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1.
Erscheinungsdatum:
09.09.2020
aus Zeitung:
Tageszeitung (TAZ)
Überschrift:
„Held″ auf dem Rückzug
Zwischenüberschrift:
In Osnabrück entsteht ein „Friedenslabor″. Benennt die Stadt den Ort nach dem NS-Juristen Hans-Georg Calmeyer?
Artikel:
Originaltext:
Es
gibt
Leute,
die
ziehen
die
Legende
der
Wirklichkeit
vor:
Normalmenschen
werden
so
zu
Helden,
obwohl
sie
keine
sind.
Auch
um
den
Osnabrücker
Juristen
Hans-
Georg
Calmeyer
rankt
sich
eine
Legende.
Seit
Jahrzehnten
am
Leben
erhalten,
erzählt
sie
eine
Geschichte
von
Mut
und
Menschenliebe,
von
Selbstlosigkeit
und
Gerechtigkeitssinn,
erhebt
Calmeyer
zur
heldenhaften
Lichtgestalt.
Aber
der
Mann,
zu
dem
es
weit
mehr
Fragen
gibt
als
Antworten,
war
alles
andere
als
das.
Von
1941
bis
1944
hochrangiger
NS-
Verwaltungsbeamter
in
Den
Haag,
wirkt
er
zwar
daran
mit,
dass
viele
Juden
der
Ermordung
entgehen,
rund
2.500.
Zugleich
jedoch
ist
er
ein
Täter
des
Holocaust,
denn
viele
lässt
er
ins
KZ
deportieren.
Seine
Arbeit
in
Den
Haag
sei
„
ergötzlich″,
schreibt
er
seiner
Frau.
Zudem
versorgt
Calmeyer
das
Deutsche
Reich
mit
niederländischen
Zwangsarbeitern.
Calmeyer,
erst
Soldat
der
Wehrmacht,
wird
auf
eigenen
Antrag
zum
Reichskommissariat
für
die
besetzten
niederländischen
Gebiete
abgeordnet,
in
die
Besatzungsverwaltung
nach
Den
Haag.
Dort
leitet
er
die
„
Entscheidungsstelle
über
die
Meldepflicht
aus
Verordnung
6/
41″,
zuständig
für
„
rassische
Zweifelsfälle″
bei
der
Gesamterfassung
der
jüdischen
Bevölkerung
des
Landes.
Ergaben
sich
Zweifel,
ob
jemand
als
„
ganz
oder
teilweise
jüdischen
Blutes
anzusehen
ist″,
konnte
das
die
Rettung
bedeuten,
und
in
Calmeyers
Abteilung
ergaben
sie
sich
oft
–
wissentlich
akzeptierte
sie
gefälschte
Taufbescheinigungen
und
Verlustanzeigen
für
Personalausweise.
Andererseits:
Hunderte
Ungefährdeter
erklärt
Calmeyer
aktiv
zu
„
bei
den
Abstammungserklärungen
neu
entdeckten
Juden″.
Zudem
lehnt
er
kategorisch
die
Ehe
zwischen
Juden
und
Nichtjuden
ab.
Macht
nichts,
sagt
die
Osnabrücker
Hans
Calmeyer-
Initiative
(HCI)
.
Sie
verdrängt
Calmeyers
Ambivalenz
und
Ambiguität,
heroisiert
ihn
als
„
vorbildhaft″,
als
„
beispielgebend″,
inszeniert
den
NS-
Juristen
als
einen
Widerständler
tiefer
Tragik,
als
Menschenretter.
Und
sie
propagiert
einen
Erinnerungsort
für
ihn,
als
Teil
des
städtischen
Museumsquartiers
Osnabrück
(MQ4)
:
ein
„
Calmeyer-
Haus″.
Die
HCI
hat
Verbündete.
Allen
voran:
Fritz
Brickwedde,
Fraktionschef
der
Osnabrücker
CDU.
Ende
2017
drückt
er
im
Stadtrat
einen
Beschluss
durch,
der
bis
heute
Bestand
hat:
Die
Villa
Schlikker
des
MQ4,
bis
1945
Hauptquartier
der
örtlichen
NSDAP,
sei
im
Sinne
eines
„
Hans-
Calmeyer-
Hauses″
zu
entwickeln.
Dass
sich
das
MQ4
auch
dem
Gedenken
an
den
1944
in
Auschwitz
gestorbenen
jüdischen
Maler
Felix
Nussbaum
widmet,
im
Nussbaum-
Haus,
einem
eigens
dafür
errichteten
Skulpturalbau
von
Daniel
Libeskind,
fällt
dabei
nicht
ins
Gewicht.
Ein
Haus,
benannt
nach
einem
NS-
Täter,
direkt
neben
einem
Haus,
benannt
nach
einem
NS-
Opfer?
