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1.
Erscheinungsdatum:
23.09.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Inhalt:
Zeitreise
Überschrift:
Chemiefabrik mitten im Wohngebiet
Zwischenüberschrift:
Vor zehn Jahren verließ Hagedorn Osnabrück
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Vor
zehn
Jahren
hieß
es
bei
der
Chemiefirma
Hagedorn
an
der
Lotter
Straße:
Der
Letzte
macht
das
Licht
aus.
Nach
langwierigen
Verhandlungen
mit
der
Stadt
und
dem
Land
gab
die
Firma
im
September
2010
ihren
Osnabrücker
Standort
auf
und
verlagerte
die
Produktion
nach
Lingen-
Schepsdorf.
Der
Weg
für
die
städtebauliche
Entwicklung
des
Sanierungsgebiets
„
Mittewest″
war
damit
frei.
25
Jahre
ist
es
her,
als
die
Emotionen
um
Emissionen
so
richtig
hochkochten.
Der
Bürgerverein
Nordwest
und
die
FDP-
Stadtratsfraktion
setzten
sich
an
die
Spitze
einer
Protestbewegung,
die
die
Produktionseinstellung
forderte.
Ein
Chemiebetrieb
mitten
im
Wohngebiet,
das
gehe
gar
nicht.
Kronzeugen
waren
für
sie
zwei
Ärzte,
die
eine
Häufung
von
Leukämie-
Fällen
im
Sektor
der
Abluft-
Fahnen
aus
dem
Schlot
des
Werks
behaupteten.
Das
Werk
hielt
dagegen:
Aus
dem
Schlot
kämen
nur
noch
Verbrennungsabgase
der
Gas-
Zentralheizung.
Alle
Forderungen
der
Gewerbeaufsicht
nach
Filteranlagen
würden
erfüllt,
der
Brandschutz
werde
ständig
verbessert.
Der
Leukämie-
Vorwurf
erwies
sich
später
als
unhaltbar,
was
auch
der
Bürgerverein
einräumen
musste.
Dennoch
blieb
großes
Unbehagen.
Die
Stadt
schaltete
sich
in
die
Gespräche
ein:
Auch
sie
wünschte
eine
Aussiedlung,
um
den
„
Fremdkörper″
im
Wohnviertel
loszuwerden.
Hagedorn
lehnte
sich
entspannt
zurück.
Mit
der
Positionsbeschreibung
„
mitten
im
Wohngebiet″
sei
es
ja
so
eine
Sache.
Zuerst
sei
hier
das
Gewerbegebiet
gewesen,
bestehend
nicht
nur
aus
Hagedorn,
sondern
auch
aus
der
Weberei
Terberger
(heute
Fahrzeugstaffel
der
Polizei)
und
dem
Straßenbahndepot
(heute
Bürohaus
und
Parkgarage)
.
Die
Wohnbebauung
sei
erst
nach
und
nach
herangewachsen.
Wenn
die
öffentliche
Hand
eine
Umsiedlung
wünsche,
solle
sie
die
finanziellen
Lasten
übernehmen,
argumentierte
Hagedorn-
Vorstand
Dirk
Brauch:
„
Unsere
Aktionäre
haben
kein
Interesse,
für
die
Stadtentwicklung
zu
bezahlen.″
Nicht
gerade
günstig
für
gutnachbarschaftliche
Verhältnisse
war
der
Umstand,
dass
es
immer
mal
wieder
knallte,
puffte
und
brannte.
Das
Vorprodukt
Nitrozellulose
oder
Schießbaumwolle
ist
ein
heikler
Werkstoff,
der
leicht
entflammbar
ist
und
bei
Schlag,
statischer
Entladung
und
schnellem
Erhitzen
explosiv
reagiert.
Im
Herstellungsprozess
von
Spezialfarben
für
die
Druckindustrie
ist
es
aber
erforderlich,
dass
die
Nitrozellulose
gepresst,
gewalzt
und
geknetet
wird.
