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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Sozialisten waren früher im OTB nicht willkommen
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Ein Blick in die Geschichte des Osnabrücker Turnerbundes: Vom Stall an die Obere Martinistraße
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Der 1876 gegründete Osnabrücker Turnerbund (OTB) gehört zu den steinalten Sportvereinen Osnabrücks, die es dennoch geschafft haben, sich an die jeweiligen Zeitströmungen anzupassen und attraktiv zu bleiben für alle, die sich körperlich betätigen wollen. Älter sind nur der MTV und der OTV (gegründet 1849 und 1861), die sich 1969 zum OSC zusammenschlossen. Gründungsanlass des OTB war ein Richtungsstreit unter Mitgliedern des MTV.

Streitpunkt Festumzug

Vorwiegend waren es Handwerker im MTV, die nicht länger bei den alljährlichen patriotischen Sedanfeiern mitmarschieren wollten. Sie spalteten sich ab und gründeten den Turnverein Vorwärts″. Aber auch unter der neuen Fahne hielt der politische Zwist an. 47 Mitglieder rieben sich an den ihrer Ansicht nach zu heftigen sozialistischen Tendenzen″. Die Wogen gingen hoch zwischen den eher nationalistisch und den eher sozialistisch Gesinnten. Vor einer entscheidenden Abstimmung schleuste die eine Seite so viele neue Mitglieder, größtenteils Zigarrenmacher, und darunter selbst Lahme und Krüppel″, in den Verein ein, dass dadurch die Mehrheit umgedreht wurde. Die andere Seite revanchierte sich, indem sie eine Gruppe von der Abstimmung ausschloss, weil sie angeblich mit ihren Beiträgen im Rückstand war.

Die 47 Rebellen″ treten schließlich aus dem TV Vorwärts″ aus. Sie gründen am 4. September 1876 den OTB unter der Maßgabe, daß kein Sozialist aufgenommen werden kann″, wie es im Gründungsprotokoll heißt. Alle Gründungsmitglieder sind Handwerker. So fällt es ihnen leicht, Geräte wie Barren, Reck, Turnpferd und Sprungständer selbst herzustellen. Übungsraum ist ein Stall des Wirtes Konersmann an der Bocksmauer 9. Von einem Lohgerber wird Lohe angeliefert, das ist die zuvor zum Gerben verwendete Baumrinde. Sie ergibt einen weichen Turnboden. Als Sprungmatten dienen Matratzen, als Beleuchtung Petroleumlampen.

Bessere Bedingungen herrschen ab 1882. Der Magistrat gestattet dem Verein, die städtische Turnhalle am Schloßwall gegen mäßiges Entgelt zu nutzen. Den vielen Abteilungen stehen je zwei Übungsstunden an zwei Wochenabenden zur Verfügung - das reicht schon bald nicht mehr aus. Und dann dreht der Hallenwärter auch noch überpünktlich um 22 Uhr das Licht aus nicht selten stehen die Turner im Unterzeug vor der Halle und sammeln mühsam Schuhe, Strümpfe, Schlips und Kragen zusammen. Der Wunsch nach einer Frauen- und Kinderabteilung drängt sich auf die Tagesordnung und verstärkt den Ruf nach dem Bau einer eigenen Turnhalle.

Sammeln für die Halle

Bei jeder Gelegenheit wird Geld für den Turnhallenbaufonds gesammelt. 1909 gelingt es, das Grundstück Schnatgang 54 (zwischen Parkstraße und Kiwittstraße) zu erwerben und noch im selben Jahr darauf eine Turnhalle zu errichten. Es ist die erste Halle im Turngau Osnabrück, die einem Verein gehört. Die Nutzfläche von 23 mal 11 Metern ist zwar bescheiden, aber die 263 Mitglieder sind stolz, nun endlich etwas Eigenes zu haben. Alle haben sich krumm gelegt mit Spenden und handwerklichen Eigenleistungen. 1909 geht die erste Frauen- und Knabenabteilung an den Start, 1910 die erste Mädchenabteilung.

Während des Ersten Weltkriegs kommt das Turnen fast völlig zum Erliegen. 51 Turner stehen im Felde″, die übrigen haben andere Sorgen, als ihre Freizeit zu gestalten. Nach der Niederlage und dem Ende der Monarchie genehmigt sich der OTB eine Satzung, die jetzt auch die Aufnahme von Sozialisten″ erlaubt. Zunächst vier Abteilungen (Männer, Frauen, Knaben, Mädchen) nehmen den geregelten Sportbetrieb wieder auf.

Leichtathletik gewinnt an Zuspruch. Außenplatz ist der Sportplatz Klushügel. Die Spielabteilung″ startet mit Faustball, Schlagball und Handball. Im Jahr des 50. Jubiläums 1926 ist der OTB mit 401 Mitgliedern der zweitgrößte Verein im Turngau Osnabrück nach dem OTV.

Die Zeit des Nationalsozialismus kostet den Verein die meisten jugendlichen Mitglieder, weil sie nahezu geschlossen der HJ, dem Jungvolk und dem BDM beitreten müssen. Die Erwachsenen-Abteilungen stehen hingegen zunächst noch gut da, weil die Leibesertüchtigung den Zielen der NS-Ideologie entgegenkommt. Der Bombenangriff Palmsonntag 1945 aber zerstört die Sporthalle am Schnatgang und damit das bisher geleistete Aufbauwerk. Das Vereinsleben ruht.