Käme
es
so,
es
wäre
kaum
zu
fassen.
Eine
Debatte,
in
der
die
Calmeyer-
Glorifizierer
seit
jeher
stark
auf
Emotionen
und
Gegnerbashing
setzen
statt
auf
geschichtswissenschaftliche
Neutralität
und
erinnerungskulturelle
Expertise.
Osnabrück,
glauben
sie,
bekommt
durch
sie
einen
neuen
großen
Sohn,
besser
noch
als
Oskar
Schindler.
Man
muss
ihn
nur
ein
bisschen
weißwaschen.
Lange
schien
es,
als
hätten
die
Calmeyer-
Glorifizierer
damit
gute
Chancen.
Seit
ein
paar
Wochen
allerdings
ist
es
still
geworden
um
die
HCI.
Zu
erdrückend
sind
die
Fakten,
die
seit
Jüngstem
auf
dem
Tisch
liegen.
Wolfgang
Beckermann,
Kulturvorstand
der
Stadt
Osnabrück,
darf
also
aufatmen.
Stets
hat
er
auf
Versachlichung
gedrungen:
Es
gelte,
ein
„
Friedenslabor″
zu
entwickeln,
einen
Begegnungs-
und
zivilgesellschaftlichen
Lernort,
keine
Calmeyer-
Devotionalie.
Man
brauche
keinen
„
Glaubenskrieg″.
Auch
MQ4-
Direktor
Nils-
Arne
Kässens
darf
sich
entspannen.
Er
hat
nie
Zweifel
daran
gelassen,
wie
falsch
es
wäre,
„
einen
lokalen
Helden
aufzubauen″.
Es
gelte,
Calmeyer
„
zu
problematisieren″,
ihn
nicht
„
solitär
zu
stellen″,
sondern
als
Katalysator
einer
Grundsatzfrage
zu
nutzen,
perspektiviert
bis
in
die
Gegenwart:
Wie
handelt
der
Mensch
in
totalitären
Systemen?
Der
Labor-
Besucher
sei
nicht
nur
Konsument:
„
Er
wird
selbst
aktiv.″
Mehr
Fragen
als
Antworten?
Das
kann
auch
produktiv
sein.
Dass
die
Hans
Calmeyer-
Initiative
auf
dem
Rückzug
ist,
hat
viele
Gründe.
Einer
davon
ist
der
Mut
von
Alfons
Kenkmann,
Professor
für
Geschichtsdidaktik
an
der
Universität
Leipzig
und
Leiter
des
wissenschaftlichen
Beirats
zur
Neugestaltung
der
Villa
Schlikker.
Mitte
Juli,
bei
der
Vorstellung
der
ersten
Konzeptideen,
prangert
er
die
„
Diffamierung″
und
„
Stigmatisierung″
an,
die
dem
Beirat
in
Osnabrück
entgegenschlägt.
Kollektive
Inkompetenz
hatte
Joachim
Castan,
einer
der
Köpfe
der
HCI,
dem
Beirat
vorgeworfen
–
in
dem
er
selbst
sitzt,
um
Profilierung
bemüht.
Namhafte
Wissenschaftler
haben
den
Beirat
wegen
Castan
verlassen,
unter
Protest,
auch
eine
Expertin
vom
Amsterdamer
NIOD
Instituut
für
Krieg-
,
Holocaust-
und
Genozidstudien.
Kenkmann,
mehrfach
kurz
davor,
dasselbe
zu
tun,
hat
jüngst
für
Neuzugänge
gesorgt,
unter
ihnen
ein
Experte
des
Fritz
Bauer
Instituts
in
Frankfurt
am
Main.
Kenkmann
ist
es
auch,
der
Mitte
Juli
den
Sprengsatz
der
Namensfrage
erst
mal
entschärft.
Der
Beirat
werde
„
am
Ende
eine
Empfehlung
aussprechen″.
Bis
dahin
gelte:
Villa
Schlikker.
„
Schließlich
heißt
ja
auch
der
Beirat
so!
″
Die
Calmeyer-
Variante,
bedeutet
das,
hat
bei
ihm
keine
Chance.
Auch
das
weltweite
Medienecho
auf
eine
Petition
an
Kanzlerin
Angela
Merkel
drängt
die
HCI
in
die
Defensive.
Initiiert
wurde
sie
in
den
Niederlanden
von
dem
Philosophieprofessor
Johannes
Max
van
Ophuijsen
und
den
Journalisten
Hans
Knoop.
Die
Forderung:
Sollte
das
Labor
Calmeyers
Namen
tragen,
möge
die
Bundesregierung
die
1,
7
Millionen
Euro
Fördermittel
zurückziehen,
die
sie
Osnabrück
für
die
Sanierung
der
maroden
Villa
bewilligt
hat.
Unterschrieben
haben
265
Menschen
von
Gewicht,
vom
Historiker
bis
zum
Holocaust-
Überlebenden.