„
Zwischenfälle″
waren
an
der
Tagesordnung.
Vom
Verkehrsmeister
der
benachbarten
Stadtwerke
ist
der
lapidare
Ausspruch
überliefert:
„
Kameraden,
es
ist
wieder
so
weit,
bei
Hagedorn
brennt′s″,
nachdem
er
112
gewählt
hatte.
Seine
Feuermeldung
ging
meistens
früher
bei
der
Feuerwehr
ein
als
der
Alarmruf
des
Werkes
selbst,
wird
erzählt.
Der
Durchbruch
wurde
im
April
2008
erzielt,
als
das
Land
sich
bereit
erklärte,
einen
namhaften
Zuschuss
für
die
Betriebsverlagerung
zu
bezahlen.
Im
November
2008
unterzeichneten
Hagedorn
und
die
Baubecon
als
Sanierungstreuhänder
den
Kaufvertrag.
Knapp
zwei
Jahre
hatte
das
Werk
nun
noch
Zeit,
den
Auszug
zu
organisieren.
Ende
September
2010
war
das
Werk
besenrein
geräumt.
Der
Abrissbagger
machte
die
verschachtelten
Gebäude
längs
der
Augustenburger
Straße
ebenso
platt
wie
das
Kesselhaus.
Der
40
Meter
hohe
Schlot
wurde
hingegen
Stein
für
Stein
abgetragen,
denn
bei
einer
Sprengung
wäre
wohl
das
denkmalgeschützte
Hauptgebäude
von
1897
in
Mitleidenschaft
gezogen
worden.
Es
ist
inzwischen
als
„
Hageloft″
für
Wohnzwecke
und
Büros
vorbildlich
hergerichtet
worden.
Der
gesamte
vordere
Bereich
und
der
Pavillon
an
der
Lotter
Straße
werden
gewerblich
von
der
„
Muuh!
Group″
von
Hageloft-
Gesellschafter
Jens
Bormann
genutzt.
Die
übrige
Hagedornfläche
ist
mit
neuen
Wohnhäusern
bebaut.Hagedorn
startete
1885
Ab
1885
produzierte
Hagedorn
an
der
Lotter
Straße.
Gründer
und
Namensgeber
war
der
1849
in
Iburg
geborene
Anton
Hagedorn,
der
sich
nach
einer
Schlosserlehre
mit
einem
Teilhaber
selbstständig
machte.
1880
unter
dem
Namen
Hagedorn
und
Sander,
später
als
Hagedorn
und
Fricke
wurden
zunächst
landwirtschaftliche
Geräte,
Gusskugellager
und
diverse
Fahrradartikel
hergestellt.
Teilhaber
Hermann
Fricke
brachte
Geld
ein
und
war
von
Beruf
Drogist.
Er
eröffnete
dem
Tüftler
Hagedorn
den
Einstieg
in
die
Welt
der
Kunststoffe.
1897
entstand
das
Fabrikgebäude
mit
angrenzendem
Maschinen-
und
Kesselhaus.
Wenig
später
begann
die
Fertigung
von
Fahrradgriffen
aus
Kork
mit
einem
Überzug
aus
Celluloid,
dem
ältesten
Kunststoff.
Paul
Meyer,
ein
entfernter
Verwandter
Frickes,
trat
an
dessen
Stelle
als
Teilhaber
ein.
Für
die
Kunststoffproduktion
wurden
erhebliche
Investitionsmittel
gebraucht.
So
erfolgte
1906
die
Umwandlung
von
der
A.
Hagedorn
&
Comp.
in
die
Hagedorn
AG.
Paul
Meyer
wurde
zur
bestimmenden
Figur
des
Unternehmens.
Immer
mehr
Fertigwaren
des
alltäglichen
Bedarfs
aus
Celluloid
erweiterten
das
Produktionsprogramm.
Neben
Nagelfeilen
und
Brillengestellen
waren
auch
so
kuriose
Dinge
wie
Mitesserentferner,
Zungenschaber
und
Rückenkratzer
darunter.
