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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Verneigung vor den Opfern
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker „Viele″ putzen Stolpersteine gegen das Vergessen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Ungewohnter und irritierender hätte die Atmosphäre nicht sein können bei dieser Fahrradtour kreuz und quer durch die Stadt: schönes, ruhiges Herbstwetter am Montagnachmittag, aber coronabedingt auffällig wenige Leute unterwegs. Um- so mehr fallen schon von weitem die jeweils zwei oder drei Personen auf, die auf den Gehwegen kauern, um dort Stolpersteine zu putzen.
Reinigungspolitur, schwarze Finger, staubige Hosenbeine: kein Problem für Kulturschaffende und Prominente von Theaterintendant Ralf Waldschmidt, Künstlerin und Kuratorin Elisabeth Lumme, Hermann Queckenstedt vom Bistum bis zu Museumsquartiersdirektor Nils-Arne Kässens. Das Niederknien zum Säubern ist auch eine Form von Ehrerbietung den Opfern gegenüber″, bringt es Kässens auf den Punkt und wirkt sichtlich bewegt, als er in der Schlossstraße 11 die drei Messingtafeln von Rahel, Philipp und Felix Nussbaum vom Schmutzfirnis befreit. Der 1944 in Auschwitz umgekommene Osnabrücker Maler gehört zu den 296 Opfern des Nationalsozialismus, an die quadratische Gedenktäfelchen im Stadtgebiet erinnern.
Namen und Schicksale
Manche der Tafeln vor den letzten Wohnorten der meist jüdischen Opfer sind schon von den derzeitigen Bewohnern der Häuser geputzt worden. Das würde ich auch tun, wenn ich hier wohnen würde″, sagt Kässens spontan und betont, wie wichtig Erinnern an die offene Wunde″ aus eigenem inneren Bedürfnis heraus sei. In der Tat: Nach hingebungsvollem Polieren des Messings treten Namen und Schicksale wieder zutage, zumal Ralf Waldschmidt am Markt 11 oder Georg Hörnschemeyer, Vorsitzender des Vereins Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht, an der Bramscher Straße 11 die jeweiligen Lebensläufe vorlesen. Abrufbar sind sie unter geo.osnabrueck.de.
Lag es nur an coronabedingter Kontaktscheu, dass kein Passant die übers Pflaster gebeugten, putzenden Grüppchen ansprach und nach dem Grund ihres Handelns fragte? Oder ist die Kunstaktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der 1992 die Stolpersteinverlegung europaweit ins Leben rief, so bekannt, dass Putzaktionen am 9. November zum Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 allseits vertraut sind?
200 dieser Stolpersteine polierten die Osnabrücker Kulturschaffenden an diesem Novembermontag. Neben ihrem neuen Glanz fiel der hellblaue Kreideschriftzug ins Auge: # stolpersteineputzenos. Wer den Hashtag aufruft, erfährt, dass sich die Kulturschaffenden den Vielen″ angeschlossen haben. Der bundesweit aktive Verein setzt sich für Toleranz und vor allem die Freiheit der Kunst ein und verteidigt sie gegen rechtspopulistische Eingriffsabsichten in Spielpläne und Kulturprogramme. Ihr verächtlicher Umgang mit Menschen auf der Flucht, mit engagierten Kulturschaffenden, mit Andersdenkenden verrät, wie sie mit der Gesellschaft beabsichtigen umzugehen, sobald sich die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten verändern würden″, schreiben die Osnabrücker Vielen″ in ihrer Erklärung und meinen damit die Rechtspopulisten.
34 Institutionen dabei
Mittlerweile, seit dem örtlichen Startschuss im April 2019, haben 34 Kulturinstitutionen die Osnabrücker Erklärung″ unterschrieben – „ ein großartiges Signal″, wie Alexander Wunderlich vom Theater betont. Er koordiniert gemeinsam mit Julia Scheck vom Unabhängigen Filmfest die Osnabrücker Vielen″. Wunderlich hat auch die Stolperstein-Putzaktion in der Stadt initiiert und organisiert. Eigentlich sollte sie viel mehr Aufsehen erregen mit Musik einer lauten Klezmer-Gruppe und anderen Kunstaktionen. Corona kam dazwischen. Doch in der verwaisten Stadt wirkte das stille Tun der Vielen″ um so stärker und eindringlicher.

Bildtext:
Erinnerung auffrischen: Museumsdirektor Nils-Arne Kässens (Foto unten) ist das Stolpersteineputzen ein persönliches Anliegen. An der Schlossstraße 11 wohnte einst der Maler Felix Nussbaum.
Fotos:
Michael Gründel
Autor:
Christine Adam


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