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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Diakonie hielt Informationen zurück
 
„Die Leute sind belogen worden″
Zwischenüberschrift:
Ein Hausmeister stellt die Diakonie Osnabrück bloß
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Dass ihre Reihenhäuser für das Betreute Wohnen abgerissen werden sollen, erfuhren die betroffenen Senioren nicht vom Diakoniewerk, sondern aus einem anonymen Schreiben. Alles Fake News, konterte der Wohlfahrtsverband, an den Behauptungen sei nichts dran. Doch 20 Monate später ist es offiziell, dass die Häuser am Küpper-Menke-Stift verschwinden sollen. Die Bausubstanz aus den 60er-Jahren ist marode, auf dem Gelände an der Sedanstraße sollen neue Altenpflegeeinrichtungen entstehen. Warum wurde das anonyme Schreiben so entschieden dementiert? Warum wurde es nicht zum Anlass genommen, die betroffenen Senioren umfassend über die Pläne zu informieren? Wer hat das Schreiben verfasst, und was wollte er damit bezweckcn? Unsere Redaktion hat nachgefragt.

Osnabrück Der Brief war anonym, sein Inhalt wurde umgehend dementiert. Doch jetzt bestätigt das Diakoniewerk, dass die Reihenhäuser für das Betreute Wohnen an der Sedanstraße abgerissen und die Senioren ausquartiert werden sollen. Und nun ist auch klar, wer das Schreiben verfasst hat: der Hausmeister.

Die Bewohner der 32 Häuser sind beunruhigt. Vom Diakoniewerk wurde ihnen eröffnet, dass sie ihre Wohnungen aufgeben müssen. Obwohl viele von ihnen schon über 80 sind. Obwohl sie sich darauf eingestellt haben, ihren Lebensabend an der Sedanstraße zu verbringen. Obwohl ihnen noch im Januar 2019 vom Diakoniewerk versichert wurde, dass nichts dran sei an der Behauptung, die in dem anonymen Brief erhoben worden sei die Wohnanlage werde in drei Jahren abgerissen.

Dementi ohne Wert

Der Brief an die Bewohner der Reihenhäuser Sedanstraße 78 bis 88 hat Ulrich von der Wellen den Job gekostet. Sieben Jahre lang war er im Küpper-Menke-Stift als Hausmeister beschäftigt. Er reparierte Wasserhähne, tauschte Glühbirnen aus und war selbst an Heiligabend zur Stelle, wenn der Fahrstuhl nicht funktionierte. Ich hab′s gerne gemacht″, bekundet der 55-Jährige, aber es wurde einem nicht gedankt.″

Ulrich von der Wellen sagt, dass er es als beschämend empfunden habe, wie das Diakoniewerk mit den alten Menschen umgegangen sei. Bei Reparaturen habe er die Handwerker anweisen müssen, nur das Notwendigste zu tun. Es sei ja schon klar gewesen, dass in die Reihenhäuser für das Betreute Wohnen nicht mehr viel Geld gesteckt werden sollte. Schon im März 2018, da ist der Hausmeister ganz sicher, sei die Entscheidung gefallen, die Wohnanlage aufzugeben. Dennoch habe das Diakoniewerk weiterhin Mieter aufgenommen, zuletzt im November 2018.

Die Leute sind belogen worden″, sagt von der Wellen. Nicht nur ihn habe das gestört, auch Pflegekräfte und andere Mitarbeiter aus dem Kreis der Informierten hätten ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Wir müssen was tun″, habe er immer wieder gehört. Aber nichts sei geschehen. Deshalb habe er den Bewohnern reinen Wein einschenken und das Diakoniewerk bloßstellen wollen.

Am 15. Januar 2019, einem Montag, bekamen die Senioren die anonyme Botschaft zu lesen. Einer, der ganz offensichtlich mit der Rechtschreibung zu kämpfen hat, kündigte an, das die Wohnanlage in drei Jahren abgerissen werden soll″. Es sei schade, dass in einer kirchlichen bzw. sozialen Einrichtung so mit den Bewohnern umgegangen werde, hatte der Anonymus noch hinzugefügt. Und dass diese Einrichtung noch kurze Zeit zuvor zwei Wohnungen wiedervermietet habe, sei in seinen Augen Betrug″.

