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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Eingepfercht in zwei Schrägstriche
Zwischenüberschrift:
Warum Gretesch eigentlich ein eigener Stadtteil von Osnabrück sein müsste
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Als Gretesch 1972 von Osnabrück geschluckt wurde, sollte aus der selbstständigen Gemeinde eigentlich ein eigener Stadtteil werden. Aber dann hat es doch nur zu einer Scheibe Käse im Sandwich namens Darum/ Gretesch/ Lüstringen″ gereicht. Für Friedhelm Broxtermann ist das ein Unding. Den 86-jährigen Gretescher ärgert aber noch mehr.

Gretesch hatte zwar nicht viele Einwohner, aber einen potenten Gewerbesteuerzahler. Die Papierfabrik Schoeller warf so viel ab für die kleine Gemeinde, dass sie sich die erste Sportanlage mit Kunststoffbahn im norddeutschen Raum leisten konnte. Im September 1970 lief der Mainzer Gert Metz dort mit 10, 0 Sekunden über 100 Meter Europarekord und Weltjahresbestzeit.

Das kleine Gretesch konnte überdies mit einem Schwimmbad, einer Turnhalle und einem Kindergarten aufwarten. Und bei uns war alles kanalisiert, die Stromleitungen lagen unter der Erde!″, betont Friedhelm Broxtermann. Da konnten andere nicht mithalten, die ebenfalls zum 1. Juli 1972 eingemeindet wurden, Darum und Lüstringen schon gar nicht. Alles, was den Greteschern heilig war, kam in den Gebietsänderungsvertrag, der mit der Stadt Osnabrück ausgehandelt wurde. Und das ging auch eine Weile gut, wie Friedhelm Broxtermann einräumt. Er saß damals für die SPD im Gretescher Gemeinderat und sagt: Der Vertrag wurde zum größten Teil von der Stadt eingehalten.″ Bis auf diesen einen Punkt: Das eingegliederte Gebiet erhält die Bezeichnung , Ortsteil Gretesch′″, heißt es da.

Der amtliche Stadtplan führt seitdem zwar die drei Ortsteile in getrennter Schreibweise auf, in der Stadtverwaltung wurde das Konglomerat Lüstringen/ Darum/ Gretesch″ seit 1972 jedoch schon als eine statistische Einheit geführt, als 21. Stadtteil. Seit der Kommunalwahl 1986 gab es auch nur noch einen gemeinsamen Ortsrat, und damit setzte sich sehr zum Missfallen von Friedhelm Broxtermann das Wortungetüm Darum/ Gretesch/ Lüstringen durch in alphabetischer Reihenfolge, mit sieben Silben und zwei Schrägstrichen.

Keine drei Ortsteile mehr, sondern ein gemeinsamer Stadtteil. Noch dazu mit Darum und Lüstringen! Dabei habe Gretesch schon immer eine viel engere Verbindung zum Schinkel gepflegt, meint der 86-Jährige, der früher als Former und Betriebsrat im Stahlwerk gearbeitet hat. An dieser Stelle sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass alle drei Ortsräte der Vereinigung seinerzeit zugestimmt haben möglicherweise ohne vorherzusehen, dass die Bewohner anderer Gebiete der Stadt bisweilen wenig Rücksicht auf die Identitäten einzelner Ortsteile nehmen, weshalb der Stadtteil mit dem langen Namen von nicht wenigen Osnabrückern der Einfachheit halber pauschal als Lüstringen″ bezeichnet wird.

Das liegt sicherlich auch daran, dass es heute kaum noch Menschen gibt, die den genauen Verlauf der Grenzen zwischen den drei ehemaligen Gemeinden kennen. Und wenn es um die Gretescher Westgrenze geht, gibt es sowieso keine klare Linie. Als Schinkel 1914 eingemeindet wurde, drohte das Schoeller-Areal in zwei Teile zerschnitten zu werden. Deshalb wurde der Strich auf der Landkarte kurzerhand ein Stück nach links verschoben.

