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1.
Erscheinungsdatum:
02.05.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Stürzt das Denkmal Calmeyer?
Zwischenüberschrift:
Nach Kritik aus Holland: Biograf des Judenretters verteidigt Osnabrücker Museumspläne
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Taugt
der
in
den
Niederlanden
öffentlich
gemachte
Fall
einer
Amsterdamer
Auschwitz-
Überlebenden
dazu,
Hans
Calmeyers
Ruf
als
größter
deutscher
Judenretter
im
Zweiten
Weltkrieg
zu
beschädigen?
Der
Osnabrücker
Calmeyer-
Biograf
Mathias
Middelberg
sagt:
„
Kritik
an
Calmeyer
muss
immer
sein
–
aber
...″
Mitte
April
2020
erschien
in
den
Niederlanden
das
Buch
„
Het
raadsel
van
Femma
–
Prooi
van
een
mensenredder″
(Das
Rätsel
von
Femma
–
Beute
eines
Menschenretters)
.
Autorin
Els
van
Diggele
zieht
darin
die
Lebensgeschichte
der
heute
92-
jährigen
Amsterdamer
Auschwitz-
Überlebenden
Femma
Flijsman-
Swaalep
heran,
um
mit
dem
angeblich
„
falschen
und
unvollständigen
Bild″
von
Hans
Calmeyer
(1903–72)
aufzuräumen.
In
einer
Zeit,
wo
seine
Heimatstadt
Osnabrück
konkrete
Pläne
für
ein
Calmeyer-
Museum
schmiedet,
will
die
Journalistin
das
„
andere
Gesicht″
dieses
Mannes
zeigen:
Also
nicht
das
eines
bereits
1992
vom
Staate
Israel
ausgezeichneten
Holocaust-
Saboteurs,
der
kraft
Amtes
mehrere
Tausend
niederländische
Juden
vor
der
Deportation
in
Konzentrations-
und
Vernichtungslager
bewahrte.
Sondern
das
eines
„
berechnenden
Beamten″
in
Nazi-
Uniform,
der
als
Leiter
der
NS-
Entscheidungsstelle
in
Den
Haag
„
völlig
willkürliche
Entscheidungen
über
Leben
und
Tod″
traf
–
wie
scheinbar
im
Fall
Femma,
die
er
„
mit
einem
Federstrich
in
die
Hölle
geschickt″
habe,
anstatt
seine
üblichen
lebensrettenden
Bürokraten-
Tricks
auch
bei
ihr
anzuwenden.
Film
zu
Calmeyer-
„
Opfer″
Dabei
begleitet
van
Diggeles
Buch
eine
gleichnamige
TV-
Dokumentation,
die
die
sogenannte
Jüdische
Programmierung
des
Evangelischen
Rundfunks
(Evangelische
Omroep,
kurz:
EO)
produziert
hat
und
die
am
Montag,
4.
Mai,
um
22.55
Uhr
im
öffentlich-
rechtlichen
Fernsehen
der
Niederlande
ausgestrahlt
werden
soll
(22.55
Uhr,
NPO
2)
.
In
dem
Film
kommt
laut
EO
auch
Mathias
Middelberg
zu
Wort:
Der
Osnabrücker
CDU-
Bundestagsabgeordnete
hat
2015
eine
Calmeyer-
Biografie
veröffentlicht
(„
Wer
bin
ich,
dass
ich
über
Leben
und
Tod
entscheide?
Hans
Calmeyer
– ,
Rassereferent′
in
den
Niederlanden
1941–1945″)
und
gehört
einer
Gruppe
handverlesener
Wissenschaftler
an,
die
die
Stadt
Osnabrück
in
Sachen
Calmeyer-
Haus
berät.
Von
unserer
Redaktion
nach
seiner
Meinung
zu
der
TV-
Doku
gefragt,
erklärte
Middelberg,
er
habe
sie
noch
nicht
gesehen
und
wolle
sich
deshalb
mit
einem
Kommentar
vorläufig
zurückhalten.
Allgemein
könne
er
aber
Folgendes
sagen:
„
Kritik
an
Calmeyer
darf
nicht
nur
sein,
sie
muss
sein
–
immer
wieder,
gerade
auch
in
einem
denkbaren
Museum.″
Sie
sei
wichtig,
weil
die
Auseinandersetzung
über
Calmeyer
auch
deutlich
mache,
„
welche
Spielräume
Opposition
in
einer
Diktatur
überhaupt
haben
kann″.
