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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Hotel, Kino, Kaufhaus – und jetzt?
Zwischenüberschrift:
Osnabrücker Galeria-Kaufhof-Standort hat eine lange Geschichte
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Wer nach 1955 geboren ist, kennt das Grundstück im Eck von Möser- und Wittekindstraße nur als Kaufhaus-Standort. Damit ist es nun bald vorbei. Der generelle Wandel im Käuferverhalten, ein lokales Abrutschen der Einzelhandelslage und aktuelle Umsatzverluste durch Corona haben die Schließung der Osnabrücker Galeria-Kaufhof-Filiale ausgelöst. Ein Blick zurück zeigt: Die Geschichte des Standorts ist eine Geschichte des Wandels. Ob das Trost spenden kann?

Der optimistisch gemeinte Spruch Handel ist Wandel″ zeigt gerade seine bitterböse Seite. Für die Beschäftigten, aber auch für die Stadt, die eine weitere Verödung der City und eine Betonbrache an exponierter Stelle befürchten muss. Die ehemalige Hertie-Immobilie und die verfahrene Lage am Neumarkt sind warnende Beispiele. Dabei war der Galeria-Standort, der heute unter dem Gesichtspunkt der Käuferströme nur als B-Lage einzustufen ist, in den Gründerjahren höchst attraktiv

Der Grund: Er lag im Schnittpunkt zweier Bahnhofstraßen. Eine hieß tatsächlich so, heute ist es die Wittekindstraße. Sie lief auf den ersten Osnabrücker Bahnhof zu, den 1855 eröffneten Hannoverschen Bahnhof. Die zweite ist die Möserstraße, die nach 1895 den neuen Central-Bahnhof″ mit der Innenstadt verband. Fernreisende kamen früher immer mit der Bahn in einer Stadt an, Auto und Flugzeug standen noch nicht zur Verfügung. Wie in den meisten deutschen Mittel- und Großstädten sollte auch in Osnabrück die auf den Bahnhof zulaufende Straße den ankommenden Reisenden mit einem großzügigen Entrée empfangen.

Erfolgreiches Hotel

Das gelang durchaus. An der Bahnhofstraße waren es Hotels, Banken und Sparkassen mit repräsentativer Architektur, an der Möserstraße die Sitze verschiedener Großhandlungen, die Handelskammer und die Filiale der Reichsbank. Die Kreuzung Möserstraße/ Wittekindstraße wartete mit Kaiserlicher Post, Telegrafenamt, Handwerkskammer und dem ersten Hotel am Platze″ gleich mit mehreren Schwergewichten auf.

Der Hotel-Standort ist derjenige, um den es jetzt aktuell geht, denn erst nach dem Krieg wurde er zur Kaufhaus-Adresse. Industrialisierung und aufblühende Wirtschaft bescherten der Stadt im ausgehenden 19. Jahrhundert viele Übernachtungsgäste. 1894 hatte Albert Drüge dort das Hotel Drei Kronen″ übernommen. Er gestaltete die vorhandene Außenanlage, die bis zur Hase hinunterreichte, in einen Lustgarten um, der den Gästen alle denkbaren Annehmlichkeiten bot.

Dazu gehörten Sitzgelegenheiten in Veranden und auf Terrassen, überdachte Wandelgänge, ein Gehege für possierliche Eichhörnchen und eine große Vogelvoliere. In der Mitte sorgte ein Springbrunnen im Sommer für leicht gekühlte Luft, eine Konzertmuschel bot die Bühne für musikalische Unterhaltung aller Art. Selbstverständlich gab es einen Bootsanleger am Haseufer. Im Winter pumpte Drüge Hasewasser in den Garten, ließ es gefrieren und bereitete so seinen Gästen Eislaufvergnügen.

1903 übernahm der gelernte Koch und ehrgeizige Gastronom Eduard Petersilie den Standort. Er ließ das eher biedere Drei-Kronen-Hotel abreißen und setzte an die gleiche Stelle einen auffälligen Neubau mit historisierenden Türmchen und Schaugiebeln, das Hotel Germania. Es galt bald als Erstes Haus am Platze″, oder, wie es in der Eigenwerbung hieß, eines der besuchtesten Häuser der Provinzialstädte Nordwestdeutschlands″, mit 56 Zimmern, gepflegtem Restaurant- und Saalbetrieb, Weinstuben, Kleinkunstbühne und besagtem großen Kaffee- und Konzertgarten.

