User Online: 6 |
Timeout: 11:22Uhr ⟳ |
Ihre Anmerkungen
|
NUSO-Archiv
|
Info
|
Auswahl
|
Ende
|
A
A
A
Mobil →
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Themen ▾
Baumschutz (112)
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) (360)
Die Arbeit der Stadtgaertner seit 1891 (975)
Die Hase und ihre Nebengewaesser (3007)
Gartenprojekte (22)
Klimageschichte (seit 1874) (162)
Konflikte um Kleingarten (25)
Konversionsflaechen (245)
Kooperation Baikal-Osnabrueck (25)
Umweltbildungszentrum(UBZ)1997-2018 (108)
Verein für Ökologie und Umweltbildung Osnabrueck (324)
Suche ▾
Einfache Suche
Erweiterte Suche
Listen ▾
Orte in Osnabrück
Themen zu Umwelt und Nachhaltigkeit
AkteurInnen
Bildung
Auswahllisten für wichtige Themen (im Aufbau)
Erscheinungsdatum (Index)
Ergebnis
Merkliste ▾
Merkliste zeigen
Merkliste löschen
Datensätze des Ergebnis
Suche:
Auswahl zeigen
Treffer:
1
Sortierungen:
Datum vorwärts
Datum rückwärts
1.
Erscheinungsdatum:
20.06.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Inhalt:
Zeitreise
Überschrift:
Wie die Nazis Lüstringer Schulkinder einspannten
Zwischenüberschrift:
Raupenzucht, Altmaterial- und Heilkräutersammlungen im Osnabrück der Kriegszeit
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Nach
dem
Beginn
des
Zweiten
Weltkriegs
war
an
den
Import
von
Fallschirmseide
nicht
mehr
zu
denken.
Die
Fallschirmjägertruppe
brauchte
aber
Fallschirme
–
und
zwar
in
großer
Zahl.
Daher
wurden
Volksschulen
im
ganzen
Reich
angehalten,
Seidenraupen
heranzuziehen.
Auch
Schüler
im
Osnabrücker
Land
machten
mit,
in
Lüstringen
zum
Beispiel
Reinhard
Loxtermann.
Der
heute
89-
jährige
pensionierte
Hochschullehrer
für
Botanik
und
Pflanzenbau
hat
als
Schriftführer
des
Bürgervereins
Darum-
Gretesch-
Lüstringen
schon
an
mehreren
heimatkundlichen
Publikationen
mitgewirkt.
Da
lag
es
nahe,
auch
eigene
Erlebnisse
in
der
Kriegs-
und
Nachkriegszeit
aufzuschreiben.
Man
müsse
doch
„
festhalten,
was
war″,
sagt
er,
damit
gerade
auch
nachkommende
Generationen
erfahren,
wo
man
herkommt
und
welche
Entwicklung
die
Gesellschaft
genommen
hat.
Zu
den
Absonderlichkeiten
des
Autarkiestrebens,
in
das
sich
eine
nationalistische
und
kriegstreibende
Politik
verrannte,
gehört
für
ihn
das
Kapitel
Seidenraupenzucht.
Loxtermann,
dessen
Großvater
und
Vater
Hauptlehrer
und
Schulleiter
in
Lüstringen
waren,
ging
1941
in
die
vierte
Klasse
der
zuvor
katholischen,
unter
den
Nazis
aber
zur
Gemeinschaftsschule
umgewidmeten
Volksschule
Lüstringen.
Deren
Gebäude
in
der
Waldstraße
37
gibt
es
noch,
es
ist
sehr
schön
renoviert
und
heute
Sitz
einer
Unternehmensberatungsgesellschaft.
Damals
brachte
Lehrer
Heinrich
Janßen
eines
heiteren
Frühsommertages
eine
kleine
Papiertüte
voller
Seidenraupeneier
mit
in
den
Klassenraum.
Die
wurden
auf
eine
Untertasse
geschüttet
und
auf
der
Fensterbank
in
die
Sonne
gestellt.
Nach
einigen
Tagen
schlüpften
daraus
kleine
Raupen.
„
Wir
hielten
frische
Maulbeerblätter
darüber,
und
sofort
krochen
die
Raupen
darauf
und
begannen
zu
fressen.
So
konnten
wir
sie
auf
ein
Gerüst
tragen,
das
in
der
Ecke
des
Klassenraumes
aufgestellt
war″,
erinnert
sich
Loxtermann.