Calmeyer
sei
in
der
Nazi-
Zeit
„
unstreitig
Teil
der
Mordmaschinerie″
gewesen,
stellt
Middelberg
fest.
„
Aber
nur
in
dieser
Stellung
konnte
er
Tausende
Leben
retten.″
Ähnlich
verhalte
es
sich
mit
anderen,
namhaften
Judenrettern
wie
Oskar
Schindler
und
Berthold
Beitz.
Allein
ihre
Nähe
zum
NS-
Regime
habe
den
beiden
Industriellen
die
Chance
zum
Helfen
eröffnet.
Selbst
Hitler-
Attentäter
Oberst
Claus
Schenk
Graf
von
Stauffenberg,
der
als
Wehrmachtsoffizier
„
den
Vernichtungskrieg
aktiv
beförderte″,
habe
am
20.
Juli
1944
die
Bombe
im
Führerhauptquartier
nur
deshalb
legen
können,
weil
er
in
höchsten
Positionen
diente.
Middelberg:
„
Den
Widerständler
mit
der
weißen
Weste,
den
Calmeyers
Kritiker
suchen,
den
gibt
es
nicht
in
einer
totalitären
Diktatur.″
Und
was
sagt
der
Osnabrücker
Experte
zum
Schicksal
der
Femma
Fleijsman-
Swaalep
–
jener
Frau,
über
deren
„
rassische″
Zugehörigkeit
Calmeyer
im
Oktober
1943
und
Juli
1944
zu
urteilen
hatte,
der
er
aber
damals
nach
eigenem
Dafürhalten
nicht
helfen
konnte?
Obwohl
Calmeyer
doch,
wie
man
heute
weiß,
bei
mindestens
zwei
Drittel
aller
„
rassischen
Zweifelsfälle″,
die
über
seinen
Schreibtisch
gingen,
ein
Auge
zudrückte.
Kontext
beachten
„
Der
Fall
Femma
Fleijsman-
Swaalep
berührt
sehr.
Aber
man
muss
ihn
und
Calmeyers
Entscheidung
dazu
im
Kontext
sehen.″
Das
gab
Middelberg
auch
dem
Regisseur
der
niederländischen
TV-
Doku,
Alfred
Edelstein,
Anfang
des
Jahres
per
E-
Mail
zu
verstehen,
nachdem
dieser
ihm
Aktenstücke
zur
Prüfung
übersandt
hatte.
Die
entsprechende
Korrespondenz
liegt
unserer
Redaktion
vor.
Zwar
könne
er
anhand
der
vorliegenden
Papiere
„
leider
keine
Erklärung″
für
Calmeyers
Handeln
im
Fall
Femma
liefern,
sagt
Middelberg.
Allerdings
habe
Calmeyer
schlicht
nicht
jeden
Antrag
günstig
bescheiden
können,
„
sonst
wäre
sein
Widerstand
schnell
aufgefallen″.
Er
habe
mitunter
auch
gut
begründete
Vorlagen
ablehnen
müssen,
und
dies
sogar
demonstrativ,
um
seinen
Ruf
als
kompromissloser
Verfechter
des
nationalsozialistischen
Rasserechts
zu
wahren.
Spätestens
1943
sei
Calmeyer
„
im
kritischen
Visier
der
SS″
gewesen.
Die
habe
ihm
die
Entscheidungen
über
die
Zweifelsfälle
eigentlich
ganz
abnehmen
wollen.
Als
das
nicht
gelang,
seien
immer
häufiger
Entscheidungen
gegengeprüft
worden.
„
Zuständig
dafür
war
der
niederländische
SS-
Offizier
Ludo
ten
Cate.
Genau
der
war
auch
im
Fall
Fleijsman-
Swaalep
beteiligt,
was
die
Sache
noch
schwieriger
machte.″
Darüber
hinaus
sei
ein
gewisser
Dr.
Haring
Piebenga
darin
verwickelt
gewesen
–
ein
Mitglied
der
niederländischen
Nazi-
Partei
NSB,
der
als
Anthropologe
„
im
Unterschied
zu
den
meisten
anderen
,
Sachverständigen′
sehr
ungünstig
für
die
Betroffenen
gutachtete″.
