Sanitäter
in
einem
Krankenhaus.
Tagsüber
büffelte
er
Englisch
und
die
medizinischen
Fachbegriffe
in
der
fremden
Sprache.
Nach
einiger
Zeit
absolvierte
er
das
amerikanische
Staatsexamen
und
erlangte
die
Zulassung
als
Arzt
im
amerikanischen
Gesundheitssystem.
In
Chicago
herrsche
Mangel
an
Frauenärzten,
hieß
es.
Das
Ehepaar
zog
dorthin.
Dr.
Müller
eröffnete
eine
gynäkologische
Praxis,
die
er
bis
ins
hohe
Alter
erfolgreich
betrieb.
Aber
es
gab
dann
auch
den
Faktor
Heimweh.
In
der
Nachkriegszeit
kehrten
die
Müllers
einige
Male
nach
Osnabrück
zurück,
unterhielten
zeitweise
sogar
eine
Wohnung
beim
Friseur
Hunecke
in
der
Hasestraße.
Um
1947
entstand
die
Verbindung
zu
Josef
und
Emmy
Feldwisch-
Drentrup.
Der
Architekt
führte
den
früheren
Chefarzt
der
Gynäkologie
durch
das
wiederaufgebaute
Krankenhaus.
Dr.
Müller
zeigte
sich
glücklich
über
die
Wiederauferstehung
„
seines″
Hospitals
und
war
stolz
darauf,
Teil
von
dessen
Geschichte
zu
sein.
Die
Angst
blieb
Die
Frauen
Irmgard
und
Emmy
freundeten
sich
an.
Irmgard
war
nicht
so
glücklich
wie
ihr
Mann,
wieder
in
Deutschland
zu
sein.
Obwohl
es
dafür
keinen
Grund
mehr
gab,
litt
sie
unter
der
Angst,
wieder
verhaftet
zu
werden,
und
traute
sich
in
der
ersten
Zeit
überhaupt
nicht
aus
dem
Haus.
Wenn
Emmy
sie
an
der
Hasestraße
besuchte,
musste
sie
auf
die
Minute
genau
zur
Stelle
sein.
Fünf
Minuten
vorher
oder
fünf
Minuten
später
machte
Irmgard
nicht
auf
–
weil
sie
fürchtete,
es
könnten
wieder
Männer
mit
Ledermantel
und
Schlapphut
vor
der
Tür
stehen.
Emmy
sagt
heute,
es
sei
kein
Wunder
gewesen,
wenn
die
Frau
in
dieser
Hinsicht
kurz
vor
dem
Wahnsinn
gestanden
hätte,
wo
sie
doch
im
Holocaust
alle
Geschwister
und
20
weitere
nahe
Verwandte
verloren
hatte.
Wenn
Emmy
sie
zum
Kaffee
besuchte,
stand
immer
das
schneeweiße,
dekorlose
Porzellan
auf
dem
Tisch.
Es
war
gutes
Porzellan
aus
der
Königlichen
Porzellan-
Manufaktur
in
Berlin.
Irmgard
erzählte
ihr
dazu,
dass
es
geringfügige
Fehler
enthalte
und
deshalb
nicht
zur
Bemalung
freigegeben
worden
war.
Für
Juden
erschien
es
aber
gerade
gut
genug
zu
sein.
In
lange
zurückliegenden
Zeiten
hätten
ihre
Vorfahren
es
erwerben
müssen,
um
im
alten
Preußen
gewisse
Bürgerrechte
zu
erlangen.
Das
sogenannte
„
Judenporzellan″
hätte
dazu
gedient,
Kaufkraft
der
oft
vermögenden
Juden
abzuschöpfen.
Diese
Familien-
Erbstücke
der
besonderen
Art
musste
Irmgard
bei
der
überstürzten
Flucht
1938
in
der
Wohnung
zurücklassen.
Die
Zugehfrau
habe
sie
am
nächsten
Tag
in
der
verlassenen
Wohnung
entdeckt
und
sich
gedacht:
Bevor
die
Gestapo
alles
einkassiert,
nehme
ich
es
lieber
an
mich.
Diese
Putzhilfe
hatte
nun
nach
dem
Krieg
erfahren,
dass
die
Müllers
wieder
im
Lande
seien.
