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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Gertrudenberg: Wie sicher sind die Höhlen?
 
Streit um Gertrudenberger Höhlen
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker Zahnarzt verklagt die Bundesrepublik Deutschland
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Weil die Gertrudenberger Höhlen im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker genutzt wurden, klagt ein Zahnarzt aus Osnabrück gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er befürchtet, dass sein vor sieben Jahren errichteten Haus am Rande des Bürgerparks Schaden nehmen könnte, falls sich im Untergrund Gestein von der Decke eines Hohlraums lösen sollte. In ihrer mehr als 700-jährigen Geschichte haben sich die Höhlen zwar als sehr stabil erwiesen, und im Zweiten Weltkrieg dienten sie sogar als Schutzraum für 4000 Menschen, während oben die Bomben einschlugen. Aber in einem Gutachten wird eine solche Gefahr für die Zukunft nicht ganz ausgeschlossen. Die Bundesrepublik sieht sich aber nicht in der Verantwortung. Das wurde gestern vor dem Landgericht deutlich.

Osnabrück Sind die Gertrudenberger Höhlen vom Einsturz bedroht? Diese Sorge steht hinter einer Klage, die der Eigentümer einer Villa gegen die Bundesrepublik Deutschland führt. Vor dem Landgericht Osnabrück geht es um Einbauten, die 1943 veranlasst wurden, um das Gangsystem als Luftschutzraum zu nutzen. Bis zu 4000 Menschen suchten die Höhlen in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs auf. Und während oben ganze Häuserblöcke in Schutt und Asche gelegt wurden, konnten sich die Frauen, Männer und Kinder in den weit verzweigten Gängen unter dem Gertrudenberg ebenso sicher fühlen wie in den Bunkern mit Wänden aus meterdickem Beton. Die Höhlen sind schon vor mehr als 700 Jahren als unterirdischer Steinbruch entstanden. Um sie für den Luftschutz herzurichten, ließ das Deutsche Reich 1943 Zwischenwände, Toiletten und elektrische Leitungen einbauen.

Sicherheit gefährdet

Durch diese baulichen Veränderungen sei möglicherweise die Standsicherheit gefährdet worden, argumentiert ein Zahnarzt, der vor sieben Jahren ein exklusives Anwesen auf dem Gertrudenberg errichten durfte. Seine Klage richtet sich gegen den deutschen Staat als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs. Am Montag wurde die Angelegenheit vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts verhandelt. Obwohl der Einzelrichter auf eine Einigung drängte, gab es zwischen dem Kläger und der zuständen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) keine Annäherung.

Der Bundesrepublik gehört zwar keines der unterhöhlten Grundstücke auf dem Gertrudenberg, sie hat aber bis in die 90er-Jahre die Verantwortung für das Gangsystem übernommen, weil das damals noch als Luftschutzanlage für den Krisenfall bereitgehalten werden sollte. Mit dem Hinweis auf das Allgemeine Kriegsfolgengesetz verlangt der Kläger von der Bima, dass sie alle gegenwärtigen oder künftigen Gefahren beseitigt, die von dem Höhlensystem für sein Grundstück ausgehen könnten. Nach seiner Ansicht könnte es zu unterirdischen Deckeneinbrüchen und damit zu Schäden für sein Haus kommen.

Die Gefahr, dass im Untergrund etwas einstürzt, habe sich mit der Herrichtung zum Bunker im Zweiten Weltkrieg verschärft, argumentiert der Zahnarzt.

Er hält der Bima vor, dass sie 2013 angekündigt hatte, die unterirdischen Hohlräume zu verfüllen, um kein Risiko einzugehen. Doch dagegen hatten sich die Stadt Osnabrück und der Verein Gertrudenberger Höhlen gewandt, weil mit der Verfüllung des Gangsystems ein einzigartiges Kulturdenkmal unwiederbringlich zerstört würde.

Verfüllung oder Pfeiler

Weil inzwischen auch die Bima von diesem Vorhaben abgerückt ist, fordert der Kläger, im Hohlraum unter seinem Haus einen stabilen Betonpfeiler anzubringen. Damit sollen Bauschäden verhindert werden, die entstehen könnten, falls es in Zukunft zu unterirdischen Deckenabbrüchen kommen sollte. Nach einem Gutachten, das 2016 im Auftrag der Stadt Osnabrück erstellt wurde, soll ein solcher Stützpfeiler etwa 100 000 Euro kosten. Beides die Verfüllung und den Bau eines Pfeilers lehnt die Bundesrepublik ab: Die Ausschlussfristen für Ansprüche nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien längst abgelaufen.

Im Übrigen habe der Zahnarzt schon von den Höhlen gewusst, bevor er das Grundstück erwarb. Und eine konkrete Gefahr gehe von den unterirdischen Hohlräumen auch nicht aus. Mit den Bunkereinbauten von 1943 habe sich die Standfestigkeit im Übrigen nicht verschlechtert.

In der Verhandlung am Montag legte der Richter den Streitwert auf 287 500 Euro fest und ließ erkennen, dass er die Argumente der beklagten Bundesanstalt für gewichtiger hält als die des Klägers. Um eine gütliche Einigung herbeizuführen, schlug er vor, die Klage abzuweisen und der Bundesrepublik die Kosten des Verfahrens aufzubürden.

Weg in die zweite Instanz

Damit wäre die Angelegenheit beendet gewesen. Doch der Anwalt des Zahnarztes winkte mit dem Hinweis auf die Rechtsschutzversicherung ab und machte deutlich, dass er die Sache in die nächste Instanz bringen will. Ein Urteil soll es nun Mitte August geben.

Bildtexte:
Ein Relikt des Krieges: Diese Toilettenanlagen wurden 1943 in das Gangsystem unter dem Gertrudenberg eingebaut. Um diese und andere Einbauten geht es jetzt vor dem Landgericht.
Elektrische Leitungen aus dem Zweiten Weltkrieg sind an einigen Stellen des Höhlensystems noch zu erkennen.
Fotos:
Andreas Stoltenberg
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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