Im
März
1944
habe
das
Reichssicherheitshauptamt
der
SS
in
Berlin
schließlich
die
Revision
der
Calmeyer-
Akten
angeordnet
–
wegen
des
Verdachts
auf
„
ausgedehnten
Abstammungsschwindel″,
erklärt
Middelberg.
„
Calmeyer
erfuhr
davon.
Und
allerspätestens
ab
diesem
Zeitpunkt
war
ihm
völlig
klar,
dass
er
mit
jeder
weiteren
positiven
Entscheidung
enorm
viel
riskierte.″
So
hielt
Calmeyer
im
Fall
Femma,
die
ausweislich
vorliegender
Dokumente
der
NS-
Entscheidungsstelle
am
Tag
ihrer
Geburt
(28.
Februar
1928)
mit
vier
jüdischen
Großeltern
beim
Standesamt
gemeldet
worden
war
und
bis
August
1942
auch
der
jüdischen
Gemeinde
angehörte,
weder
das
schriftliche
„
Vorbringen
eines
arischen
Erzeugers″
für
glaubhaft,
noch
vertraute
er
den
im
Abstammungsverfahren
beigebrachten
Zeugen.
Middelberg
verweist
an
dieser
Stelle
auf
den
Gründungsdirektor
des
1945
aus
der
Taufe
gehobenen
Amsterdamer
Instituts
für
Kriegs-
,
Holocaust-
und
Genozidstudien
NIOD,
Professor
Louis
de
Jong.
Der
habe
bilanzierend
über
Calmeyer
befunden:
„
Manche
hatte
er
nur
retten
können,
indem
er
andere
preisgab.
Und
seine
Scham
über
Letzteres
war
größer
als
seine
Genugtuung
über
Ersteres.″
Darüber
hinaus
habe
Joseph
Michman,
bei
der
israelischen
Holocaust-
Gedenkstätte
Yad
Vashem
in
den
90er-
Jahren
Direktor
der
Abteilung
für
die
„
Gerechten
unter
den
Völkern″,
wie
folgt
über
Calmeyer
geurteilt:
„
Wer
alle
Juden
retten
wollte,
rettete
niemanden.
Obwohl
ihm
selbst
KZ
oder
gar
Todesstrafe
drohte,
hat
er
in
einer
Art
und
Weise
manövriert,
die
Bewunderung
verdient.″
Unterstützung
aus
Holland
Sowohl
de
Jong,
der
als
Jude
vor
den
Nazis
nach
England
geflohen
sei,
als
auch
Michman,
der
eigentlich
Joop
Melkmann
heiße
und
im
Krieg
für
die
Zwangsverwaltung
der
Juden
–
den
Judenrat
in
Amsterdam
–
gearbeitet
habe,
hätten
Calmeyers
Ehrung
maßgeblich
vorangebracht,
betont
Middelberg.
Hinzu
komme,
dass
1992
mit
Moshe
Bejski
jemand
dem
Yad-
Vashem-
Gremium
zur
Bestimmung
der
„
Gerechten″
vorstand,
der
nicht
nur
als
sogenannter
Schindler-
Jude
überlebt
hatte,
sondern
auch
Zeuge
im
Eichmann-
Prozess,
Anwalt
und
später
Richter
an
Israels
oberstem
Gerichtshof
war.
Middelberg:
„
Das
Urteil
dieser
Leute,
die
als
verfolgte
Juden
die
Zeit
selbst
erlebt
haben
und
die
Möglichkeiten
–
auch
die
Calmeyers
–
in
der
damaligen
Lage
gut
einschätzen
konnten,
hat
für
mich
bis
heute
sehr
hohes
Gewicht.″
Bildtexte:
Er
war
ein
Teil
der
NS-
Mordmaschinerie
–
und
streute
ihr
Sand
ins
Getriebe,
wo
es
ging:
Der
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
(1903-
72)
rettete
als
NS-
Funktionär
mit
bürokratischen
Tricks
vielen
Tausend
niederländischen
Juden
das
Leben.
Das
Bild
zeigt
ihn
in
den
1950er-
Jahren.
Die
Amsterdamer
Auschwitz-
Überlebende
Femma
Flijsman-
Swaalep
heute
mit
über
90
Jahren
–
hier
in
einer
Szene
aus
dem
niederländischen
Dokumentarfilm,
der
ihr
Schicksal
nachzeichnet.
Fotos:
Evangelische
Omroep
(EO)
Autor:
Sebastian Stricker