Die Reaktion des Wohlfahrtsverbandes ließ nur wenige Stunden auf sich warten. In einem scharfen Dementi bestritt die Koordinatorin für Betreutes Wohnen die Abrissabsichten und warf dem Urheber der Behauptungen und Anschuldigungen″ vor, er wolle die Mieter in Angst und Schrecken″ versetzen. 20 Monate später bestätigt nun das Diakoniewerk, dass die Reihenhäuser wegen ihrer schlechten Bausubstanz aufgegeben werden sollen.

Unsere Redaktion hat nachgefragt, warum die anonyme, aber zutreffende Behauptung damals so entschieden dementiert wurde. Die Antwort von Friedemann Pannen, dem theologischen Geschäftsführer der Diakonie Osnabrück, geht nur indirekt auf die Frage ein: Die Diakonie Osnabrück kümmert sich verantwortungsvoll um die Bewohnerinnen und Bewohner ihrer Einrichtungen und Wohnungen. Die Diakonie Osnabrück hat alle Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Grundstück zeitnah und transparent informiert, als sie mit ihren Planungen begonnen hat. Außerdem war es der Diakonie Osnabrück wichtig, den Bewohnerinnen und Bewohnern mehrere Alternativen für neuen Wohnraum anbieten zu können.″

Ulrich von der Wellen hat wegen des Briefs die fristlose Kündigung bekommen, dazu gab′s ein Hausverbot und eine Anzeige wegen Verleumdung. Er gesteht, dass er sich damals auf Anraten seines Anwalts nicht zur Urheberschaft des Schreibens bekannt habe. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren aber schon nach kurzer Zeit eingestellt.

Dass er seine Anstellung verloren habe, sei ein harter Schlag gewesen, gibt der Hausmeister zu verstehen. Aber aus heutiger Sicht habe er das Gefühl, dass es richtig gewesen sei, die Bewohner zu informieren. Von der Wellen sieht sich als Whistleblower, und nimmt die Nachteile seines Handelns in Kauf. Schon damals habe er teilweise selbstständig gearbeitet, inzwischen seien noch einige Aufträge hinzugekommen, sodass er mit seinem Hausmeisterservice sein Auskommen habe. Er klingt erleichtert, wenn er sagt, dass er froh sei, nicht mehr bei der Diakonie zu arbeiten.

Bildtext:
Es war der Hausmeister: Ulrich von der Wellen räumt ein, dass er die Bewohner vor dem Abriss ihrer Häuser warnen wollte. Sein anonymes Schreiben kostete ihn den Job.
Foto:
Rainer Lahmann-Lammert

Kommentar
So nicht

Es ist zum Fremdschämen: Die Diakonie hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, um ihren Mietern zu sagen, dass die 32 Reihenhäuser für das Betreute Wohnen an der Sedanstraße nicht zu halten sind. Statt den Senioren wenigstens jetzt reinen Wein einzuschenken, laviert die Geschäftsleitung herum.

Wer Vertrauen zerstört hat, kann es nur durch Offenheit zurückgewinnen. Es war eine Lüge, als die Geschäftsleitung des Diakoniewerks im Januar 2019 den anonymen Brief des Hausmeisters als Fake News zurückwies. Doch das war nicht der erste Fehler. Wer frei werdende Wohnungen an hochbetagte Menschen vermietet und ihnen verschweigt, dass sich das Ende der Anlage schon anbahnt, verspielt seine Glaubwürdigkeit.

Unglücklicherweise ist das alles passiert, und es wäre an der Zeit, sich zu besinnen. Gutes Krisenmanagement beginnt damit, sich zu Fehlern zu bekennen, Betroffene um Entschuldigung zu bitten und mit ihnen einen Weg aus dem Dilemma zu suchen. Aber die Geschäftsführung der Diakonie ist gerade dabei, alles noch schlimmer zu machen: Statt zu sagen, was ist und was alle wissen, beharrt der theologische Geschäftsführer Friedemann Pannen darauf, dass alles korrekt abgelaufen sei. So lässt sich Vertrauen nicht zurückgewinnen. rll@ noz.de
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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