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1.
Erscheinungsdatum:
12.06.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Fall Calmeyer: Yad Vashem äußert sich
Calmeyer bleibt ein „Gerechter″
Zwischenüberschrift:
Israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem steht zur Ehrung des Osnabrücker Judenretters
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
War
der
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
(1903–72)
wirklich
der
hartnäckige
und
besonders
erfolgreiche
Holocaust-
Saboteur,
für
den
ihn
viele
halten?
Oder
ist
er
als
ehemaliger
NS-
„
Rassereferent″
in
Den
Haag
möglicherweise
doch
der
höchsten
Auszeichnungen
unwürdig,
die
ihm
lange
nach
seinem
Tod
zuteilwurden
–
sowohl
in
Israel
als
auch
in
seiner
Heimatstadt?
Um
diese
jahrzehntealte
Frage
ist
neuer
Streit
entbrannt,
spätestens
seit
Ende
Mai
aus
den
Niederlanden
eine
Petition
an
die
Bundeskanzlerin
gerichtet
wurde
mit
der
Absicht,
ein
geplantes
Hans-
Calmeyer-
Haus
in
Osnabrück
zu
verhindern.
Es
hieß
sogar,
die
israelische
Holocaust-
Gedenkstätte
Yad
Vashem
werde
den
Fall
Calmeyer
erneut
prüfen.
Auf
Anfrage
unserer
Redaktion
hat
diese
dazu
gestern
eine
Erklärung
abgegeben.
Osnabrück
1992
legte
Israel
sich
fest:
Der
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
ist
ein
„
Gerechter
unter
den
Völkern″,
weil
er
während
des
Holocausts
sein
Leben
riskierte,
um
Juden
zu
retten.
Zweifel
daran
wurden
zwar
nie
so
laut
wie
heute
–
besonders
in
den
Niederlanden.
Umstimmen
können
sie
Yad
Vashem
aber
vorläufig
nicht.
„
Gerechter
unter
den
Völkern″:
Mehr
als
27
300
Menschen
auf
der
ganzen
Welt,
darunter
627
Deutsche
(Stand
2019)
,
tragen
nach
Angaben
der
Holocaust-
Gedenkstätte
Yad
Vashem
diesen
offiziellen
Titel.
Es
handelt
sich
um
die
höchste
Auszeichnung,
die
der
Staat
Israel
und
das
jüdische
Volk
für
Nichtjuden
bereithalten.
Und
die
Entscheidung
darüber
macht
man
sich
in
Jerusalem
nicht
leicht:
Der
Titel
wird
von
einer
Sonderkommission
unter
Leitung
eines
Richters
am
Obersten
Gerichtshof
vergeben
–
gemäß
einer
Reihe
von
klar
definierten
Kriterien
und
Regeln.
So
sind
letztlich
nur
diejenigen
der
Ehre
würdig,
„
die
aktiv
ihr
Leben
oder
ihre
Freiheit
aufs
Spiel
gesetzt
haben
zu
dem
erklärten
Zweck,
Juden
vor
Verfolgung
und
Ermordung
zu
bewahren″.
Stichhaltige
Beweise
Als
Yad
Vashem
den
Osnabrücker
Rechtsanwalt
Hans
Calmeyer
(1903–1972)
am
4.
März
1992
als
„
Gerechten″
anerkannte,
war
dieser
schon
fast
20
Jahre
tot.
Und
sein
folgenreiches
Wirken
als
NS-
Funktionär
im
Holocaust
erst
seit
kurzer
Zeit
in
Deutschland
öffentlich
bekannt
–
vor
allem
dank
der
Enthüllungen
des
Osnabrücker
Lehrers
Peter
Niebaum.
Trotzdem
hatten
sich
schon
damals
anscheinend
genügend
stichhaltige
Beweise
dafür
gefunden,
dass
Calmeyers
Rettungswerk
an
den
Juden
nicht
nur
groß,
sondern
auch
persönlich
gewollt
sowie
hinreichend
riskant
für
ihn
selbst
war.
Noch
heute
ist
im
Internet
bei
Yad
Vashem
nachzulesen,
wie
der
Jurist,
der
im
Zweiten
Weltkrieg
für
die
Nazis
als
„
Rassereferent″
die
Abstammung
von
Juden
in
den
deutsch
besetzten
Niederlanden
prüfte,
rund
3000
Menschen
vor
der
Deportation
in
Konzentrations-
und
Vernichtungslager
bewahrte
–
meistens,
indem
er
gefälschte
Papiere
akzeptierte.
Obwohl
ihm
dabei
etwa
mit
SS
und
SD
(Sicherheitsdienst)
skrupellose
Kräfte
des
Hitler-
Regimes
im
Nacken
saßen.