Auftritt in Roman

Petersilie festigte den Geschäftserfolg seines Hauses in den 1930er-Jahren wohl auch durch gute Kontakte zu den Osnabrücker Größen des NS-Regimes. Erich Maria Remarque nahm Petersilie in seinem Osnabrück-Roman Der schwarze Obelisk″ aufs Korn, indem er ihm den Namen Eduard Knobloch verpasste, dessen dichterische Ambitionen karikierte und ihn auf kleine Schummeleien mit inzwischen wertlos gewordenen Essensmarken hereinfallen ließ.Bomben verändern alles

Man muss festhalten: Als Hotelstandort hat das besagte Grundstück seinerzeit durchaus funktioniert, nicht zuletzt wegen des Konzertgartens mit der Anbindung an das Haseufer. Der Bombenkrieg setzte dieser Idylle ein Ende. Das Hotel lag in Trümmern und wurde nicht wiederaufgebaut, Germania″ als Sinnbild der streitbaren Nationalgestalt hatte nach dem verlorenen Krieg nichts mehr zu melden.

Ein im Germania-Garten errichteter Rundbunker erschwerte zunächst die neue Nutzung des Grundstücks. Als der Kinounternehmer Karl Conrady 1947 das Central-Kino″ entlang der Nordgrenze des Germania-Gartens″ plante, schreckte er vor den Abrisskosten zurück und legte das Fundament für den aus Baracken-Fertigteilen bestehenden Kinosaal so, dass er direkt vor dem Bunker endete.

1955 begann die Karriere des Grundstücks als Kaufhaus-Standort. Aus Germania″ wurde Merkur″, der römische Gott der Händler (und der Diebe). Das passte besser in die Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs. Das erste Kaufhaus Osnabrücks bot in sechs Etagen eine Verkaufsfläche von 6800 Quadratmetern. In den ersten Tagen nach der Eröffnung im Juli 1955 sollen 40 000 Menschen die Etagen des zu der Zeit angeblich modernsten Kaufhauses Deutschlands″ regelrecht gestürmt haben. Sie wollten den Beginn eines neuen Abschnitts der Verbraucherversorgung Osnabrücks und seines Hinterlandes″ miterleben, wie das Osnabrücker Tageblatt″ schrieb. Die Osnabrücker Jugend hatte noch andere Motive: Sie drängte sich schon in den frühen Morgenstunden vor Türen und Fenstern und bekundete freimütig: Wir wollen Rolltreppe fahren mindestens zwei Stunden!

Skepsis beim Handel

Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten waren vonseiten der angestammten Kaufmannschaft allerdings auch verhalten kritische Töne zu hören. Handelskammer-Geschäftsführer Günther Stucke etwa erwähnte, dass die Errichtung des Kaufhauses mit unterschiedlichen Gefühlen aufgenommen″ worden sei. Viele Einzelhändler, aber auch einige Großhändler hätten gewisse Beklemmungen″, weil sie fürchteten, den Wettbewerb gegen den neuen Giganten im Osnabrücker Handel″ nicht bestehen zu können. Dem hielt Generaldirektor Dr. Fonk von der Merkur-AG entgegen, dass so oder so die Warenverteilung einen tief greifenden Strukturwandel erlebe″. Gleichzeitig sicherte er eine faire und vornehme Konkurrenz″ zu.

Die Kaufhaus-Kette Merkur ging zurück auf eine Unternehmensgründung der jüdischen Familie Schocken in Zwickau/ Sachsen 1901. 1938 kam es zur Zwangs- Arisierung″. Die Schocken-Brüder mussten ihre Anteile an ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank verkaufen. Aus der Schocken-AG wurde die Merkur-AG. 1949 erhielt Salman Schocken seine Anteile zurück. 1953 verkaufte er den bereits wieder florierenden Kaufhauskonzern an Helmut Horten. Der behielt den eingeführten Namen Merkur für eine Reihe von Kaufhaus-Neueröffnungen bei, so auch in Osnabrück, während er gleichzeitig aber auch schon Häuser unter dem Namen Horten aufmachte.

