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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Überschrift:
Weniger ist mehr!
Zwischenüberschrift:
Neue Wege zur Müllvermeidung
Artikel:
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Originaltext:
Es ist längst traurige Gewissheit: Die Abfälle der Industriegesellschaften vermüllen unsere Erde. Aus der Traum vom recyclebaren Supermaterial! Etwa 150 Millionen Tonnen Plastikmüll (150.000.000.000 Kilogramm!) schwimmen laut Greenpeace in den Ozeanen und werden zum Verhängnis für etliche Tierarten. Obgleich die direkten Auswirkungen auf dem Land nur bedingt sichtbar sind: Der blaue Planet leitet.

Die Welle der Empörung darüber scheint nur langsam zu wachsen und das, obwohl sich die Junststoffe mittlerweile sogar in Form von Mikroplastik in unserer Nahrung befinden. Erste Initiativen zur Müllvermeidung wie das langsame Verschwinden von Gratisplastiltüten für Obst und Gemüse im Discounter wirken unangemessen klein. Immerhin scheint eine Sensibilisierung auf der Verbraucherebene stattzufinden: Der Coffee-To-Go-Becher ist längstzum negativen Sinnbild für die Wegwerfgesellschaft geworden und beschämt den Heißgetränke-Freund auf reisen spürbar. Angeboten wird er dennoch. Bei der Menge an verpackten Lebens- und Haushaltsmitteln müssen selbst umweltbewusste Menschen bei den täglichen Besorgungen vor dem Plastik kapitulieren. Oder etwa nicht?
Wer beim Einkaufen nahezu vollständig auf Plastik verzichten möchte, hat in Osnabrück nur eine Wahl: Tara. Dieser sogenannte Unverpackt-Laden befindet sich seit nun knapp drei Jahren auf dem Wittekindplatz in der Nähe des Berliner Platzes. Demnächst steht ein Umzug ins Haus: Ab dem 16. Oktober residiert das Tara in der Hasestraße 37. Alle gängigen Lebensmittel und Haushaltswaren können hier verpackungsfrei erworben werden. Alles in Bioqualität. Große Spender hängen an der Wand - die sogenannten Bulk-Bins - gefüllt mit Nudeln, Nüssen oder Müsli, die nur darauf warten, mittels eines Hebels in ein Gefaß befördert zu werden. Um Abfälle zu vermeiden, bringt der Kunde eigene Behältnisse mit, wiegt diese leer an einer der im Laden stehenden Waagen und befüllt sie anschließend mit dem Wunschprodukten. Am Ende wird an der Kasse gewogen, das Behälter-Gewicht wieder abgezogen - und bezahlt. Obst und Gemüse gibt es selbstverständlich unverpackt, Milchprodukte stehen in einem Kühlschrank: Joghurt und Sahne im Pfandglas, Käse an der kleinen Käsetheke. Kein Abfall!
Über 450 Produkte befinden sich schon im Sortiment und die Zahl steigt. Neben Lebensmittel findet man (Zahn-) Bürsten, Schwämme, Waschmittel oder sogar Bücher bei Tara. Schwierig wird es beim Thema Kosmetik, erklärt Verkäuferin Lina: Die Auswahl der Plastikfreien Produkte hält sich hier in Grenzen. Toilettenpapier bekommt auch der Unverpackt-Laden nicht plastikfrei. Andere Produkte werden in großen Mengen und in 10 bis 20 Kilogramm schweren Papiersäcken geliefert und in die Bulk-Bins geschüttet. Auch der Einkauf beim Großhändler erfolgt nahezu plastikfrei. Die wenigen Plastikbehälter und Teil eines Leihsystems. Auch sie wandern also nicht in die Tonne, sondern wieder zurück.
Das Konzept funktioniert, doch wie steht es mit den Kosten? Das bewusste Einkaufen hat seinen Preis, dies liegt aber zum großen Teil an der Bio-Qualität, die jedes Produkt aufweist. Süßigkeiten sind im Vergleich sehr teuer, die meisten anderen Artikel im Sortiment kosten das gleiche wie in einem herkömmlichen Bio-Supermarkt. Nur schenk man sich den Verpackungsmüll. Die höheren Preise begrenzen die Größe des Einkaufs vieler Kunden, Studenten kaufen hier oft die Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Müsli, Obst und Süßes weiterhin im Discounter. Aber auch Rentner und Familienmütter kaufen bei Tara ein, oft einen ganzen Wocheneinkauf und von allem etwas. Wer möglichst plastikfrei leben möchte und nicht in der Nähe vonTara wohnt, muss auf Spontaneinkäufe verzichten. Eine gute Planung ist grundlegend. Zumindest, solange die plastikfreien Alternativen im Supermarkt um die Ecke fehlen.
Wer also muss sein Verhalten ändern, die Industrie, die Politik oder jeder Einzelne von uns? Am besten alle. Wo anfangen? Der kürzeste Weg führt natürlich zu einem selbst. Das dachte sich vor drei Jahren auch Friederike von Behren, Universitätsdozentin für Fotografie. Alles begann mit einem Seminar über Weltverbesserer, Fotografen die anderen durch ihre Arbeit die Augen geöffnet haben. Neben dem brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado wurde der Amerikaner J. Henry Fatr behandelt, der Umweltkatastrophen aus der Luft fotografierte. Das Seminar endete mit einem Selbstversuch: Plastik beim Einkaufen so gut es geht zu vermeiden. Mit scheinbar ernüschterndem Ergebnis: Es ist kaum möglich. Zu allgegenwärtig das Material, zu schwierig der geplante Einkauf beim Unverpackt-Laden und der Verzicht auf einem spontanen, vom Heißhunger getriebenen Besuch beim Discounter um die Ecke. Doch das Resultat öffnete Augen und eine Herausforderung war geboren. Filme wie " Plastic-Planet" spornten dabei weiter an.