In
einem
Bericht
über
die
posthume
Auszeichnung
Calmeyers
durch
Yad
Vashem
im
Friedenssaal
des
Osnabrücker
Rathauses
zitierte
unsere
Redaktion
am
28.
Oktober
1992
den
israelischen
Botschafter
Benjamin
Navon
deshalb
wie
folgt:
„
Für
diese
wenigen
Mutigen
wie
Hans
Calmeyer
können
wir
den
Kopf
etwas
höher
halten.″
Beim
Osnabrücker
Handgiftentag
1995,
an
dem
die
Stadt
dem
inzwischen
gefeierten
Judenretter
ihre
eigene
höchste
Auszeichnung
–
die
Justus-
Möser-
Medaille
–
verlieh,
legte
der
damalige
Botschafter
Avi
Primor
laut
„
Neuer
Osnabrücker
Zeitung″
nach:
„
Israel
ist
Calmeyer
ewig
dankbar.
Er
hat
dem
Unrecht
widerstanden.″
Streit
unter
Historikern
Doch
spätestens
1998
war
Schluss
mit
der
Laudatio.
Der
niederländische
Historiker
Conrad
Stuldreher
(Jahrgang
1926)
griff
bei
einem
Vortrag
in
Osnabrück,
zu
dem
ihn
ausgerechnet
die
Hans-
Calmeyer-
Initiative
eingeladen
hatte,
die
bis
dato
weit
verbreitete
These
vom
„
stillen
Helden″
Calmeyer
scharf
an.
In
Wirklichkeit
sei
der
frühere
NS-
Funktionär
„
ein
legalistischer
deutscher
Beamter
gewesen,
der
die
Nürnberger
Rassegesetze
ausführte
und
mitschuldig
ist
am
Holocaust″,
sagte
Stuldreher
nach
Angaben
der
NOZ
vom
2.
Dezember
1998.
Verunsichert
ließ
die
Stadt
Osnabrück
daraufhin
vom
Niederländischen
Institut
für
Weltkriegsdokumentation
(NIOD)
in
Amsterdam
ein
Gutachten
erstellen.
Darin
bestätigte
die
Historikerin
Geraldien
von
Frijtag
Drabbe
Künzel,
dass
durch
Calmeyers
Entscheidungen
zwar
Menschenleben
verschont
worden
seien.
Wie
viele,
sei
jedoch
unklar.
Insbesondere
Calmeyers
Motive
ließen
sich
nicht
herausfinden,
heißt
es
in
einem
NOZ-
Artikel
vom
27.
Januar
2001
über
die
öffentliche
Vorstellung
der
70-
seitigen
Studie.
Wörtlich
soll
die
Wissenschaftlerin
gesagt
haben:
„
Die
Schlussfolgerung,
dass
Calmeyer
beabsichtigte
zu
helfen,
ist
verführerisch,
aber
findet
keinen
Halt
in
den
Zahlen.″
Der
Osnabrücker
könne
durch
clevere
Antragsteller
und
deren
Anwälte
schlicht
getäuscht
worden
sein.
Zudem
habe
er
als
Leiter
der
NS-
Entscheidungsstelle
in
der
Regel
nur
abgezeichnet,
was
andere
vorbereitet
hätten.
2008
legte
von
Frijtag
Drabbe
Künzel
mit
„
Het
geval
Calmeyer″
(Der
Fall
Calmeyer)
dann
ein
Buch
nach,
das
Calmeyers
gesamtes
Leben
erforscht,
am
genauesten
aber
die
„
dramatische
Periode″
zwischen
1941
und
′
45.
Bis
heute
gilt
diese
Publikation
vor
allem
niederländischen
Calmeyer-
Kritikern
als
Kompassnadel
und
maßgebliche
Argumentationshilfe.
In
Deutschland,
so
meinen
sie,
würde
dem
Buch
hingegen
zu
wenig
Beachtung
geschenkt
–
wohl
auch
mangels
Übersetzung.
Im
Gespräch
mit
unserer
Redaktion
erklärte
Ende
Mai
etwa
der
Utrechter
Philosophieprofessor
Jan
van
Ophuijsen,
einer
der
Initiatoren
der
an
Bundeskanzlerin
Merkel
gerichteten
Petition
gegen
das
in
Osnabrück
geplante
Hans-
Calmeyer-
Haus,
„
dass
keine
ausgewogene
und
faire
Diskussion
über
Calmeyer
möglich
ist,
solange
die
Ergebnisse
in
Dr.
Von
Frijtags
Buch
nicht
von
allen
Teilnehmern
der
Debatte
aufgenommen
wurden″.