Sie
hatte
daraufhin
nichts
Eiligeres
zu
tun,
als
den
Karton
mit
dem
Porzellan
aus
dem
Keller
zu
holen
und
es
den
rechtmäßigen
Eigentümern
zurückzugeben.
So
war
Irmgard
Müller
kurz
zuvor
wieder
in
den
Besitz
ihres
ererbten
„
Judenporzellans″
gelangt,
worüber
sie
sehr
glücklich
war.
Die
freundschaftlichen
Bande
der
beiden
Ehepaare
waren
so
eng,
dass
die
Müllers
einige
Male
in
Feldwisch-
Drentrups
Ferienhaus
im
Oberbayerischen
Urlaub
machten.
Emmy
zeigt
heute
stolz
den
Schriftverkehr
und
Einträge
der
Müllers
im
Gästebuch.
Das
ging
so
bis
Ende
der
1960er-
Jahre.
Damals
errang
die
NPD
gewisse
Wahlerfolge.
Da
fürchteten
die
Müllers
für
die
Bundesrepublik
einen
Rückfall
in
den
Faschismus.
Sie
kehrten
ihrer
ersten
Heimat
endgültig
den
Rücken.
Der
Kontakt
riss
ab.
Emmy
Feldwisch-
Drentrups
Enkel
Hinnerk
gelang
es
jedoch,
die
beiden
Adoptivkinder
der
Müllers
in
den
USA
ausfindig
zu
machen.
Georg
und
Ursula
Levy,
heute
90
und
85
Jahre
alt,
sind
die
leiblichen
Kinder
von
Irmgards
Schwester
Lucie
und
deren
Mann
Max
aus
Lippstadt.
Lucie
und
Max
wurden
beide
Opfer
des
Holocausts.
Die
Kinder
durchliefen
verschiedene
KZs,
bis
„
Uncle
Joseph″
in
den
USA
es
schaffte,
die
Kinder
aus
Bergen-
Belsen
herauszuholen
und
in
ein
katholisches
Internat
in
den
Niederlanden
zu
schaffen,
von
wo
er
sie
später
zu
sich
und
seiner
Frau
in
die
USA
ausreisen
ließ.
Georg
hat
seine
Lebensgeschichte
unter
dem
Titel
„
Lucie′s
Hope″
aufgeschrieben
und
darin
auch
einiges
über
seine
Adoptiveltern
erzählt.
Man
erfährt
zum
Beispiel,
dass
die
Müllers
schon
vor
1938
einen
Exil-
Versuch
in
Brasilien
starteten.
Irmgard
kam
mit
den
dortigen
Lebensumständen
aber
überhaupt
nicht
zurecht,
sodass
sie
schon
bald
wieder
nach
Deutschland
in
die
Höhle
des
Löwen
zurückkehrten
–
bis
es
dann
im
September
1938
unter
dramatischen
Umständen
zur
Flucht
über
die
Niederlande
und
England
in
die
USA
kam.
Die
Osnabrücker
Holocaust-
Forscherin
Martina
Sellmeyer,
Mitautorin
des
Werks
„
Stationen
auf
dem
Weg
nach
Auschwitz″,
stand
1985
in
brieflichem
Kontakt
mit
Irmgard
Müller.
Sellmeyer
gibt
in
ihrem
Standardwerk
über
das
Schicksal
der
Osnabrücker
Juden
im
Kapitel
über
die
sogenannten
„
Mischehen″
auch
Auskunft
über
die
Müllers.
Bildtexte:
Das
Ehepaar
Müller
hatte
sich
im
amerikanischen
Exil
eine
neue
Existenz
aufgebaut.
Bei
der
Flucht
half
ihnen
Bischof
Wilhelm
Berning.
Dr.
Josef
Müller
und
Frau
Irmgard
in
glücklicheren
Tagen.
Emmy
Feldwisch-
Drentrup
war
mit
dem
Ehepaar
Müller
befreundet.
Das
Marienhospital
Osnabrück
nach
dem
ersten
Wiederaufbauabschnitt
1946.
Fotos:
Privatarchiv
George
Levy
Mueller/
USA,
Archiv
Martina
Sellmeyer,
Joachim
Dierks,
Archiv
MHO/
Josef
Feldwisch-
Drentrup
Autor:
Joachim Dierks