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1.
Erscheinungsdatum:
28.10.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Inhalt:
Vor
100
Jahren
Überschrift:
Unvergleichbarer Mangel
Zwischenüberschrift:
Oktober 1920: Wohnungsnot, Kartoffelnot und Angriffe auf das städtische Orchester
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Zu
Recht
beklagen
wir
heutzutage
einen
Mangel
an
(„
bezahlbarem″)
Wohnraum.
Dieser
Mangel
ist
jedoch
nicht
vergleichbar
mit
den
deutschen
Wohnungsnöten
nach
den
verlorenen
Weltkriegen,
die
um
Größenordnungen
gravierender
waren.
1920
warten
an
die
2000
Menschen
auf
halbwegs
menschenwürdige,
heizbare
Unterbringung.
Die
Stadt
Osnabrück
greift
zu
Beschlagnahmungen
und
Zwangsvermietungen,
da
die
Neubauprogramme
keine
kurzfristige
Abhilfe
bieten
können.
Öffentliche
Gebäude
sind
teilweise
zu
Wohnzwecken
umgebaut
worden.
Im
Fall
der
evangelischen
Volksschule
IV
am
Schützenwall/
Ledenhof
erregt
dies
den
Unmut
des
Elternbeirats.
Ausgiebig
wird
in
den
städtischen
Kollegien
diskutiert,
ob
dem
Gesuch
stattgegeben
werden
soll,
die
Wohnungen
im
Schulgebäude
aufzulösen.
Die
Kinder
hätten
doch
ein
Anrecht
darauf,
endlich
wieder
in
normalen
Klassenräumen
unterrichtet
zu
werden
und
nicht
zusammengepfercht
in
irgendwelchen
Abstellkammern,
sagen
die
Eltern.
Die
bekannten
Argumente
gehen
hin
und
her.
Ergebnis:
Solange
für
die
dort
wohnenden
Familien
keine
anderweitige
Unterkunft
gefunden
ist,
bleibt
es
bei
den
Wohnungen
im
Schulgebäude.
Gleichzeitig
läuft
der
Haus-
und
Grundbesitzer-
Verein
gegen
den
Entwurf
des
neuen
Reichsmietgesetzes
Sturm.
Es
bedeute
eine
„
neue
Vergewaltigung
des
Hausbesitzes″
und
führe
nur
dazu,
dass
weniger
gebaut
und
die
Bauunterhaltung
der
bestehenden
Mietshäuser
vernachlässigt
werde.
Wohnen
im
Kaffeehaus?
Stadtbaurat
Friedrich
Lehmann
bringt
den
Antrag
ein,
das
Kaffeehaus
„
Schölerberg″,
Voxtruper
Straße
98,
in
Wohnraum
zu
verwandeln.
Sechs
Wohnungen
ließen
sich
dort
einrichten.
Auch
diese
Angelegenheit
wird
heftig
diskutiert.
Befürworter
verweisen
darauf,
dass
sich
dort
kinderreiche
Familien
von
Kriegsversehrten
unterbringen
ließen
und
diese
„
guten
Werke″
doch
höher
zu
bewerten
seien
als
die
Interessen
von
Sonntagnachmittags-
Ausflüglern.
Bürgervorsteher
Prechelt
ist
dagegen,
mit
Rücksicht
auf
das
Not
leidende
Gastwirtsgewerbe
und
die
Lage
der
dort
Beschäftigten,
die
arbeitslos
würden.
Eher
solle
man
die
„
Norddeutsche
Bierhalle″
im
Alten
Rathaus
zu
Wohnungen
umnutzen
oder
Räume
im
Schloss
oder
in
den
Kasernen,
wo
noch
„
große
Raumverschwendung″
getrieben
werde.
Bürgervorsteher
Hansen
meint,
rings
um
den
Schölerberg
seien
noch
genug
Kaffeewirtschaften
vorhanden,
da
komme
es
auf
diese
eine
nicht
an.
Als
Kompromiss
wird
angeregt,
die
Wirtschaft
im
Erdgeschoss
zu
belassen
und
nur
das
Obergeschoss
für
drei
Wohnungen
einzurichten.
Die
Sache
wird
noch
nicht
entschieden.
Der
Kampfgenossenverein
der
ehemaligen
78er
beschwert
sich
über
das
städtische
Orchester.
Das
habe
abgelehnt,
zehn
bis
zwölf
Mann
für
Musik
zur
Beerdigung
eines
verdienten
Kriegers
von
1870/
71,
Carl
van
Lindt,
abzustellen.
38
Bezirkskriegervereine
haben
die
Beschwerde
unterschrieben.
Die
Sache
kommt
vor
die
städtischen
Kollegien.
