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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Pillen und Pulver seit fast einem halben Jahrtausend
Zwischenüberschrift:
Hirsch-Apotheke besteht seit 475 Jahren am Nikolaiort in Osnabrück
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Die Hirsch-Apotheke am Nikolaiort hätte Grund zu feiern: Sie ist Anfang November 475 Jahre alt geworden. Damit ist sie nicht nur die älteste Apotheke, sondern sogar der älteste Wirtschaftsbetrieb überhaupt in Osnabrück, der ununterbrochen bis heute besteht. Stationäre Apotheken bewegten sich in einem schwierigen Umfeld, sagt Inhaber Rudolf Meyer. Seit der Niederlassungsfreiheit 1958 sei die Zahl der Apotheken zunächst stark gestiegen, seit einigen Jahren aber ein Apothekensterben″ zu beobachten. Versandapotheken fahren laut Meyer einen scharfen Expansionskurs.
Für das eigene Haus macht Meyer sich aber keine Sorgen. Der Nikolaiort gehört zu den besten Lagen der Stadt auch für eine Apotheke. Seit 475 Jahren ist die Hirsch-Apotheke diesem Standort treu geblieben. Seit fast einem halben Jahrtausend dasselbe Geschäftsfeld, derselbe Name, derselbe Standort. Und immerhin seit fast 300 Jahren geben die Meyers in der Hirsch-Apotheke den Ton an. Apotheker Rudolf Meyer verkörpert mittlerweile die siebte Generation der Familie als Pharmazeuten am Nikolaiort. Und die achte Generation mit Max Meyer, der seine Approbation bereits in der Tasche hat, steht schon in den Startlöchern.
Der Hirsch im Namen ist sogar älter als die Apotheke. Das Haus zum Hirschen″ wird bereits um 1500 erwähnt. Damals hatte jedes Haus zur Unterscheidung einen Namen nach dem Zierrat an der Fassade oder nach der Nutzung des Hauses, da es Hausnummern noch nicht gab. Als ein Bartholomäus Meuschen 1545 die Bestallung vom Rat der Stadt erhielt, eine Apotheke zu betreiben, und sich im Haus zum Hirschen″ am Nikolaiort niederließ, behielt er den Namen bei. Wobei man es als Zufall ansehen kann, dass Hirsch″ ein häufig anzutreffender Name für alte Apotheken ist. Beliebt als Namensgeber waren kräftige und majestätische Tierarten wie Löwe, Bär, Adler oder eben der Hirsch.
Wie hat man sich den Arzneimittelkauf im 16. Jahrhundert vorzustellen? Der Patient, der oft Dutzende von Kilometern zurückgelegt hatte, musste draußen bleiben, man wusste ja nicht, ob er ansteckend war. Manchmal durfte er in einem Vorraum auf einer Bank Platz nehmen, nachdem er durch eine Klappe das Rezept hineingereicht hatte. Dann hieß es warten. Denn die Rezepturen wie Pillen, Abkochungen, Pflaster, Salben und Teemischungen wurden frisch zubereitet. Manchmal sammelten Boten in einem Dorf des Umlandes alle vorliegenden Rezepte ein, nachdem der Medicus durchgereist war, fuhren damit zur Hirsch-Apotheke in die Stadt und besorgten die Arzneien zentral.
Die Pestzeit um 1575 hatte zur Folge, dass der Rat der Stadt eine zweite Apotheke genehmigte. 1601 gründete Apotheker Heinrich Ameldung die Löwen-Apotheke am Markt (die spätere Rats-Apotheke). Ameldungs Tochter heiratete den damaligen Hirsch-Apotheker Wilhelm Schwartze. Damit noch nicht genug der verwandtschaftlichen Querverbindungen: Zum Apotheker der drittältesten Apotheke am Ort, der 1659 gegründeten Mohren-Apotheke, wurde Johann Rudolf Schwartze bestimmt, Sohn des Hirsch-Apothekers Wilhelm Schwartze.
Das frühe Apothekenwesen in Osnabrück ähnelte somit einer geschlossenen Gesellschaft, in der die Großfamilie ihre Pfründe aufteilte, aber durchaus auch gegenseitig argwöhnisch bewachte. Eine vierte Apotheke tritt erst 1894 mit der Gründung der Einhorn-Apotheke auf den Plan.
