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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Tiere allein zu Haus
Zwischenüberschrift:
Wie geht es den Osnabrücker Zoobewohnern ohne Besuch?
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Zu Hause ist es tierisch langweilig? Lust auf Abwechslung? Wer hätte das gedacht: Vielen Zoobewohnern geht es ähnlich. Sie vermissen ihren Besuch. Weil Gäste wegen Corona draußen bleiben müssen, war unsere Redaktion drin.

Die ersten animalisch anmutenden Eindrücke gewinnen Besucher gewöhnlich schon vor dem Zoo: Sie sehen Schlangen. Wenn Kinder schulfrei haben und die Frühlingssonne lacht, drängen sich Menschenmassen an der Kasse und warten auf Einlass normalerweise. Doch wegen des Coronavirus ist momentan nichts normal. Sämtlichen Freizeiteinrichtungen ist es aktuell verboten, für Besucher zu öffnen. Und so bleibt auch der Zoo bis auf Weiteres geschlossen, lesen wir auf einem Schild.

Katja Lammers schleust uns an den Gittern vorbei und öffnet eine Pforte. Sie ist Biologin, hat lange in der Zoopädagogik gearbeitet und wird uns durch den menschenleeren Tiergarten führen mit dem gebührenden Abstand, versteht sich. Vielen Menschen fehlt der Zoo. Einige linsen durch die Zäune der Außengehege, um einen Blick auf die Tiere zu erhaschen″, erzählt sie.

Unser erster Blick fällt auf lange, spindeldürre Stelzen, die verhältnismäßig viel rosafarbenen Flausch zu tragen haben: Wo könnte ein Zoorundgang anders beginnen als bei den Flamingos? Das leuchtende Fotomotiv gewinnt seine Farbe übrigens durch Spezialfutter. In freier Wildbahn ernähren sich Flamingos von Salinenkrebsen, die den Farbstoff Carotin enthalten. Weil es die besonderen Krebse nicht zum Verfüttern gibt, weicht der Zoo auf biologische Pellets mit Carotin als Nahrungsbeigabe aus.

Die schmucken Vögel stolzieren durch ihr Becken. Wenn sie im Wasser innehalten, heben sie ein Bein. Und warum? Weil sie nicht gerne frieren, lautet eine Theorie von Wissenschaftlern. Je weniger Kontakt zum kühlen Nass, desto besser.

Auch die Braunkopfklammeraffen mögen es warm. Neville und seine zahlreichen Frauen lassen sich die Sonnenstrahlen auf den Bauch scheinen und hängen gemütlich ab was bei den artistischen Affen bedeuten kann, dass sie mit ihrem Greifschwanz kurzerhand ein Seil umwickeln und vor sich hinbaumeln. Fälschlicherweise glaubten viele Gäste, dass sie es in dem Gehege mit einem Weibchen und Dutzenden Männlein zu tun hätten, berichtet Katja Lammers und gibt damit eine der beliebtesten Anekdoten ihrer Führungen zum Besten. Der ungenierte Blick zwischen die Beine der Primaten lasse den Trugschluss zu. Was man dort sieht, seien allerdings verlängerte Schamlippen. Das männliche Geschlechtsteil sei eher schwach ausgeprägt.

Die Klammeraffen seien eine der Spezies, denen die Besucherströme besonders fehlten, erzählt die Biologin, die mittlerweile als Assistentin der Zookuratoren tätig ist. Die Affen gucken immer genau hin, wer vorbeikommt. Sie sind neugierig. Besuch bedeutet Abwechslung.″ Nun müssten die Pfleger kreativ werden, um die Turnkünstler bei Laune zu halten.

Auch Sabine Springmeier fährt ein besonderes Unterhaltungsprogramm für ihre Zöglinge und zwar wortwörtlich. Sie düst fröhlich klingelnd mit ihrem Fahrrad um die Tigeranlage, was bei Publikumsverkehr freilich strengstens verboten wäre. Aber getreu dem Motto, dass außergewöhnliche Umstände außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, lenkt sie die beiden Sumatratiger von der Tristesse des besucherlosen Zoos ab.