Senator
Hermann
führt
als
zuständiger
Dezernent
aus,
dass
das
Orchester
an
dem
betreffenden
Tag
dienstfrei
gehabt
habe,
es
aber
trotzdem
die
Musik
gestellt
haben
würde,
wenn
der
Verein
nicht
bloß
zehn
bis
zwölf
Mann
beantragt
hätte.
Für
einigermaßen
gute
Musik
sei
eine
Besetzung
von
mindestens
18
Mann
erforderlich.
Das
sei
das
Orchester
sich
selbst
und
seinen
Qualitätsansprüchen
schuldig.
Bürgervorsteherin
Billmann
ist
empört.
In
diesen
Notzeiten
müsse
die
Kapelle
doch
dankbar
jede
Gelegenheit
einer
Honorareinnahme
wahrnehmen,
um
damit
der
Stadt
weniger
auf
der
Tasche
zu
liegen.
Außerdem
sei
es
bedauerlich,
wenn
ein
Orchester
nicht
so
viel
Nationalgefühl
aufbringe,
einen
solchen
Mann
zu
Grabe
zu
geleiten.
Wortführer
Schweigmann
pflichtet
ihr
bei.
Erst
habe
es
geheißen,
das
Orchester
sei
an
dem
Tag
dienstlich
verhindert
gewesen,
jetzt
höre
man
auf
einmal
von
einem
freien
Tag.
Außerdem
bestreitet
er,
dass
man
mit
zwölf
Mann
keine
anständige
Trauermusik
blasen
könne.
Wenn
jemand
eine
bescheidenere
Trauermusik
haben
wolle,
so
müsse
diese
auch
zu
haben
sein.
Es
zeichne
ja
gerade
gute
Orchestermusiker
aus,
dass
sie
in
jeder
Besetzung,
und
notfalls
auch
als
Solisten,
etwas
Vernünftiges
abliefern
könnten.
Für
Bürgervorsteher
Paul
Meyer
ist
die
Sache
mit
der
zu
geringen
Besetzung
„
die
faulste
Ausrede″,
die
er
je
gehört
habe.
„
Keine
Speckmusikanten″
Dagegen
argumentiert
Bürgervorsteher
Westfälinger.
Der
künstlerischen
Entscheidung
des
Orchesters
müsse
es
überlassen
bleiben,
wie
viel
Mann
für
eine
gute
Musik
erforderlich
seien.
Eigenartig
sei
es
auch,
dass
die
Kriegervereine
das
Orchester
nur
bei
Beerdigungen
haben
wollten,
bei
sonstigen
Anlässen
aber
andere
Kapellen
bevorzugten.
Spitz
fügte
er
hinzu,
wenn
die
Kriegervereine
selbst
zu
Grabe
getragen
würden,
dann
würden
zwei
Mann
Musik
allerdings
genügen.
Auf
den
entstehenden
Tumult
und
mahnende
Worte
des
Oberbürgermeisters
hin
rudert
er
zurück.
Eine
Beleidigung
derjenigen
Krieger,
die
ihr
Leben
für
das
Vaterland
eingesetzt
hätten,
liege
ihm
selbstverständlich
fern.
Der
ganze
Vorgang
ist
insofern
merkwürdig,
als
ja
das
städtische
Orchester
aus
der
Regimentskapelle
der
78er
mit
vielfacher
personeller
Kontinuität
hervorgegangen
ist.
Mangelndes
Fingerspitzengefühl
in
Sachen
Nationalbewusstsein
und
militärische
Ehren
sind
hier
eher
nicht
zu
vermuten.
Senator
Hermann
bringt
die
Sache
zu
einem
Abschluss,
indem
er
sein
Verständnis
für
das
Orchester
wiederholt.
Die
Musiker
müssten
darauf
halten,
dass
sie
auch
weiterhin
als
Künstler
und
nicht
als
„
Speckmusikanten″
angesehen
würden.
Er
kündigt
aber
an,
sich
zukünftig
alle
geplanten
Ablehnungen
von
Auftritten
zur
Entscheidung
vorlegen
zu
lassen.
Ebenso
wie
für
Kartoffeln
ist
ab
1.
Oktober
auch
die
Zwangsbewirtschaftung
von
Fleisch
und
Vieh
aufgehoben.
Das
„
Osnabrücker
Tageblatt″
appelliert
eindringlich
an
Landwirte
und
Handelsstufen,
die
neuen
Freiheiten
nun
nicht
preistreiberisch
auszunutzen.
Preissenkungen
seien
allerdings
wohl
auch
nicht
zu
erwarten,
nicht
zuletzt
wegen
der
herrschenden
Maul-
und
Klauenseuche,
die
die
Viehbestände
ausgedünnt
habe.
Die
Kartoffelversorgung
ist
trotz
–
oder
vielleicht
auch
wegen
–
der
Freigabe
äußerst
problematisch.