Die Familie Meyer stellt seit 1732 die Hirsch-Apotheker. Sie beauftragte 1797/ 98 den bis heute zu bewundernden Neubau, einen Glanzpunkt des klassizistischen Baustils in Osnabrück, geschaffen von Baumeister Georg Heinrich Hollenberg nach dem Vorbild der Bischöflichen Kanzlei.
Einige Schlaglichter: Gustav F. A. Meyer, ab 1896 Hirsch-Apotheker, heiratet Elfriede Haarmann, die Tochter des Geheimen Kommerzienrats August Haarmann, Chef des Osnabrücker Stahlwerks, des Piesbergs und der Georgsmarienhütte. Elfriedes Bruder Justus Haarmann wird ein bedeutender Architekt. Er steht bei allen Modernisierungen und baulichen Veränderungen mit Rat und Tat zur Seite.
Das ist notwendig, als 1907 die Stadt wünscht, dass das Gebäude an der linken Seite eingekürzt wird. Die Herrenteichsstraße mündet zu eng in den Nikolaiort ein, die Engstelle behindert den zunehmenden Straßenverkehr. Nach langem Ringen kann die Symmetrie des siebenachsigen Gebäudes gewahrt werden, indem zur Herrenteichsstraße hin im Erdgeschoss ein Arkadendurchgang geschaffen wird. 1986 wird die Arkade wieder geschlossen und seither als Geschäftslokal genutzt.
Dr. Friedrich Meyer (1903– 1933) leitet die Apotheke ab 1928 in sechster Generation. Er ist nicht nur engagierter Pharmazeut und entwickelt Eigenprodukte wie Dr. Meyers Universal-Heil- und Wundsalbe″, er ist auch begeisterter Hobbyflieger. Als er 1933 vom Unfalltod des Raketenpioniers Reinhold Tiling und seiner Mitarbeiter Buddenböhmer und Kuhr bei Gut Arenshorst erfährt, dreht er eine Ehrenrunde über den aufgebahrten Luftfahrtkameraden. Bei der Rückkehr zum Flugplatz Netter Heide streift sein Flugzeug bei blendendem Gegenlicht einen Mast und stürzt ab. Friedrich Meyer stirbt im Krankenhaus. Der jüngere Bruder Justus bricht sofort sein Maschinenbaustudium in Berlin ab und beginnt mit Pharmazie in Münster. 1938 ist er fertig und übernimmt die Leitung der Apotheke.
Dreimal wird die Hirsch-Apotheke ab 1942 von Bomben getroffen, davon am 13. September vernichtend. Nur die Fassade, das Labor und Teile des Kellers bleiben erhalten.Zum großen Glück lässt sich die wertvolle Fassade stützen und erhalten. Dahinter wird 1948 ein einstöckiger Notbau für Apotheke und Wohnraum der kinderreichen Familie errichtet und dann bis 1958 unter Mitwirkung von Justus Haarmann das komplette Gebäude in seiner heutigen Gestalt.
Seit 1982 leitet Rudolf Meyer in siebter Meyer-Generation die Hirsch-Apotheke. Nachdem die eigene Offizin-Einrichtung im Zweiten Weltkrieg verbrannt war, erhielt er die Möglichkeit, das Inventar der Apotheke Drees aus Bentheim von 1840 als Dauerleihgabe zu übernehmen. Für Meyer ist Tradition eine Laterne, die in die Zukunft leuchtet″. Sie soll ihm helfen, in die Zukunft zu sehen und sich an veränderte Aufgaben anzupassen so wie das Generationen vor ihm auch geleistet haben.

Bildtexte:
Die Hirsch-Apotheke, Große Straße 46/ 47, wirkt um 1905 wie eingezwängt von den Nachbargebäuden am Nikolaiort. Die Baufluchten wurden hier nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zurückgeschoben.
Die klassizistische Fassade der Hirsch-Apotheke überlebte zum Glück den Bombenkrieg und ist bis heute erhalten.
Der vollendete Wiederaufbau um 1959.
Für die Kundin Frau Bauer″ wurde 1892 ein Döschen mit Schnupfpulver″ individuell erstellt.
Eigenprodukte der Hirsch-Apotheke.
Apotheker Justus Meyer (1909–1984) war der Urheber vieler Eigenprodukte.
Apotheker Rudolf Meyer leitet die Hirsch-Apotheke in siebter Meyer-Generation.
Fotos:
Rudolf Lichtenberg, Archiv Hirsch-Apotheke, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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