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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Die „königliche Stadt″ und die Euro-Krise
 
Mit Händen und Füßen
 
Weit und breit kein Döner
 
Alles außer Strand
Zwischenüberschrift:
Osnabrücks Partnerstadt Vila Real kommt besser über die Runden als andere Regionen in Portugal
 
Wissenswertes, Kulinarisches und Kurioses aus Vila Real
 
Barock und Berge: Reisetipps für Vila Real
Artikel:
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Originaltext:
VILA REAL/ OSNABRÜCK. Ein Platz so groß wie ein Fußballfeld ziert den Bereich vor dem barocken Rathaus, das bis 1914 als Krankenhaus fungierte. Sitzbänke unter Schatten spendenden Bäumen laden zum Verweilen bei strahlendem Sonnenschein ein. Ebenso zwei Cafés, wo Alt und Jung vor historischer Kulisse Kaffee unter Sonnenschirmen trinken. Ein Angestellter der Stadt läuft mit einem Müllsack herum und sucht nach Unrat. Viel zu tun hat er nicht, denn der Platz ist lupenrein. Welch Idylle. Finanzkrise in Portugal? In Osnabrücks Partnerstadt Vila Real ist nicht viel davon zu sehen.

Auch auf dem zweiten Blick ist kaum spürbar, dass Portugal als Krisenland gilt, von dem manche Banker und Ökonomen noch im März vermuteten, dass es sich zum nächsten Griechenland entwickelt. Vielerorts wird gebaut: Häuser, Brücken, Autobahnen. Nur wenige Geschäfte in den engen Gassen Vila Reals mit seinem typischen Kopfsteinpflaster stehen leer. Nahe dem Zentrum lädt ein großes Einkaufszentrumzum Shoppen ein, sieben Tage in der Woche ohne Leerstand.
Der Stadt mit ihren rund 30 000 Einwohnern scheintes gut zu gehen. Hier und da könnte so manches Haus einen neuen Anstrich vertragen, und zugegeben manchem Haus täte ein Abriss besser als ein wenig Farbe.
Nach Griechenland und Irland war das Land auf der Iberischen Halbinsel das dritte, das die EU vor dem Staatsbankrott retten musste. Die EU-Finanzminister billigten im vergangenen Jahr Nothilfen in Höhe von 78 Milliarden Euro für das in Not geratene Land. Anfang April dieses Jahres lobte die EU die portugiesischen Sparmaßnahmen. Doch sie bleiben nicht folgenlos.
Auf Nachfrage erfährt man dann doch von dem Schatten, der sich durch die Krise über das sonnenverwöhnte Vila Real gelegt hat. Die Krise hat Portugal erfasst″, sagt Bürgermeister Manuel do Nascimento Martins auch seine Stadt. Die Einwohner hätten durch staatliche Sparprogramme und Lohneinbußen weniger Geld in der Tasche. Wir fühlen die Krise, aber nicht so stark wie andere Regionen″, schränkt er ein.
Vila Real liegt im gleichnamigen Distrikt in der Norte-Region. Wenige Großbetriebe zählt die Gemeinde, nur vereinzelt ragen Industrieschornsteine in den Himmel. So ist zwar die Arbeitslosigkeit gestiegen, aber nicht sowie anderswo, weil wir keine Fabriken haben, die geschlossen hätten werden können″, erklärt Martins. In der Stadt arbeiten viele im Dienstleistungsbereich, etwa für Banken und Versicherungen. Auch die Uni ist ein großer Arbeitgeber. Die Gemeinde lebt von der Landwirtschaft und dem Weinanbau unübersehbar. Sobald man die Stadt verlässt, stößt man auf unzählige Weinanbauflächen, Schaf- und Kuhherden. Zukünftig soll der Natur- und Kulturtourismus an Bedeutung gewinnen.
Die Wirtschaftsstruktur bewahrte Vila Real vor Schlimmerem. Etwa neun Prozent der Einwohner sind ohne Arbeit. Landesweit stieg die Arbeitslosenquote auf 15 Prozent an, bei den 15- bis 24-Jährigen sogar auf rund 35 Prozent. Andere behielten zwar ihren Job, müssen nun aber auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten bei gleichzeitigen Lohnkürzungen.