Es
gelingt
der
Stadt
nicht,
die
angepeilte
Menge
von
200
000
Zentnern
für
den
Bedarf
des
nächsten
Halbjahres
zu
annehmbaren
Preisen
vertraglich
unter
Dach
und
Fach
zu
bringen.
Vorsorglich
bewilligen
die
Gremien
70
000
Mark,
mit
denen
die
Stadt
teurere
Zukäufe
preislich
subventionieren
kann.
Die
Osnabrücker
Bürgervereine
appellieren
an
die
landwirtschaftlichen
Organisationen
und
an
die
Gemeindevorsteher
der
Landgemeinden,
Kartoffeln
nicht
„
an
auswärtige
Händler
oder
gar
an
Auslandsschieber″
zu
verkaufen,
auch
wenn
die
mehr
als
die
als
angemessen
zu
betrachtenden
20
Mark
pro
Zentner
zu
zahlen
bereit
seien.
Sonst
könne
es
durchaus
zu
„
terroristischer
Selbsthilfe
der
Verbrauchermassen″
kommen.
Auch
Oberhirte
Bischof
Berning
ruft
seine
Schäfchen
auf
dem
Lande
auf,
„
die
eifrige
und
freudige
Mitarbeit
an
der
überaus
wichtigen
Aufgabe
der
Lebensmittelversorgung
der
Stadtbevölkerung
nicht
zu
versagen″.
Auf
der
anderen
Seite
dürfe
aber
auch
die
Stadtbevölkerung
„
nicht
durch
ungerechte
Verallgemeinerung
die
Landleute
des
Wuchers
schmähen
und
vor
allem
nicht
durch
maßlose
Genuß-
und
Vergnügungssucht
den
Landleuten
ein
schlechtes
Beispiel
geben″.
Zu
einem
Aufbegehren
der
Bramscher
Bevölkerung
kommt
es
am
5.
Oktober.
Es
hat
sich
herumgesprochen,
dass
auf
dem
Bahnhof
größere
Mengen
an
Kartoffeln
verladen
werden
sollen.
Gegen
halb
elf
zieht
fast
die
gesamte
Arbeiterschaft
zum
Bahnhof,
um
die
Versendung
der
1500
Zentner
zu
verhindern
und
die
Menge
für
den
Verkauf
vor
Ort
frei
zu
bekommen.
Unter
dem
Druck
der
Straße
sieht
sich
der
Aufkäufer,
der
für
die
Stadtverwaltung
Herne
agiert,
schließlich
gezwungen,
die
Kartoffeln
in
Bramsche
zu
lassen.
Milch
für
Schwerstkranke
Sorgen
bereitet
auch
das
dürftige
Angebot
an
Milch.
Die
Maul-
und
Klauenseuche
fällt
in
immer
neue
Gehöfte
ein.
Der
Magistrat
sieht
sich
zu
weiteren
Kürzungen
gezwungen.
So
können
nicht
einmal
Kranke
auf
Krankenkarten
Milch
erhalten.
Nur
für
Schwerstkranke
stehen
den
Milchhändlern
einige
Liter
zur
Verfügung.
Und
in
dieser
Situation
verlangt
die
Wiedergutmachungskommission
der
Siegermächte
von
Deutschland
die
Abgabe
von
810
000
Milchkühen!
Der
Magistrat
fordert
die
Reichsregierung
auf,
entschiedenen
Einspruch
einzulegen.
Neben
Milcherzeugnissen
sind
weiterhin
unter
anderem
Fett,
Speiseöl,
Kunsthonig,
Haferflocken
und
Zucker
rationiert.
Wonach
die
Osnabrücker
sehnlichst
verlangen,
das
spiegelt
sich
in
den
ausgelobten
Preisen
beim
„
Preiskegeln″
wider.
Es
winken
nicht
etwa
Geldsummen,
sondern
Lebendvieh,
Schinken,
Speck
und
Schmalz.
Bildtexte:
Die
evangelische
Volksschule
IV
am
Ledenhof
ist
1920
mit
Wohnungen
belegt.
Heute
steht
an
der
Stelle
die
Industrie-
und
Handelskammer.
Erster
Preis:
1
Schinken.
Preiskegeln
im
Jahr
1920.
Inserat
im
Osnabrücker
Tageblatt
vom
2.
Oktober
1920.
Das
Kaffeehaus
Schölerberg
soll
ebenfalls
in
Wohnraum
umgewandelt
werden.
Ansichtskarte
des
Verlags
Emil
Tapper,
Osnabrück,
aus
der
Sammlung
Helmut
Riecken
Fotos:
Rudolf
Lichtenberg
jr.,
Osnabrücker
Tageblatt
vom
2.
Oktober
1920
Autor:
Joachim Dierks