Nach der Stunde null

Es lebt erst 1947 wieder auf. Übergangsweise kann die Turnhalle der Teutoburger Schule in eng begrenzten Zeitfenstern genutzt werden, außerdem für Spiel und Leichtathletik der Sportplatz Koksche Straße an einem Abend. Das reicht für die 262 Mitglieder nicht aus. Da der Wiederaufbau der eigenen Turnhalle am Schnatgang nicht möglich ist, erhält man von der Stadt die Genehmigung, die weniger beschädigte städtische Turnhalle der Höheren Mädchenschule (Heinrichstraße 48) wieder aufzubauen. Dank dem nach wie vor stark unter den Mitgliedern vertretenen Handwerk geht man darauf sofort ein. In 3800 freiwilligen und unbezahlten Arbeitsstunden wird aus der Ruine eine Übungsstätte errichtet. 13 Jahre lang, von 1949 bis 1962, bleibt diese Halle die Heimat des OTB.

In den 1950er-Jahren zeichnet sich ab, dass die Halle mittelfristig einer neuen städtischen Sporthalle zwischen Schlosswall und Heinrichstraße wird weichen müssen. Nach langen Verhandlungen räumt die Stadt 1961 dem OTB das Erbbaurecht an einem 2680 Quadratmeter großen Grundstück an der Oberen Martinistraße ein. In unmittelbarer Nähe zu der städtischen Zentralen Sportanlage Illoshöhe gelegen, ist das ein idealer Standort. Erneut in Eigeninitiative entsteht mit einem Finanzvolumen von 750 000 DM nach dem Entwurf von Architekt Werner Rehage eine teilweise aufgeständerte Sporthalle mit einem Jugendraum″ und einer Hausmeisterwohnung, feierlich eröffnet am 5. April 1962.

Stürmische Entwicklung

In den folgenden Jahrzehnten beschreibt der Verein eine stürmische Entwicklung, die durch eine stetige Erweiterung der baulichen Anlagen, Mitgliederzuwachs auf in der Spitze 3200, eine enorme Ausdifferenzierung der angebotenen Sportarten und finanzielle Überdehnungen bis hin zum drohenden Konkurs 1993 gekennzeichnet ist. Stadt, Stadtsparkasse und eigener ehrenamtlicher Einsatz helfen dem Verein, wirtschaftlich zu gesunden.

Einige Meilensteine: 1965 Schließung des Luftgeschosses″ unter der Halle zugunsten eines Club- und Tanzraums, dadurch Fortfall der überdachten Parkplätze. 1973/ 74 Bau des Spiel- und Sport-Kindergartens und des Schwimmbades, 1980 erster OTB-Silvesterlauf mit 181 Teilnehmern (bei der 40. Auflage 2019 waren es 3365), 1982 Aufgabe des Schwimmbads aus finanziellen Gründen, 1988 Einweihung der Gymnastikhalle im ehemaligen Schwimmbad. 1996 formiert sich die Schnelle Eingreiftruppe″, bestehend aus handwerklich begabten Vereinsmitgliedern, die seither in ungezählten und unbezahlten Arbeitsstunden Sanierungen und Umbauten geleistet haben. 2005/ 2006 Bau der Ballsporthalle auf der ehemaligen Rollschuhbahn, 2014/ 15 Bau des Fitnesscenters Athleticum″.

Der Verein glänzt heute mit einer vielfältigen und immer wieder modernisierten baulichen Infrastruktur und einem kaum noch überschaubaren Angebot an Sportarten und Gesundheitskursen. Dabei übt er sich, wie es der Osnabrücker Sportjournalist Johannes Kapitza einmal ausdrückte, in einem ständigen Spagat zwischen Tradition und Moderne, zwischen Leistungs- und Breitensport, zwischen Großverein und familiärer Atmosphäre.

Bildtexte:
Die OTB-Halle an der Oberen Martinistraße wurde im April 1962 eingeweiht. Das Foto aus der Zeit nach 1965 zeigt bereits eine erste Veränderung, nämlich die Schließung und bauliche Nutzung des Luftgeschosses″ unter der aufgestelzten Halle.
Hinter den Bäumen erkennt man die erhaltene Grundstruktur der Halle. Verglasung und Dachaufbau wurden zwischenzeitlich modernisiert..
Die erste eigene OTB-Halle stand von 1909 bis 1945 am Schnatgang.
Kräftige Männer in Strumpfhosen zeigen 1898 ihr Können.
Die Frauenriege des OTB im Jahr 1911.
Barrenturner in der alten Halle des OTB am Schnatgang.
Die siegreichen OTB-Turnerinnen Timmer, Rommel, Blume und Brinkkötter im Jahr 1935.
Gut gelaunte OTBer auf dem Weg zum Deutschen Turn- und Sportfest 1938 in Breslau.
Erstverglasung der straßenseitigen Fassade mit damals hochgepriesenen Zellenglas-Bauelementen. Später wurden diese durch Glasbausteine ersetzt, die wiederum 2002 Fenstern mit klar durchsichtigem Isolierglas weichen mussten.
Glaser bei der Montage von Zellenglas-Bauelementen, 1962.
Ballgymnastik-Darbietungen zur Feier des 90-jährigen Jubiläums 1966 in der Schlosswallhalle.
Fotos:
Atelier Strenger/ Grovermann, Joachim Dierks, Archiv Dieter Mehring/ Joh. Eberhard Joh. Eberhard, Osnabrück, Archiv OTB/ Regina Wehmeier, Archiv Glas Hansel
Autor:
Joachim Dierks


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