Sie mögen es zwar nicht besonders gerne, wenn dauernd Leute an die Scheiben klopfen, aber so ganz ohne Menschen fehlt ihnen die Aufregung″, sagt die Tierpflegerin. Ab und an baut sie momentan einen Futtergalgen auf oder wirft einen Karton ins Gehege, um den Raubkatzen neue Impulse zu bieten.

Auf zu den Elefanten

Der kleine Prinz″ ist ganz schön gewachsen, genießt als erster Elefantennachwuchs im Tal der Grauen Riesen″ aber nach wie vor Narrenfreiheit. Minh-Tan schiebt seinen Rüssel durch Sitas Vorderbeine und stibitzt seiner großen Schwester eine Rübe. Gutmütig schaut sie ihm hinterher, wie er mit seiner Beute Richtung Elefantenhaus schaukelt. Auch den Asiatischen Elefanten habe während der Wintermonate die Sonne gefehlt, glaubt Katja Lammers. Dass die Besucher wegbleiben, störe die Osnabrücker Exemplare der bedrohten Tierart hingegen weniger.

Minh-Tans Geburt im Sommer 2017 war eine Sensation für den Zoo gewesen und hatte für Besucherströme gesorgt, die in Anbetracht der nun gähnenden Leere vor dem Zaun wie geträumt wirken. Gezeugt worden war der kleine Prinz in Prag, von wo er im Bauch seiner Mutter nach Osnabrück kam. Der hiesige Bulle Luka kann sich mit der geglückten Geburtenpremiere also nicht rühmen. Allerdings setzt der Zoo alle künftigen Nachwuchshoffnungen auf den Dickhäuter mit den kräftigen Stoßzähnen.

Wenn Besucher wegbleiben, wird eine Vogelart unverschämter, die nicht einmal im Tiergarten zu Hause ist: die Reiher. Sie brüten im nahen Wald und versorgen sich mit Fisch, der eigentlich für ihre Tierkollegen hinter Zoomauern gedacht ist. Die kennen schon unsere Fütterungszeiten″, klagt Katja Lammers. Menschenmassen verschüchtern die Beutefänger. Wenn sich Reiher unbeobachtet fühlen, wittern sie ihre Chance.

Tierpflege-Azubi Jonas Linke kann ein Lied davon singen. Sein Job: die Seehunde zu füttern. Aber oft genug kommen Bine und Max nicht zum Zug, weil ihnen ein Reiher den Fisch vor der Nase wegschnappt. Die Seehunde hätten Angst vor Reihern, so wie wir Angst vor Spinnen haben irrational, aber kaum zu ändern, sagt der Pfleger. Weil die Wasserraubtiere einen enormen Körperfettanteil haben, mache es ihnen aber nichts aus, wenn eine Mahlzeit etwas magerer ausfalle.

Abgesehen von den Reihern in unrühmlicher Nebenrolle unterscheidet sich die Fütterung der Seehunde in Corona-Zeiten kaum von jenen vor großem Publikum. Denn die eingeübten Kunststücke dienen nicht in erster Linie der Unterhaltung, sondern dazu, die scheuen Tiere an Menschen zu gewöhnen. So ertragen sie beispielsweise tierärztliche Untersuchungen besser, erklärt Biologin Lammers.

Während Bine und Max sich ihr Mittagsmahl erarbeiten, geht es bei den Störchen richtig zur Sache. Drei Paare sind aus ihrem warmen Winterquartier in den Osnabrücker Zoo zurückgekehrt. Dem Balztanz nach zu urteilen, den ein Männchen in luftiger Höhe neben dem Seehundbecken aufführt, dürfte zumindest in diesem Nest demnächst mit Nachwuchs zu rechnen sein.

Nun bekommen die Humboldtpinguine ihre Fischration von Tierpfleger Linke. Sommersprosse watschelt motiviert, aber etwas unbeholfen an einem Reiher vorbei, der sich wohl wissend am Beckenrand positioniert hat. Sommersprosse ist eine Pinguin-Oma, schneller kommt sie nicht mehr voran.

Man könne sie am individuellen Punktemuster auf der Brust erkennen oder aber an der Kombination aus schwarzem Band am rechten Flügel (weiblich) und individuellem Farbband, erklärt Katja Lammers. Jonas Linke bedenkt die in die Jahre gekommene Dame mit einer Extraportion aus dem Eimer. Im Alter scheint der Appetit allerdings abzunehmen. Das Weibchen winkt ab.