2010 verdiente der Portugiese durchschnittlich 1530 Euro pro Monat brutto. Neuere Zahlen liegen nicht vor, aber das durchschnittliche Einkommen ist nach Kürzungen insbesondere bei Beamten gesunken. Viele Menschen waren und sind auf das 13. und 14. Gehalt angewiesen. Auch ich verdiene nun zehn Prozent weniger″, bestätigt Bürgermeister Martins. Weniger Lohn wirke sich wiederum auf die Wirtschaft aus. Die Leute geben nicht mehr so viel aus″, so Martins. Wirklich sichtbar ist diese Aussage aber nicht. Es drängen sich zwar keine Massen durch die engen Einkaufsstraßen der Altstadt oder das Einkaufszentrum, leer stehende Ladenflächen sind aber die Ausnahme. Laut Bürgermeister haben in den vergangenen Jahren einige Restaurants schließen müssen. Kinos verzeichneten einen Besucherrückgang.
Während die Portugiesen früher viel auf Kredit ausgaben, werde nun gespart und nur das gekauft, was bar bezahlt werden könne. Viele Menschen in Portugal hätten durch die Krise ihr Haus verloren. Nach dem Jobverlust konnten sie die Hausraten nicht länger begleichen. Autos würden nun länger gefahren. Aber es gibt auch weiterhin diejenigen, die mit ihrem neuen deutschen Cabrio durch Vila Real fahren.
Doch wenn die Stadt auch besser durch die Krise gekommen ist als andere Regionen, so wird doch auch dort gespart aber weniger dramatisch. So fiel etwa ein international bekanntes Autorennen im vergangenen Jahr aus, das (mit wenigen Ausnahmen) seit 1931 jährlich inmitten der Stadt stattfindet und in der Vergangenheit bis zu 500 000 Menschen in die kleine Stadt lockte.
Ebenso verkürzten sich die Öffnungszeiten der städtischen Bibliothek. Die Krise hat uns nachdenken lassen, was unsere Prioritäten sind″, sagt Martins. Und die lägen vielmehr im sozialen Bereich. So gibt es in der Gemeinde Vila Real beispielsweise 14 Zentren, in denen primär Älteren geholfen wird eine Kooperation der Stadt mit der katholischen Kirche und dem Staat.
In diesen sozialen Unterkünften erhalten die Menschen Essen, Unterkunft, medizinische Versorgung. Wer dort wohnt, gibt 80 Prozent seines Einkommens ab. Über die restlichen 20 Prozent verfügen die Menschen selbst, um etwa am soziokulturellen Leben teilhaben zu können. Und der Bedarf wachse. Wir haben sehr viele Anfragen″, so Martins.
An Alte und Großfamilien, die drei oder mehr Kinder haben, vergibt Vila Real kostenfrei Sozialkarten, vergleichbar mit der Osnabrück-Card. Mit dieser Karte erhalten die Bürger Vergünstigungen, etwa im öffentlichen Nahverkehr. Das ist ein Weg, um den Menschen aus der Krise zu helfen″, ist Martins überzeugt. Für die alten Menschen im Umland, die nicht mobil sind, sind zwei Kleintransporter unterwegs. Beim ersten Gefährt handelt es sich um einen medizinischen Dienst, bei dem zweiten um eine Art mobilen Hausmeisterservice, der kleine Reparaturen im Haushalt übernimmt. Diese beiden Dienstleistungen sind für die Nutzer kostenfrei, sofern sie über die entsprechend Sozialkarte verfügen. Die Stadt gibt viel Geld für diese Projekte aus″, meint Bürgermeister Martins. Einige davon seien ohne Mittel aus Brüssel nicht möglich gewesen. Auch Osnabrück habe der Stadt geholfen.
Doch wenn auch das Geld knapp ist, Resignation ist keineswegs die Devise. Bürgermeister Martins, seit nunmehr 18 Jahren im Amt, ist ambitioniert. Unter seiner Führung entstanden in den vergangenen Jahren ein Theater, eine Bezirksbibliothek, drei Museen sowie ein Stadtarchiv. Oder auch ein Musikkonservatorium, das Studenten aus aller Welt anziehe. Kulturell haben wir alles, was eine große Stadt hat″, sagt Martins. Wir wollen alles am Laufen halten, sofern es geht″, ergänzt er. Das populärste Projekt sei jedoch ein am Fluss angelegter Erholungspark gewesen, sagt Martins fast schon ein wenig enttäuscht mit Blick auf die kulturellen Einrichtungen.
Die portugiesische Krise hat auch vor Vila Real nicht haltgemacht. Dort ist der Blick jedoch nach vorne gerichtet. Potenzial beim Natur- und Kulturtourismus lässt die Stadt hoffen.