Heute reicht die Stadtteilgrenze sogar bis an die Autobahn A 33 heran. Ein Umstand, der Gretesch unter anderen Vorzeichen einen Flächenzuwachs beschert hätte. Weil es die ehemals selbstständige Gebietskörperschaft heute aber weder als Gemeinde noch als Ortsteil gibt, geht jetzt alles auf das Konto des Dreigestirns DGL″.

Dem Kämpfer für die Gretescher Sache ist das auch gar nicht so wichtig. Was Friedhelm Broxtermann aber so richtig fuchst, ist eine Ortsbezeichnung, die in jedem amtlichen Stadtplan zu finden ist, obwohl sie nach seiner Ansicht die Verhältnisse völlig auf den Kopf stellt. Den Lüstringer Berg″, sagt er, den gibt es gar nicht, denn der liegt eindeutig auf Gretescher Gebiet. Ältere Karten weisen ihn als Gruners Berg″ aus, und historisch bewanderte Zeitgenossen wissen, dass dieser Name auf Christian Siegfried Gruner (1774 bis 1855) zurückgeht, den Gründer der besagten Papierfabrik Schoeller.

Schon vor 15 Jahren hat Broxtermann beim Vermessungsamt interveniert, um den Berg geografisch korrekt zu bezeichnen. Aber er fand kein Gehör. Daran änderte auch ein offizieller Antrag des damaligen Ortsrates nichts, den die dortige SPD-Mehrheit im Juni 2005 durchboxte gegen die Stimmen der CDU, aus deren Reihen sich damals sogar jemand zu der Aussage verstieg, der Name Lüstringer Berg″ sei für den gesamten Stadtteil doch viel identitätsstiftender.

Broxtermann scheiterte auch, als er vor zehn Jahren forderte, den von jeglicher Ortskenntnis ungetrübten Namen Waldschule Lüstringen″ der wissenschaftlich nachprüfbaren Faktenlage anzupassen. Waldschule Gretesch″ also? Nein, so weit würde der aufrechte Ortsteilpatriot gar nicht gehen. Waldschule″ wäre schon okay, sagt er, aber Lüstringen ist grundfalsch!″.

Dass es hier um die Gretescher Ehre geht, erklärt sich aus der Vorgeschichte. Ursprünglich wollte der damals noch zuständige Landkreis die Schule in Lüstringen bauen, allerdings verfügte die Gemeinde nicht über ein geeignetes Grundstück. Da sprang das besser gestellte Gretesch ein, stiftete eine Fläche auf besagtem Gruners Berg″ und legte auch noch 250 000 Mark obendrauf. Ohne diesen Eigenanteil hätte es nämlich keinen Zuschuss aus Hannover gegeben. Dass die Schule gebaut wurde, sei keinesfalls selbstverständlich gewesen, gibt Friedhelm Broxtermann zu bedenken. Aber dass sich dann der Name Waldschule Lüstringen″ durchgesetzt hat, ist für ihn schreiendes Unrecht.

Was von Gretesch bleibt

Da stellt sich die Frage, was 48 Jahre nach der Eingemeindung überhaupt noch von Gretesch geblieben ist. Wer bei Google nachschlägt, stößt auf den Sportverein TSG Burg Gretesch, auf den früheren Gasthof Gretescher Turm, der gerade mit großem Aufwand saniert wird, und natürlich auf die Gretescher Steine, ein Megalithgrab aus der Jungsteinzeit.

Das stilisierte Steingrab findet sich übrigens auch auf dem Wappen, mit dem sich die Gemeinde Gretesch in ihren besten Jahren schmückte, zusammen mit dem Mühlenturm der Papierfabrik Schoeller. Als Ratsherr hat Friedhelm Broxtermann ein Exemplar erhalten. Er muss in den Keller gehen, sucht aber nicht lange und kommt mit dem Silberrelief auf blauem Samt zurück. Hier ist es″, sagt er, und fügt nachdenklich hinzu: Wir sind keine begeisterten Osnabrücker geworden.″

Bildtext:
Geografisch unhaltbar: Die Waldschule steht eindeutig auf Gretescher Grund und Boden, nicht in Lüstringen. Aber als Friedhelm Broxtermann vor zehn Jahren eine Initiative zur Umbenennung startete, passierte nichts.
Foto:
Jörn Martens
Autor:
RainerLahmann-Lammert


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