In
das
Gerüst
waren
übereinander
drei
oder
vier
Holzroste
eingehängt,
etwa
1
mal
1,
20
Meter
groß.
„
Wir
mussten
die
Raupen
täglich
mit
frischen
Blättern
versorgen.
Dazu
legten
wir
große
Packpapierbögen
mit
Löchern,
etwa
so
groß
wie
ein
Markstück,
auf
die
Tiere
und
darauf
frische
Maulbeerzweige″,
so
Loxtermann.
Nach
kurzer
Zeit
konnten
die
Schüler
die
Bögen
mit
den
Raupen
anheben
und
die
alten
Zweige
darunter
samt
dem
Kot
der
Tiere
entsorgen.
Die
Maulbeerbüsche
wuchsen
nicht
bei
der
katholischen
Schule,
sondern
auf
dem
Schulhof
der
evangelischen
Schule.
Die
stand
ein
paar
Hundert
Meter
weiter,
ebenfalls
auf
dem
Lüstringer
Berg.
Der
sogenannte
Neubau
der
Schule
befand
sich
auf
der
Südseite
des
Schledehauser
Weges,
etwa
auf
Höhe
der
heutigen
Hausnummern
112
bis
118.
Das
Schulgebäude
wurde
1981
abgerissen
und
machte
der
heutigen
Wohnbebauung
Platz.
Besagte
Maulbeerbüsche
waren
damals
am
Rande
des
Schulhofs,
der
sich
parallel
zum
Schledehauser
Weg
erstreckte,
auf
einer
Länge
von
etwa
80
Metern
in
einer
Doppelreihe
gepflanzt.
Seidenraupen
mögen
das
frische
Blattgrün
gerade
dieser
Pflanze.
Von
anderen
Blättern
halten
sie
hingegen
nichts
und
würden
darauf
nur
langsam
oder
gar
nicht
wachsen.
Loxtermann
und
seine
Klassenkameraden
fütterten
also
die
hungrigen
Raupen
und
beobachteten,
wie
sie
immer
größer
wurden.
Als
sie
etwa
die
Dicke
eines
kleinen
Fingers
angenommen
hatten,
hörten
sie
auf
zu
fressen
und
suchten
einen
Platz
zum
Verpuppen.
„
Dazu
haben
wir
ihnen
Ginsterzweige
in
das
Gerüst
gestellt,
an
denen
sie
heraufkrochen
und
sich
mit
ihren
Seidenfäden
einspannen.″
Mit
dem
weiteren
Herstellungsprozess,
dem
Abtöten
der
Kokons,
dem
Abspulen
der
Fäden
und
so
weiter,
hatten
die
Schüler
dann
nichts
mehr
zu
tun.
Die
Seidenraupenzucht
war
nicht
der
einzige
Dienst
zum
Nutzen
der
nationalsozialistischen
Volkswirtschaft,
zu
dem
Schüler
in
ländlichen
Gegenden
herangezogen
wurden.
Von
den
Altmaterialsammlungen
hat
der
Bürgerverein
mehrere
Bilder
zusammengetragen,
unter
anderem
eines,
das
den
Abtransport
eines
großen
Kessels
und
mehrerer
Zinkwannen
zeigt.
Der
Singsang
„
Eisen,
Lumpen,
Knochen
und
Papier
–
ausgeschlagene
Zähne
sammeln
wir″
diente
dazu,
dass
die
aufgesuchten
Anwohner
ihre
Keller
und
Schuppen
öffneten.
„
Alte
Wasserleitungen
aus
Blei
brachten
besonders
viele
Punkte″,
weiß
Loxtermann
noch.
Denn
für
die
Schüler
wurde
die
Aktion
dadurch
reizvoll
gemacht,
dass
es
nach
einem
bestimmten
Schema
Punkte
gab.
Die
fleißigsten
Sammler
wurden
dann
zu
bestimmten
Anlässen
besonders
belobigt.
Loxtermann
war
auch
an
der
Sammlung
von
Heilkräutern
beteiligt.
Die
wurden
getrocknet,
um
daraus
Tees
oder
Medikamente
herzustellen.
Blätter
von
Brombeeren,
Himbeeren,
Erdbeeren,
Linden,
Brennnesseln,
Schafgarbe,
Huflattich,
Spitz-
und
Breitwegerich
waren
begehrt,
sie
wurden
ebenso
wie
die
Blüten
von
Holunder,
Weißer
Taubnessel
und
Rainfarn
auf
den
Dachboden
der
Schule
gebracht
und
zum
Trocknen
ausgebreitet.
