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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Regionalstrom ab 2021 für alle Osnabrücker
 
Kohleausstieg tut Osnabrück richtig weh
Zwischenüberschrift:
Jahresgewinn von 2019 wird zum großen Teil zurückgestellt
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Die Stadtwerke wollen ab 2021 jedem Privatkunden regional produzierten Ökostrom liefern. Dieses Versprechen gab gestern Abend Stadtwerke-Vorstand Christoph Hüls in der Hauptversammlung ab. Schwerpunkt werde die Fotovoltaik sein. Wir schließen Lieferverträge mit regionalen Anlagenbetreibern″, sagte Hüls. Vorstandskollege Stephan Rolfes räumte ein, dass die 2019 gestartete, tief greifende Reform des Busnetzes teurer wird als geplant. Ursache seien vor allem steigende Personalkosten durch höhere Löhne für die Busfahrer. Das Jahresergebnis 2019 bleibt mit 3, 15 Millionen Euro weit hinter den Erwartungen zurück, obwohl die Stadtwerke gute Geschäfte gemacht haben. Schuld sind Rückstellungen für hohe finanzielle Belastungen, die aus dem Kohleausstieg entstehen.

Osnabrück Die Stadtwerke Osnabrück retten sich 2019 mit einem schmalen Gewinn von 3, 15 Millionen Euro über die Ziellinie. Das reicht gerade, um der Stadt die versprochene Ausschüttung von drei Millionen Euro zu überweisen. Was ist da passiert?

Die Kohle: Es ist der Kohle-Kompromiss, der der eigentlich hoch profitablen städtischen Tochtergesellschaft in die Bilanz 2019 schlägt. Genauer gesagt: das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG). Stadtwerke-Vorstandsvorsitzender Christoph Hüls ließ am Montagabend bei der Jahreshauptversammlung im Theater etwas von seinem Frust ab über die, wie er findet, unfaire Behandlung der Steinkohle-Kraftwerke im Ausstiegsprozess.

Das Gesetz, das aktuell im Bundestag zur Debatte steht, sieht vor, die Braukohlekraftwerke zum Teil bis 2038 am Netz zu belassen und die Betreiber für die vorzeitige Abschaltung zu entschädigen. Steinkohlekraftwerke sollen ab 2027 schrittweise stillgelegt werden allerdings ohne Entschädigung für die Betreiber, zu denen auch die Stadtwerke Osnabrück zählen. Das kommunale Unternehmen hält 5, 28 Prozent am noch jungen Trianel-Kraftwerk in Lünen, das vermutlich 2032 abgeschaltet wird. Die Folge: Die Stadtwerke müssen Rücklagen bilden, um die Kosten des Ausstiegs auffangen zu können. Acht Millionen legt das Unternehmen dafür jetzt zur Seite.

Deshalb steht unterm Strich des Jahres 2019 nur ein verhältnismäßig kleiner Gewinn von 3, 15 Millionen Euro. Drei Millionen fließen in den städtischen Haushalt das ist politischer Wille und seit Jahren so üblich. Was die Stadtwerke darüber hinaus erwirtschaften, verbleibt in der Regel als Eigenkapital im Unternehmen. Aus 2019 fließen also nur mickrige 150 000 Euro ins Eigenkapital.

Wie sehr das schmerzt, zeigt ein Vergleich mit den Zahlen der Vorjahre: 2017 erzielten die Stadtwerke einen Überschuss von zehn Millionen Euro, 2018 von acht Millionen. Für 2019 wäre ein operatives Ergebnis in ähnlicher Größenordnung zu erwarten gewesen, so Hüls. Doch dann kam der Kohle-Kompromiss.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Hüls äußerte die Hoffnung, dass im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen möglich sind und auch die Steinkohle-Kraftwerksbetreiber eine Entschädigung erhalten, wenn die Schalter umgelegt werden.

Der Nahverkehr: Noch nicht verdaut ist die tief greifende Umstellung des Busnetzes, die im vergangenen Jahr angelaufen und 2020 zum Abschluss gebracht werden soll. Klar ist: Diese größte Reform des Nahverkehrs seit Jahrzehnten wird teurer als kalkuliert. Unklar ist die Größe der Lücke, die durch Geld aus dem städtischen Haushalt geschlossen werden soll. Treiber sind die Personalkosten. Es werden mehr Kilometer gefahren, also werden auch mehr Fahrer gebraucht. Und die privaten Busunternehmen, die für die Stadtwerke fahren, müssen höhere Löhne zahlen, um neue Fahrer zu gewinnen, wie Mobilitätsvorstand Stephan Rolfes erklärte. Wofür es Applaus von der Linken-Ratsfrau Giesela Brandes-Steggewentz gab.