Einige der Pinguindamen haben sich etwas abseits mit je einem Ei in Brutstellen zurückgezogen. Kommt da dieses Jahr noch was? Wir hoffen es″, sagt Zoopädagogin Lammers.

Wo gibt es denn schon Tierbabys zu sehen? Auf der Suche nach Flausch stoßen wir eine weitere Tür auf, die Besuchern momentan verschlossen bleibt: die Pforte zum Streichelzoo.

Und da kommen sie angelaufen: kleine Zwergziegen, behände springend oder zögerlich tapsend je nachdem, wie viele Tage sie schon auf dem kuschligen Babybuckel haben. Rund 20 Zicklein seien in diesem Frühjahr bereits auf die Welt gekommen, berichtet Katja Lammers. Weitere werden folgen.

Eine Nachwuchsziege ist so frisch auf der Welt, dass ihre Nabelschnur noch unterm Bauch hängt. Die Äuglein hält das Jungtier schon tapfer offen, seine Beinchen tragen es wackelnd die ersten Meter.

Die Zicklein haben alle denselben Vater. Der Bock döst getrennt von seinem Nachwuchs in der Sonne. Die Jungtiere bleiben eng bei ihren Müttern. Wenn eines gierig saugend aus Versehen an der falschen Brust andockt, schafft sich die Verwechselte das Jungtier mit einem gehörnten Stupser vom Leib. Die niedlichen Ziegenbabys zurückzulassen fällt schwer insbesondere, weil sich unser Zoorundgang dem Ende zuneigt.

Auf dem Rückweg schlendern wir noch an Hybridbär Taps vorbei, der sich über ein vegetarisches Mahl hermacht. Er ist das cappuccinofarbene Ergebnis der Affäre eines Eisbären mit einer Braunbärin. Seine Schwester Tips erlangte vor drei Jahren traurige Berühmtheit, als sie ausgehungert nach dem Winterschlaf aus dem Außengehege entkam und um das Zoopublikum zu schützen erschossen werden musste.

Zoobesucher, die gab es damals noch.

Drei Nashörner haben sich zu einem Panorama-Stillleben auf Lehm drapiert. Pinselohrschweine zuckeln um sie herum, im Hintergrund zupfen Zebras Gras vom Boden.

Wer nur auf die Tiere schaut, der könnte fast meinen, es wäre wie immer im Osnabrücker Zoo. Tatsächlich steht die hiesige Tierwelt wegen der Corona-Pandemie und der ausbleibenden Eintrittsgelder kurz vor dem Ruin. Um wenigstens die Tiere versorgen zur können, ist der Zoo auf Spenden angewiesen.

Wir verlassen den Zoo durchs Drehkreuz am Ausgang und werden dort von zwei Mitarbeitern des Ordnungsamts erwartet. Sie hätten uns auf der Brücke im Zoo entdeckt. Verschaffen sich der Pandemie Überdrüssige jetzt etwa schon unbefugt Zugang zu den verbotenen Vergnügungen der Stadt?

Fotoapparat, Videokamera und Schreibwerkzeug entkräften den Einbruchsverdacht offenbar. Wir dürfen von dannen ziehen und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen. Nicht mit den Ordnungshütern, sondern mit den Zootieren.

Zu regulären Öffnungszeiten.

Bildtexte:
Die Braunkopfklammeraffen vermissen Besucher, weil sie sehr neugierig sind. Nun müssen die Tierpfleger kreativ werden, um die Tiere bei Laune zu halten. Wann der Zoo wieder öffnet, ist derzeit noch ungewiss.
Drei Nashörner haben sich zu einem Panorama-Stillleben auf Lehm drapiert.
So ganz ohne Menschen fehlt auch den Tigern die Aufregung.
Plüsch ohne Publikum: Der erste Nachwuchs des Frühjahrs tapert durch den Osnabrücker Zoo: flauschige Zwergzicklein.
Tierpfleger Azubi Jonas Linke füttert die Pinguine. Ein Reiher schnappt Bine und Max das Futter vor der Nase weg.
Fotos:
David Ebener
Autor:
Meike Baars


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