Bis
in
die
1950er-
Jahre
spielte
neben
der
Herstellung
von
Kunststoff-
Halbzeugen
eine
breite
Palette
von
Fertigprodukten
aus
Celluloid
eine
wichtige
Rolle,
darunter
Kämme,
Zahnbürsten,
Kinderrasseln,
Stehaufmännchen,
Füllfederhalterhülsen,
Teigschaber,
Fotolaborbedarf,
Tischtennisbälle
und
Puppen.
Bis
zu
7500
verschiedene
Artikel
befanden
sich
zeitweise
im
Angebot,
und
das
Unternehmen
wuchs
zum
größten
Hersteller
von
Fertigwaren
aus
Celluloid
in
Europa
heran.
Paul
Meyers
Sohn
F.A.
Paul
Meyer
wurde
1937
Vorstandsvorsitzender.
Er
leitete
den
Rückzug
aus
der
Fertigwarenproduktion
ein
und
setzte
die
Konzentration
auf
Kunststoff-
Halbzeuge
insbesondere
für
die
Lackindustrie
durch.
Lediglich
die
Tischtennisbälle
unter
den
Markennamen
„
Comet″
und
„
Hanno″
blieben
erfolgreiche
Dauerläufer
im
Fertigwarensektor.
Ins
Jahr
1951
fiel
der
Startschuss
für
die
Produktion
von
Pigmentpräparationen.
Das
sind
farbige
Nitrocellulose-
Pellets
als
Vorprodukte
lebensmittelechter
Farben,
mit
denen
sich
zum
Beispiel
Joghurtbecherdeckel
und
Chipstüten
schnelltrocknend
bedrucken
lassen.
Nitrocellulose-
Chemie,
Kunststoffextrusion
und
flexible
Verpackungen
waren
ab
etwa
1995
die
Standbeine
des
Unternehmens
mit
Fertigungsstätten
in
Lingen
und
im
europäischen
Ausland.
Osnabrück
spielte
nur
noch
eine
Nebenrolle.
Beim
Betriebsende
2010
waren
es
20
Arbeitnehmer,
für
die
eine
neue
Beschäftigung
gefunden
werden
musste,
gegenüber
400
Arbeitern
in
den
1930er-
Jahren.
Was
Osnabrück
als
Erinnerungsposten
an
Hagedorn
bleibt,
ist
das
nun
prächtig
in
Szene
gesetzte
Fabrikgebäude
von
1897.
Bildtexte:
Vor
mehr
als
60
Jahren:
Firma
Hagedorn
an
der
Lotter
Straße
im
Mai
1959.
Heute:
Üppiges
Stadtgrün
verdeckt
aus
gleicher
Perspektive
einen
Großteil
des
Fabrikgebäudes.
Hergestellt
in
der
„
Püppchenfabrik″:
Spielzeug
wie
dieses
Paar
aus
Celluloid
gehörte
zum
Hagedorn-
Programm.
Die
Ostfassade
des
Fabrikgebäudes
mit
Kesselhaus
und
Kamin
im
Jahr
2008.
Hochwertiges
Wohnen
und
Arbeiten
verspricht
das
runderneuerte
Fabrikgebäude
„
Hageloft″,
hier
ebenfalls
von
Osten
gesehen.
Anton
Hagedorn
(1849
–
1926)
war
der
Gründer
der
Chemiefabrik.
Das
Fabrikgebäude
im
Jahr
1958.
Am
linken
Bildrand:
Gebäudekomplex
des
Straßenbahndepots.
Das
Werksgelände
Hagedorn
im
Jahr
2005.
Die
Sheddächer
links
daneben
gehören
zur
Fahrzeugstaffel
der
Polizei,
die
Hallen
am
rechten
Bildrand
zum
Busdepot
der
Stadtwerke.
Foto:
Alfred
Spühr,
Joachim
Dierks,
WerksarchivHagedorn,
Egmont
Seiler,
Gert
Westdörp
Autor:
Joachim Dierks