Drei ] ahre` sind seitdem vergangen und inzwischen braucht ein gelber Sack bei Friederike von Behren acht Wochen, um gefüllt zu werden. Traurig und unausgefüllt hängt er in seiner Halterung. Gegenüber, fast schon triumphierend herüberschauend, stehen selbst etikettierte Flaschen, Seifen und andere Chemikalien auf einem Regalbrett: die Hexenküche″. Hier werden im. Grunde nur fünf verschiedene Zutaten in unterschiedlicher Form und Menge vermischt, um so nahezu jedes Produkt für Bad und Küche selbst herzustellen, verrät Friederike von Behren. Glasreiniger, Klosteine oder Waschpulver - alles kein Problem, lagerbar in wiederverwendbaren Behältnissen -. und das Beste: günstiger als in der Drogerie.
Dabei stellt sich die Frage, warum so wenige Menschen wissen, dass man sich die Haare mit Apfelessig waschen kann oder dass Natron (Backpulver) und Essig mühelos einen verstopften Abfluss reinigen. Das Problem ist, dass es am Anfang zu viele Dinge sind″, erklärt die Dozentin, man muss langsam anfangen - Stück für Stück″. Die eigene Brotdose an der Käse- und Wursttheke machte bei ihr den Anfang. Zudem stellte sie sich bei jedem Gang zum Abfallbehälter die Frage: Ist dies wirklich schon Müll? Die leere Glasreiniger-Flasche kann mühelos noch dutzende Male neu befüllt werden, bevor sie wirklich nicht mehr zu verwenden ist. Mehrere Bücher halfen in den neuen Gefilden, Smarticular heißt ein Verlag, der Werke wie das Plastiksparbuch″, Selber machen statt kaufen - Haut und Haar″ oder Fünf Hausmittel ersetzen eine Drogerie″ veröffentlicht hat. In ihnen eröffnen sich dem Umweltfreund Welten an Möglichkeiten, um Müll einzusparen und selbst herzustellen, was im Handel nur verpackt angeboten wird. Dabei muss es gar nicht immer ein Verzicht sein, sondern vielmehr ein Wiederverwenden von Dingen. Was man nicht plastikfrei einkaufen kann, sollte wenigstens einmal wiederverwendet werden″ - Ein Credo, das die Foto-Dozentin sich auf die Fahnen geschrieben hat. Im Kühlschrank stehen zwar Aufstriche in Plastikbehältern, allerdings ist nicht überall drin, was drauf steht. Hackfleisch oder Gemüse vom Marktwird in Metalldosen eingefroren, Käsepapier wird abgewaschen und mehrfach wiederverwendet. Es wirkt gar nicht so schwer.
Doch auch Stück für Stück″ braucht ein erstes Stück., Wie oder womit fangt man nun an? Wer sich erst noch ein wenig zurechtfinden will, findet in Osnabrück Hilfe bei den jungen Menschen von NEO.
Die Gruppe, deren Kürzel für Nachhaltiges Engagement Osnabrück″ steht, arbeitet auf vielen Wegen für eine zukunftsfähigere Welt. Über Facebook findet man Veranstaltungen wie den Kleidertausch, konsumkritische Stadtrundgänge, diverse Vorträge oder Do-It-Yourself-Workshops. Verena Giersch ist NEO-Mitglied und organisierte den letzten Workshop zum Thema Reinigung und Pflege mit. Außerdem nimmt sie regelmäßig am Zero-Waste-Stammtisch in Osnabrück teil und ist ein echter Profi in Sachen Müllvermeidung. Aluminium-Strohhalme, Watte-Pads aus Baumwolle, Bienenwachs-Papier, alles wiederverwendbar und nur die Spitze des Eisbergs. Im Workshop wurden Dinge wie Zahnpasta, Waschmittel und WC- Reiniger zusammen mit den Teilnehmern hergestellt, um den Einstieg ins Müllsparen leichter zu machen. Und er war gut besucht, der nächste Termin ist schon in Planung.
Doch nicht nur Plastikmüll kann und muss reduziert werden: Unser Umgang mit Lebensmitteln ist oft ebenfalls mangelhaft. 18 Millionen Tonnen Essen landen laut World Wildlife Fund (WWF) in Deutschland jährlich im Müll. Dabei könnte es so viel weniger sein. Viele Menschen verstehen das Mindesthaltbarkeitsdatum einfach falsch, es ist kein Verbrauchsdatum″, erklärt Verena Giersch. Die meisten Lebensmittel seien weit über das Haltbarkeitsdatum problemlos genießbar und die Datierungen oft willkürlich. Wirtschaftlich logisch: Ie schneller man ein Produkt verbraucht oder wegwirft, desto schneller muss man es nachkaufen. Dazu führt eine sinnvolle Lagerung selbiger im Kühlschrank zu einer längeren Genießbarkeit: Obst und Gemüse nach unten, darüber Fleisch und Fisch, gefolgt von Milchprodukten und ganz oben fertige Speisen, Brotdosen.
Natürlich hat auch unser Kaufverhalten direkte Auswirkungen: Das weniger schöne Obst und Gemüse wandert in die Tonne, wenn es niemand kauft. Verena Giersch greift daher gerade zu solchen optischen Ausreißern. Andere Ideen wie das Stoppeln - einem Trecker bei der Kartoffelernte hinterherlaufen und nicht aufgelesene Knollen einsammeln ~ sind weitaus origineller, aber zielen ebenso auf nachhaltigen Konsum und nehmen dem Bauern dazu Arbeit ab.
Ganz egal, womit man beim Mülleinsparen anfängt, wir alle profitieren auf Dauer davon. Gewohnheiten und alte Konventionen müssen überdacht und angepasst werden, um unsere Umwelt für nachfolgende Generationen zu bewahren. Diese Aufgabe liegt in unser aller Händen, nicht nur bei Industrie und Politik. Wer anfangen möchte, kann beispielsweise den nächsten Zero-Waste-Stammtisch besuchen (Termin wird bald bei Facebook bekannt gegeben). Einfach irgendwie loslegen.