Bildtexte:
Festlich geschmückt an kirchlichen Feiertagen: Vila Real ist bisher wesentlich besser durch die Krise gekommen als etwa Porto und Lissabon.
Bürgermeister Martins.
Der 1745 erbaute Mateus-Palast zeugt von alter Größe.
Fotos:
Jörg Sanders

Vila Real eine schöne Stadt mit reizvollem Umland. Aber man muss erstmal dorthin kommen, wie Jörg Sanders erfahren hat.
Los ging es für mich um 8.24 Uhr am Osnabrücker Hauptbahnhof mit dem IC nach Hamburg. Es folgten: S-Bahn zum Flughafen, Flug nach Lissabon, Flug nach Porto, Metro in Portos Innenstadt, Überland bus nach Vila Real dazwischen stets Wartezeiten. Aber schon″ gegen 24 Uhr (23 Uhr Ortszeit) bezog ich mein Zimmer, fiel auf die Matratze und schlief. Blauer Himmel und Temperaturen um die 25 Grad entschädigten am nächsten Tag, die rund 16 Stunden Anreise waren schnell vergessen. Als überaus schwierig stellte sichher aus, dass nur wenige Einheimische Englisch sprechen, und dann auch nur die Jüngeren und ich kein Portugiesisch. Das machte es nicht gerade einfach, Informationen zu sammeln oder auch einfach mal nur nach dem Weg zu fragen. Mit Händen und Füßen klappte es meistens dann doch. Bevor es wieder hieß: Bus, Metro, Flugzeug, Intercity . . .

Geschichte einer Partnerschaft

Aus der Städtefreundschaft von 1989 machten die damaligen Stadtoberhäupter 2005 eine Partnerschaft. Für Osnabrück unterzeichnete OB Hans-Jürgen Fip die Partnerschaftsurkunde. Sein Kollege aus Vila Real, Manuel Martins, ist bis heute im Amt. Seither tauschen sich die beiden Städte in vielfältiger Form aus. Bildung, Kultur, Sport, Katastrophenhilfe, finanzielle Unterstützung die Städte blicken auf eine breite Partnerschaft zurück. Nicht vergessen ist in Vila Real die Hilfe der Osnabrücker „@ fire″- Feuerwehrleute bei den großen Waldbränden 2005 und 2006. 2005 bis 2007 war Osnabrück auf dem Weihnachtsmarkt in Vila Real vertreten. In den vergangenen Jahren litt die Städtepartnerschaft allerdings unter der Finanzkrise. Vila Real musste das Budget für die Partnerschaft kürzen. Die 30 000-Einwohner-Stadt ist gut 2000 Kilometer von Osnabrück entfernt.