1964 erfuhr das Osnabrücker Haus eine tief greifende Neugestaltung und firmierte nun auch unter Horten″. Das Central″-Kino und der Hochbunker wurden abgerissen, um Platz für ein Parkhaus und einen Anbau mit 2000 Quadratmeter zusätzlicher Verkaufsfläche zu schaffen.

Gleichzeitig bekam die Fassade 9000 Keramikelemente vorgehängt, die sogenannten Hortenkacheln″. Architekt Egon Eiermann, bekannt unter anderem durch den Bau der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, entwarf die Fassadenelemente, die alle Horten-Häuser einheitlich erkennbar machen sollten. Leider hatte Eiermann nicht berücksichtigt, dass Tauben ideale Nistmöglichkeiten in den Waben entdeckten. Folglich wurden sie ab den 1970er-Jahren mit Drahtnetzen überspannt, was ihren architektonischen Reiz nicht unbedingt erhöhte.Prägende Wabenfassade

Die Hortenkacheln″ überdauerten auch den Verkauf der Warenhauskette an die Kaufhof-AG 1994. Nach neun Jahren unter dem Namen Merkur″ und 30 Jahren als Horten″ prangte nun der Schriftzug Galeria Kaufhof″ an der Fassade. Der Name blieb, als 2019 die österreichische Signa-Holding Karstadt und Kaufhof unter dem gemeinsamen Namen Galeria-Karstadt-Kaufhof fusionierte. Am vergangenen Freitag verkündete der finanziell angeschlagene Konzern die Schließung der Osnabrücker Filiale als einer von 62 Filialen in Deutschland. Was nun aus der Immobilie wird, die einer britischen Fondsgesellschaft gehört, ist derzeit völlig offen.

Bildtext:
Das Kaufhaus Merkur″ an der Wittekindstraße setzte einen ersten städtebaulichen Akzent des neuen Bauens nach dem Krieg an Osnabrücks Ost-West-Achse. Die Aufnahme entstand 1957, zwei Jahre nach der Eröffnung. Vorne links sieht man den im Rohbau fertiggestellten Neubau der Stadtsparkasse.
Das Horten-Restaurant Kupferspieß″ hatte sich 1970 ganz auf die Fußball-WM in Mexiko eingestellt.
Aus Merkur″ wurde Horten″, aus Horten″ wurde Galeria Kaufhof″. In zurückgesetzten Baufluchten beherrschen heute das Kaufhaus und die Sparkasse (links) die Kreuzung.
Einen Gruss von der Eisbahn″ im Drei-Kronen-Garten verschickten 1898 Gäste des gleichnamigen Hotels an ihre Lieben. Auf der Fläche steht heute der Galeria Kaufhof.
Das Hotel Germania″ um 1928. Die Straßenbahn kommt aus der Wittekindstraße und biegt in die Möserstraße Richtung Hauptbahnhof ein. Rechts die Hauptpost mit dem Telegraphenamt. Die Aufnahme zeigt die ganze Pracht des noch unzerstörten wilhelminischen Historismus an dieser bedeutenden Kreuzung.
Erster Neubau auf dem Germania″-Grundstück nach der Kriegszerstörung des Hotels waren die Central″-Lichtspiele in der Bildmitte, die den US-Spielfilm Liebesbriefe″ ankündigen. 1954 stand noch immer der als Fahrradstand benutzte Rundbunker auf dem abgeräumten Ruinengrundstück.
Das Horten-Parkhaus entstand 1964 auf der Hase-Seite.
Zur Horten-Neueröffnung 1964 spielt die Original Egerländer Blaskapelle″.
Die Wabenfassade schafft 1964 eine neue Optik. Der Name des Kaufhauses wechselt von Merkur″ zu Horten″.
Fotos:
Georg Bosselmann, Walter Fricke, Joachim Dierks, Archiv Glüsenkamp, A. Wiechmann, Hebig, Archiv Horst Veihmeyer, Erdtmann
Autor:
Joachim Dierks


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