Bildtexte:
Untypischer Supermarkt: Auf dem ersten Blick wirkt Tara eher wie ein Süßwarengeschäft
Hygienisch und wiederbefüllbar: Tara setzt auf die sogenannten Bulk-Bins
Fasr schon überflüssig: Friederike von Behren zeigt Plastikmüll aus etwa zwei Wochen
Müsli marsch: Per Hebelzug wird die Getreidemischung ins Glas befördert
Eigentlich kein Hexenwerk: Selbst hergestelltes Waschmittel inklusive Rezept
Feste Zahnpasta-Klumpen: Verena Giersch zeigt Tipps für Müllvermeidungs-Profis
Die Hexenküche: Hier mixt Friederike von Behren sich eigene Reinigungmittel
Wo ein Wille ist: Einmal eingetaucht eröffnen sich unzählige Möglichkeiten zum Müllsparen
Fotos:
Lukas Gruenke

Kunststoffe ermöglichen Fortschritt und Innovation. Ihre größten Vorteile bergen gleichzeitig die größten Gefahren für unseren Planeten. Plastik ist längst in unserer Nahrungskette angekommen; es ist ein kurzlebiger Wegwerfartikel, häufig vermeidbar. Zu 98 % aus Erdölerzeugnissen gewonnen ist die Auflistung der veredelten Kunststoffe schier unüberblickbar. Die Additive zur Herstellung von spezifischem Plastik sind teils gesundheitsschädlich und werden oft freigesetzt. Ieder kennt ihren typischen Geruch aus neuen Plastikprodukten. Die verschiedensten Kunststoffe trennen zu wollen, gelingt kaum noch, und es bleibt im Downcycling ein minderwertiges Produkt übrig wie in Sitzbänken verarbeitet. Der Rest wird häufig in Müllverbrennungsanlagen unter Entstehung giftiger Gase verbrannt, zu 30 % Schlacke.
Das vorliegende Buch liefert detaillierte Informationen zum Thema Kunststoff und insbesondere viele Tipps, wie Plastik vermieden und ersetzt werden kann. Ohne Untergangsstimmung oder erhobenen Zeigefinger wird aufgezeigt, was jeder tun kann. Es kann sogar Spaß machen, alte Hausmittel zur eigenen Herstellung von Produkten zur Körperpflege oder zu Putzmitteln zu nutzen - und so die Drogerie zu ersetzen. Wir entdecken Rezepte für knackige Gemüsechips, für alternative Kaffeekapseln bis hin zur Frischkäse-Alternative oder den Küchenschwamm aus Paketschnur, all das selfmade, plastikfrei. Ein lohnenswertes Buch mit vielen Anregungen zum praktischen Umsetzen im Alltag und Links zum endlosen Stöbern, für ein anderes Bewusstsein in Richtung Nachhaltigkeit und Verbesserung unseres Lebens.

Bildtext:
smarticular (Hrsg.)
Plastik Sparbuch - Mehr als 300 nachhaltige Alternativen und Ideen, mit denen wir der Plastíkflut entkommen smarticular Verlag
ISBN 978-3-946658-33-7, 16, 95
Autor:
Lukas Gruenke, Willi Kaiser


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