Abgenutzter
Irrtum
Er
selbst
sei
wie
der
Co-
Initiator
der
Petition,
der
wegen
seiner
Enttarnung
eines
niederländischen
Kriegsverbrechers
preisgekrönte
Journalist
Hans
Knoop,
und
„
alle
unsere
Unterzeichner
mit
der
damaligen
Situation
hinreichend
vertraut,
um
zu
wissen,
dass
es
Calmeyer
unmöglich
gewesen
wäre″,
sowohl
alle
Anträge
von
Juden,
die
sich
als
„
Arier″
ausgaben,
zu
bewilligen,
als
auch
alle
abzulehnen.
„
Daraus
folgt
logischerweise,
dass
nicht
jeder
gestellte
Antrag
ipso
facto
als
gerettetes
Leben
gelten
kann.″
Womit
auch
jener
„
abgenutzte
Irrtum
widerlegt″
sei,
der
stets
wiederholt
werde,
seit
NIOD-
Gründungsdirektor
Loe
de
Jong
(1914–
2005)
in
seinem
14-
bändigen
Standardwerk
„
Het
Koninkrijk
der
Nederlanden
in
de
Tweede
Wereldoorlog″
(Das
Königreich
der
Niederlande
im
Zweiten
Weltkrieg)
eine
Geretteten-
Quote
von
65
Prozent
zugunsten
Calmeyers
ermittelt
habe.
Zum
Hintergrund:
De
Jong
gehörte
zu
denen,
die
Calmeyers
Ehrung
durch
Yad
Vashem
einst
maßgeblich
vorantrieben.
Von
ihm
stammt
die
1975
getroffene
Feststellung,
dass
der
Osnabrücker
manche
nur
habe
retten
können,
„
indem
er
andere
preisgab″.
Und
dass
Calmeyers
„
Scham
über
Letzteres
größer
war
als
seine
Genugtuung
über
Ersteres″.
Die
Petenten
von
heute
(zu
denen
übrigens
auch
Geraldien
von
Frijtag
Drabbe
Künzel
zählt)
halten
dagegen:
Nichts
von
dem,
was
es
an
bürokratischen
Tricks
gab,
um
in
der
NS-
Entscheidungsstelle
Juden
vor
der
Deportation
zu
bewahren,
„
kann
eindeutig
Hans
Calmeyer
gutgeschrieben
werden″,
erklären
Knoop
und
van
Ophuijsen.
Darüber
hinaus
sei
es
„
bestenfalls
umstritten,
inwieweit
Calmeyer
überhaupt
ein
ernstes
persönliches
Risiko
eingegangen
ist″.
Wer
meine,
Calmeyer
habe
unter
höchster
Gefahr
für
sich
selbst
gehandelt,
stütze
sich
möglicherweise
„
auf
die
Fantasie
und
den
Sinn
für
Drama
des
verstorbenen
Herrn
Peter
Niebaum″.
Kein
neuer
Gegenbeweis
Angesichts
des
wachsenden
Protests,
der
sich
auch
am
unlängst
publizierten
Schicksal
der
Amsterdamer
Auschwitz-
Überlebenden
Femma
Fleijsman-
Swaalep
festmachen
lässt,
will
sich
Yad
Vashem
den
Fall
Calmeyer
nun
angeblich
noch
einmal
vornehmen.
Behauptet
unter
anderem
die
Petition.
Die
Holocaust-
Gedenkstätte
selbst
sieht
dazu
jedoch
keine
Veranlassung.
Auf
Anfrage
unserer
Redaktion
teilte
sie
am
Donnerstag
mit:
„
Bis
heute
wurden
keine
weiteren
Beweise
vorgebracht,
die
es
erfordern,
dass
Yad
Vashem
diesen
Fall
erneut
prüfen
muss.″
Darüber
hinaus
sei
es
„
äußerst
selten,
dass
die
Kommission
eine
Auszeichnung
zurückzieht″,
betonte
eine
Sprecherin.
„
Sollten
jedoch
wesentliche
neue
Beweise
ans
Licht
gebracht
werden,
die
darauf
hinweisen,
dass
der
Retter
die
Richtlinien
des
Programms
nicht
erfüllt
hat,
wird
die
Kommission
entscheiden,
ob
die
Einzelheiten
des
Falls
erneut
geprüft
werden
sollen
und
ob
die
neuen
Beweise
einen
Widerruf
rechtfertigen.″
Bildtext:
Posthum
wurde
dem
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
1992
von
der
israelischen
Holocaust-
Gedenkstätte
Yad
Vashem
der
Titel
„
Gerechter
unter
den
Völkern″
verliehen.
Und
trotz
lauter
Proteste
aus
den
Niederlanden
sieht
Yad
Vashem
bis
heute
keinen
Grund,
daran
zu
rütteln.
Foto:
dpa
Autor:
Sebastian Stricker