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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Schüchtern, liebenswert – und den Mördern ausgeliefert
Zwischenüberschrift:
Rosalie Grünberg musste sterben, weil sie Jüdin war – Ihrem Bruder Norbert gelang die Flucht nach Schanghai
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Hans Eversmann war von Düsseldorf in seine alte Heimatstadt gereist, um bei der Stolpersteinverlegung für Rosalie Grünberg dabei zu sein. Als er ein kleiner Junge war, gehörte sie zu seinem Leben. Jetzt, im Alter von 88 Jahren, übernahm er die Patenschaft für die Gedenktafel am Hasetorwall 14, der damals Kaiserwall hieß.
Dort lebte die Frau, die er so schätzte, bis Nationalsozialisten sie aus der Wohnung drängten und nach Riga ins Konzentrationslager verschleppten, weil sie Jüdin war. Sie war eine schüchterne und sehr, sehr liebenswürdige Frau.″ So erinnert sich Hans Eversmann an Rosalie Grünberg, die als Buchhalterin im Geflügelgeschäft Cantor in der Altstadt arbeitete. Ihr Vater, ein Kaufmann, starb 1908, als sie elf Jahre alt war. Und 1922, kurz vor Rosalies 26. Geburtstag, erhängte sich ihre Mutter. Sie hatte noch einen zwei Jahre älteren Bruder, der Norbert hieß und als Soldat gedient hatte.
Der 1924 geborene Hans Eversmann lernte sie kennen, als er noch keine zehn Jahre alt war. Er lebte in der Lohstraße 31 mit seiner Mutter, die Witwe war und ihr Geld bei sich zu Hause als Köchin verdiente. Im Fenster hing ein Schild mit der Aufschrift Bürgerlicher Mittagstisch″. Und der befand sich im Wohnzimmer. Es kamen überwiegend ledige Gäste″, wie sich Hans Eversmann erinnert. Eine von ihnen war Rosalie Grünberg. Sie sollte ja eigentlich koscher essen, aber das hat sie nicht so genau genommen.″ Die Buchhalterin fasste Vertrauen zu dem Jungen. Ich war für sie oft als Laufbursche unterwegs.″
Auch weiß Hans Eversmann noch von Gesprächen über Nationalsozialisten. Rosalie Grünberg ist sich offenbar nicht darüber im Klarengewesen, dass deren Rassenwahn sie in Lebensgefahr bringen sollte. Da war sie ganz arglos.″ Irgendwann im Laufe der 1930er-Jahre blieb Rosalie Grünberg weg. Es war klar, was los war. Sie durfte nicht mehr zum Mittagstisch kommen.″ Für Juden galten immer mehr Verbote.
Während der Zeit verfolgten die Nationalsozialisten auch ihren Bruder Norbert. Er wurde im August 1938 zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er aus seinem eigenen Vorgarten ein Plakat der SA entfernt hatte. Anschließend gelang es ihm, Deutschland zu verlassen. Von Bremen aus reiste er im Dezember 1938 mit einem Schiff nach Schanghai. In einer Passagierliste der Reederei Norddeutsche Lloyd, die im Staatsarchiv Bremen erhalten ist, taucht sein Name auf mit den Angaben: 44 Jahre, Kaufmann, ledig. Dann verliert sich die Spur.
Die Nationalsozialisten nahmen den Juden alle Rechte und ihr Eigentum. 1941 musste Rosalie Grünberg in ein sogenanntes Judenhaus ziehen: In der Seminarstraße 31 lebte sie auf engstem Raum zusammen mit anderen Juden. Es war die Station vor der Verschleppung. Im Dezember 1941 musste sie in einen Zug nach Riga steigen. Dort war sie ihren Mördern ausgeliefert. Jetzt erinnert ein Stolperstein an Rosalie Grünberg. Hans Eversmann hat sie nie vergessen.

Bildtext:
Hasetorwall 14: Hier lebte Rosalie Grünberg, bis Nationalsozialisten sie aus der Wohnung vertrieben und schließlich ermordeten.
Foto:
Jörn Martens

Stolpersteine
Messingplatten in den Gehwegen erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Deserteure, Menschen, die aus politischen und religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung oder einer psychischen Erkrankung ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts, dem sich europaweit Kommunen angeschlossen haben. Den Stolperstein für Rosalie Grünberg verlegten Jan Buddenkotte, Benjamin Cotie, Robin-Stephan Dirks, Shkumbin Karsniqi und Betim Ukaj, die das Berufsschulzentrum am Westerberg besuchen. Pate für den Gedenkstein ist Hans Eversmann. Das Büro für Friedenskultur nimmt Hinweise über das Schicksal von Opfern des NS-Regimes entgegen, Telefon 05 41/ 3 23 22 87.
Autor:
Jann Weber


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