VILA REAL. Das sollten Osnabrücker über ihre portugiesische Partnerstadt Vila Real wissen.
Kaffee: In Vila Real wird überall und ständig Kaffee getrunken. Und Wein. Wer ein schwaches Herz hat, sollte zumindest auf den Kaffee verzichten. Gegenüber dem portugiesischen Kaffee ist der deutsche nicht mehr als gefärbtes Wasser. Erfreulich: Der Kaffee in Vila Real kostet in der Regel weniger als einen Euro.
Kulinarisches: Als Vegetarier hat man es schwer in Vila Real. Die Region ist berühmt für sein Rindfleisch. An Metzgereien mangelt es der Altstadt zumindest nicht. Unbedingt probieren sollte man klangvolle süße Backwaren wie Cristas de Galo (Gebäck mit Ei in Form eines Hahnenkamms) oder Pitosde Santa Luzia (Teigtaschen mit süßem Kürbis). Für die Fleischliebhaber empfehlen sich Covilhetes. Sie sehen aus wie Muffins, sind jedoch mit Fleisch gefüllt. Übrigens: Wer gerne Döner isst, wird in Vila Real keinen finden, denn in der Stadt gibt es kaum Zuwanderer schon gar nicht aus der Türkei.
Regionaler Verkehr: Wer doch nach Vila Real auswandert, sollte sich dort auf keinen Fall mit einem Fahrradgeschäft selbstständig machen. Kopfsteinpflaster, viele steile Straßen und nicht zuletzt die Mentalität lassen die Bürger in Vila Real ausschließlich Auto fahren oder den Bus nehmen. Selbst an der Universität steht kein einziges Fahrrad. Bei den staubigen Straßen böte sich vielmehr eine Investition in eine Autowaschanlage an. Überregionaler Verkehr: In den 1990er-Jahren legte die Regierung weite Teile des Bahnnetzes lahm. Komfortable Überlandbusse verkehren nahezu stündlich zwischen den meisten Städten. Nach Porto (nächstgelegener Flughafen) sind es nur rund 100 Kilometer. Aber erneut die Warnung an herzschwache Menschen: Teilweise verwechseln die Busfahrer ihr Gefährt mit einem Formel-1-Wagen und brettern mit 120 Sachen durch die kurvigen Landschaften entlang steiler Abhänge. Nerven bewahren.
Spritpreise: Die Kraftstoffpreise sind in Vila Real weitgehend identisch mit den deutschen.
Für Fußballbegeisterte: Portugal ist eine Fußball-Nation. Daher verfügt Vila Real über mehrere öffentliche Fußballplätze, die rege genutzt werden. Kaum ein Platz, auf dem nicht Kinder und Jugendliche kicken.
Geräuschpegel: Erfreulich ist der relativ geringe Geräuschpegel in Vila Real. Schreiende Menschen auf der Straße sieht man dort ebenso wenig wie aufgemotzte Autos, die mit satten Bässen durch die Stadt röhren. Diskretion ist ein generelles Motto in Portugal.
Verwechslungsgefahr: Vila Real ist das nicht die Stadt aus der TV-Werbung. Vor 20 Jahren machte der Konzern Procter & Gamble Reklame für ein Geschirrspülmittel. In zwei Dörfern schrubbten die Bewohner wie verrückt gigantische Paellapfannen. Der Spot spielte allerdings in Villarriba und Villabajo nicht aber in Vila Real. Villarriba und Villabajo sind fiktive spanische Orte.

VILA REAL. Vila Real und das Umland bieten touristisch attraktive Ziele für fast jedermann. Nur Strandurlauber kommen in der königlichen Stadt″ zu kurz. Osnabrücks Partner hat insbesondere viel zu bieten, was Kultur und Sightseeing betrifft. Nahezu Pflicht ist ein Besuch des barocken Mateus-Palastes mit seinem großen Park und der Kapelle am Rande von Vila Real. Er wurde 1745 erbaut und von einem Grafen bezogen. Ein Besuchder vielen Kirchen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert in Vila Real lohnte mehrere Museen ergänzen das kulturelle Programm.
Auch die Shopping-Freunde kommen in Vila Real nicht zu kurz. In der Altstadt bieten kleine Einzelhändler ihre Waren feil. Im Einkaufszentrum Douro, nahe der Altstadt, sind rund 140 Shops unter einem Dach vereint.
Naturliebhaber und Wanderer kommen in Vila Real nicht minder auf ihre Kosten. Im Stadtgebiet gibt es einen großen Park mit Erholungs- und Sportmöglichkeiten sowie Anlagen für Kinder. Wanderwege durch das bergige Umland mit seinen oftmals felsigen Landschaften führen durch Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Da es auf den Wegen oftmals keine Schattenplätze gibt und es bereits im Frühjahr sehr heiß werden kann, ist jedoch Vorsicht angesagt: Ein Sonnenhut und viel Wasser sind ratsam.
Nicht weit entfernt ist Porto, eine der beiden Metropolen des Landes. Mit dem Überlandbus gelangt man in anderthalb Stunden für nur neun Euro dort hin. Die Busse fahren zumeist im 90-Minuten-Takt von früh morgens bis in die Nacht.

Vila Real im Internet mit vielen Informationen für einen Urlaub auf Portugiesisch, Französisch und Englisch: www.cm-vilareal.pt.
Autor:
Jörg Sanders


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