„
Die
Pflanzen
wurden
teils
nachmittags
in
unserer
Freizeit
gesammelt,
manchmal
aber
auch
während
der
Schulzeit.
Das
war
dann
Biologieunterricht″,
erzählt
Loxtermann.
„
Die
ganze
Schule
verströmte
im
Sommer
den
intensiven
Geruch
der
trockenen
Pflanzen.″
Einige
Schüler
waren
eingeteilt,
den
Trocknungsprozess
zu
überwachen.
Vor
allem
in
den
ersten
Tagen
nach
der
Ernte
mussten
die
Pflanzen
gewendet
werden.
Wenn
trocken
waren,
wurden
sie
in
große
Jutesäcke
gefüllt,
die
zugenäht
und
hoch
aufgepackt
auf
einem
Opel-
Blitz-
Lastwagen
abtransportiert
wurden.
„
Diese
Aktionen
waren
ja
durchaus
sinnvoll,
auch
wenn
sie
in
einer
Diktatur
stattfanden″,
meint
Loxtermann
heute,
„
ich
habe
jedenfalls
fast
nur
angenehme
Erinnerungen
daran.″
Bildtexte:
Spaß,
Sport
und
Nutzen:
Der
Schulgarten
in
Lüstringen
wird
1936
mit
„
Kinderanspannung″
gepflügt.
Heutzutage
würde
man
für
eine
derartige
Aktion
sicherlich
vom
Kinderschutzbund
gerügt.
Lüstringer
Schüler
beim
Verladen
der
gesammelten
und
getrockneten
Heilkräuter,
um
1940.
Dr.
Reinhard
Loxtermann
ist
der
alteingesessene
Chronist
des
Lüstringer
Schulwesens.
Fotos:
Archiv
des
Bürgervereins
Darum-
Gretesch-
Lüstringen,
Joachim
Dierks.
„
Seidenbau
als
Volksaufgabe″
Die
wichtigsten
Erzeugerländer
für
Fallschirmseide
lagen
in
Fernost
und
damit
außerhalb
der
Beschaffungsmöglichkeiten
der
deutschen
Kriegswirtschaft.
Also
musste
eine
Seidenraupenzucht
im
Inland
aufgebaut
werden.
Sie
ist
arbeitsintensiv,
Arbeitskräfte
waren
aber
knapp.
Die
rettende
Idee:
Schulkinder.
Davon
gab
es
genug
–
und
sie
kosteten
nichts.
Ende
Mai
1940
erging
ein
Runderlass
vom
Reichsminister
für
Wissenschaft
und
Erziehung,
dass
in
den
Volksschulen
Seidenraupen
gepflegt
und
versorgt
werden
sollten.
Wo
immer
möglich,
wurden
in
einem
ersten
Schritt
auf
den
Schulhöfen
Maulbeersträucher
als
Seidenraupennahrung
angepflanzt.
Seidenbau-
Beraterinnen
zogen
durch
die
Lande,
begutachteten
die
Vorbereitungen
und
bestimmten
in
jeder
teilnehmenden
Schule
einen
„
Seidenbau-
Leitlehrer″,
der
sich
einem
Lehrgang
„
Seidenbau
als
Volksaufgabe″
unterziehen
musste.
Ein
Zuchtgestell
aus
Holz
und
Draht
konnte
etwa
3500
Raupen
beherbergen.
Nach
der
Verpuppung
lieferte
jeder
Kokon
einen
etwa
900
Meter
langen
Seidenfaden.
Man
brauchte
15
000
Kokons,
um
die
für
einen
einzigen
Fallschirm
benötigte
Gewebemenge
herstellen
zu
können.
Ein
Problem
bestand
darin,
dass
der
Wachstumsprozess
der
aus
Asien
stammenden
Raupen
in
der
kühlen
deutschen
Witterung
länger
als
geplant
dauerte
und
die
Qualität
der
hier
erzeugten
„
Schulseide″
schlechter
war
als
bei
Importware.
Der
Ausschuss
war
dementsprechend
groß.
Dennoch
wurde
das
Programm
schon
aus
erzieherischen
Gründen
durchgezogen.
Geschicklichkeit
und
Fleiß
der
Schulkinder
wurden
im
Fach
„
Kriegshilfe″
benotet.
Autor:
Joachim Dierks