Erschwerend kommen die Folgen der Corona-Pandemie hinzu. Die Busse sind deutlich leerer. Corona verändert das Mobilitätsverhalten″, sagte Rolfes. Er geht davon aus, dass sich in einer mehrjährigen Phase″ der Nahverkehr überall einem digital gesteuerten Netz von kleineren, bedarfsgesteuerten Linien und Bussen″ entwickeln wird.

Der Regionalstrom: In der Stromversorgung wollen die Stadtwerke 2021 Maßstäbe setzen: Dann sollen alle Privatkunden mit regional erzeugtem Ökostrom versorgt werden. Regionalstrom″ heißt das Programm, das sich vor allem aus Fotovoltaik speist. Dazu brauchen die Stadtwerke Partner, die ihre Dächer zur Verfügung stellen oder selbst Sonnenstrom erzeugen. Die Umstellung werde für die Kunden preisneutral sein, wie Hüls verspricht.

Die Rabatte: Die Stadtwerke wollen noch in diesem Sommer einen seit Jahren diskutierten Rabatt-Plan umsetzen: Osnabrücker, die Strom oder Gas von den Stadtwerken beziehen, sollen an anderer Stelle in den Genuss von Preisnachlässen kommen zum Beispiel an den Bäderkassen. Details sind noch nicht bekannt, aber das Ziel ist abgesteckt: Bis Ende Juli/ Anfang August wollen wir das umsetzen″, sagte Hüls.

Der Mehrwert: Die wirtschaftliche Schubkraft der Stadtwerke für die Region hat 2019 nicht unter dem Kohle-Ausstieg gelitten. Das Unternehmen hat aus eigenen Mitteln über 53 Millionen Euro investiert. Gut die Hälfte davon floss in den Ausbau der Telekommunikation und Wasserversorgung.

Insgesamt kauften die Stadtwerke für 42 Millionen Euro in der Region Waren und Dienstleistungen ein. Ihre wirtschaftliche Bedeutung unterstreichen die Stadtwerke immer gern mit einer Zahl, die den sogenannten Mehrwert für Osnabrück ausdrücken soll: 35, 3 Millionen Euro. Das ist die Summe, die die Stadtwerke 2019 durch die Zahlung von Konzessionsabgaben und Steuern sowie durch Verlustabdeckungen im Nahverkehr und Bäderbereich in die öffentliche Hand gaben.

Bildtext:
Die Beteiligung am Steinkohlekraftwerk Lünen ist für die Stadtwerke Osnabrück ein Minusgeschäft.
Foto:
imago/ Hans Blossey

Kommentar
Die Versprechungen der Politik

Wie man sich doch täuschen kann. Als die Stadtwerke sich Ende 2017 vom Pannenkraftwerk Gekko in Hamm trennten und gleichzeitig ihren Anteil am Kohlekraftwerk in Lünen erhöhten, erwartete Stadtwerke-Chef Christoph Hüls nach eigenen Worten ein sehr gutes Geschäft″. Selbst Kritiker hielten die Umschichtung unter rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung für sinnvoll. Heute zeigt sich: Die Kohle war wohl kein gutes Geschäft und auch noch das falsche politische Signal.

Der finanzielle Schaden, der den Stadtwerken durch das Kohle-Engagement entstanden ist, dürfte bei einem ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag liegen. Es wäre aber unfair, die Schuld auf das Stadtwerke-Management zu schieben. Wichtig ist, die Entscheidungen unter den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen zu bewerten, die sich manchmal blitzartig änderten. Erst Atomausstieg, dann Laufzeitverlängerung und dann Fukushima.

Investitionsentscheidungen im Kraftwerkbau sind aber auf Jahrzehnte und nicht auf Legislaturperioden ausgerichtet. Hilfreich wäre es gewesen, hätte Deutschland in den letzten zwanzig Jahren einen verlässlichen Masterplan in der Energiepolitik gehabt, der den Betreibern Planungssicherheit gegeben hätte. Die Stadtwerke haben wie andere Betreiber auf die politischen Vorgaben reagiert und sehen nun den wahren Preis.

w.hinrichs@ noz.de
Autor:
Wilfried Hinrichs


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