„
Sollte
das
Calmeyer-
Whitewashing
wirklich
stattfinden,
wäre
das
ein
internationaler
Skandal″,
sagt
Initiator
Knoop.
Zusätzliches
Warnsignal
an
die
HCI:
Die
Initiatoren
der
Petition
waren
Mitte
Juli
auf
Einladung
von
Kulturvorstand
Beckermann
in
Osnabrück
–
der
Beginn
einer
Zusammenarbeit,
nicht
zuletzt
für
ein
Symposion
im
Jahr
2021,
auf
dem
dann
auch
der
Name
diskutiert
werden
soll,
für
einen
Vorschlag
an
den
Beirat
–
in
dem
es
für
eine
Calmeyer-
Benennung
wohl
ohnehin
keine
Mehrheit
mehr
gibt.
Und
dann
ist
da
noch
die
Auschwitz-
Überlebende
Femma
Fleijsman-
Swaalep,
die
Calmeyer
nicht
vor
der
Deportation
gerettet
hat,
obwohl
er
die
Macht
dazu
besaß.
MQ4-
Direktor
Kässens
hat
sie
nach
Osnabrück
eingeladen,
als
„
große
Chance
für
uns,
die
Ambivalenz
Calmeyers
darzustellen″.
Ihre
Biografin
Els
van
Diggele,
Historikerin
aus
den
Niederlanden,
ist
erleichtert:
„
Für
mich
ist
nur
gute
historische
Forschung
wichtig.
Dass
Herr
Castan
(vom
HCI;
d.
Red.)
glaubt,
wir
seien
hinter
einem
Skandal
her,
macht
ihn
unglaubwürdig.″
Auch,
dass
Jad
Vaschem,
die
Jerusalemer
„
Gedenkstätte
der
Märtyrer
und
Helden
des
Staates
Israel
im
Holocaust″
Calmeyer
einst
den
Ehrentitel
„
Gerechter
unter
den
Völkern″
verlieh,
bröckelt
der
HCI
als
Argument
weg:
Yad
Vashem
prüft
derzeit
die
Causa
erneut.
Selbst
die
eigenen
Reihen
der
HCI
lichten
sich
mittlerweile:
Eine
Historikerin
und
Juristin
aus
den
Niederlanden
hat
den
Ehrenvorsitz
der
HCI
niedergelegt.
„
Das
Projekt
war
gefährdet″,
resümiert
Kulturvorstand
Beckermann.
„
Aber
jetzt
sind
wir
auf
einem
guten
Weg.″
Der
ist
zwar
durch
Corona
stark
verzögert,
aber
2023
soll
das
neue
Labor
eröffnen.
655.000
Euro
zahlt
Osnabrück
für
dessen
inhaltliche
Ausgestaltung.
Damit
beauftragt
ist
derzeit
die
Agentur
Schwerdtfeger
&
Vogt,
Münster
und
Berlin.
Sie
hat
den
Wettbewerb
zur
Machbarkeitsstudie
gewonnen
und
„
schärft
jetzt
das
Konzept″,
sagt
MQ4-
Direktor
Kässens.
„
Bisher
liegen
ja
nur
erste
Visionen
vor″.
Viel
ist
im
Moment
wirklich
nicht
zu
sehen.
Ein
paar
Grafiken,
das
war′s.
„
Menschen
Haltungen
Möglichkeiten″
steht
auf
einer
davon,
„
Werte
Courage
Engagement″
auf
einer
anderen.
Das
eigentliche
Labor
soll
später
ganz
oben
rein,
in
den
zweiten
Stock,
„
interaktiver
Erfahrungs
und
Informations-
Raum″
inklusive.
Für
ganz
unten
ist
ein
Café
geplant.
Dazwischen,
auf
halber
Höhe
–
fast
schon
ein
Sinnbild
–
wird
Calmeyer
verhandelt,
kontrovers.
„
Das
ist
noch
ein
langer
Weg″,
sagt
Philipp
Schwerdtfeger
von
der
Agentur,
die
die
Ausstellung
konzipiert.
Das
gilt
auch
für
die
Recherche.
Sicher,
Bücher
über
Calmeyer
gibt
es
viele.
Aber
auserforscht
ist
der
NS-
Jurist
noch
lange
nicht.
Vieles
an
ihm
gleicht
einem
Nebelmeer.
Für
Anfang
November
ist
die
nächste
Beiratssitzung
geplant.
Auch
sie
wird
den
Nebel
wieder
ein
wenig
lichten:
Fakten
statt
Fakes.
Bildtext:
Hier
droht
„
ein
internationaler
Skandal″:
Die
Villa
Schlikker
in
Osnabrück
Foto:
Friso
Gentsch/
dpa/
picture
Autor:
Harff-Peter Schönherr