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1.
Erscheinungsdatum:
15.04.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Niederländer kratzen an Calmeyers Ruf
Zwischenüberschrift:
Buch und Film werfen kritischen Blick auf Osnabrücker Holocaust-Saboteur / Was sagen Experten dazu?
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück
Der
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
(1903–1972)
rettete
als
NS-
Funktionär
im
Zweiten
Weltkrieg
Tausenden
niederländischen
Juden
das
Leben.
Doch
manchen
half
er
nicht.
Das
Schicksal
einer
Auschwitz-
Überlebenden
aus
Amsterdam
soll
nun
herhalten,
um
Calmeyers
„
anderes
Gesicht″
zu
zeigen.
In
den
Niederlanden
ist
am
14.
April
ein
Buch
mit
dem
Titel
„
Das
Rätsel
von
Femma
–
Beute
eines
Menschenretters″
erschienen.
Es
begleitet
einen
gleichnamigen
Dokumentarfilm,
den
der
öffentlich-
rechtliche
niederländische
Fernsehsender
NPO
2
am
4.
Mai
ausstrahlt
(22.55
Uhr)
.
Die
Journalistin
und
Historikerin
Els
van
Diggele
beschreibt
in
dem
192-
Seiten-
Werk
die
Geschichte
der
heute
92-
jährigen
Femma
Flijsman-
Swaalep
aus
Amsterdam,
die
mit
15
nach
Auschwitz
verschleppt
wurde.
Zugleich
rechnet
das
Buch
mit
dem
Osnabrücker
Hans
Calmeyer
ab:
jenem
Rechtsanwalt,
der
im
Zweiten
Weltkrieg
als
NS-
Rassereferent
in
Den
Haag
die
Abstammung
niederländischer
Juden
prüfte
und
dabei
gezielt
den
Holocaust
sabotierte,
indem
er
offensichtlich
gefälschte
Verwandtschaftsnachweise
größtenteils
gelten
ließ.
Nach
aktuellem
Forschungsstand
bewahrte
er
auf
diese
Weise
etwa
3000
Menschen
vor
der
Deportation
in
Konzentrations-
und
Vernichtungslager
–
möglicherweise
sogar
fast
doppelt
so
viele.
Femma
Flijsman
allerdings
nicht.
Anderes
Gesicht
gezeigt?
Im
Gegenteil:
Wie
aus
ihrer
vollständig
erhaltenen
Fallakte
im
niederländischen
Nationalarchiv
hervorgeht,
hat
Calmeyer
Femmas
Namen
am
25.
Oktober
1943
„
absichtlich″
von
seiner
Liste
der
zu
Verschonenden
gestrichen
und
damit
„
sein
anderes
Gesicht
gezeigt″,
wie
Autorin
van
Diggele
im
Gespräch
mit
unserer
Redaktion
sagt.
Oder,
um
es
mit
den
Worten
ihres
in
Amsterdam
ansässigen
Buchverlags
De
Geus
auszudrücken:
Calmeyer,
dieser
„
berechnende
deutsche
Beamte″,
habe
das
Mädchen
„
mit
einem
Federstrich
in
die
Hölle″
geschickt.
Das
angeblich
in
Osnabrück
wie
in
Deutschland
insgesamt
vorherrschende
Bild
von
Calmeyer
als
Menschenretter
sei
deshalb
„
falsch
und
unvollständig″,
meint
die
Historikerin.
Und
auch
wenn
die
israelische
Holocaust-
Gedenkstätte
Yad
Vashem
Calmeyer
seit
1992
einen
„
Gerechten
unter
den
Völkern″
nennt:
Ihre
Forschung
zum
Schicksal
der
Femma
Flijsman-
Swaalep,
Tochter
eines
„
arischen
Amsterdamer
Fensterputzers″,
belege,
dass
Calmeyer
„
mit
Menschenleben
gespielt″
habe,
um
weiter
für
die
Nazis
am
Schreibtisch
arbeiten
zu
können
und
nicht
selbst
als
Wehrmachtssoldat
kämpfen
zu
müssen.
Denn
laut
van
Diggele
handelte
der
Jurist
„
hauptsächlich
aus
Angst
vor
der
Ostfront″.
Buch
und
Film
zeigten,
wie
Calmeyer
„
einen
Job
in
der
nationalsozialistischen
Zerstörungsmaschine
anstrebt″,
wie
er
„
die
Verfolgung
erleichtert″
und
„
völlig
willkürliche
Entscheidungen
über
Leben
und
Tod
treffen
kann″.
Es
gebe
„
kaum
Anhaltspunkte
dafür,
dass
sein
Motiv
war,
Menschen
zu
retten″,
erklärt
die
Autorin.
All
dies
rücke
die
Pläne
seiner
Heimatstadt
Osnabrück,
ihn
mit
einem
eigenen
Museum
–
dem
sogenannten
Hans-
Calmeyer-
Haus
–
zu
ehren,
„
in
ein
ganz
anderes
Licht″.
Aber
tut
es
das
wirklich?
Nein,
sagt
Joachim
Castan,
promovierter
Historiker
und
stellvertretender
Vorsitzender
der
Osnabrücker
Hans-
Calmeyer-
Initiative.
Von
unserer
Redaktion
mit
van
Diggeles
Einlassungen
konfrontiert,
stellt
er
fest:
„
Es
ist
unbestritten,
dass
Menschen
aufgrund
von
Calmeyers
Unterschrift
ins
KZ
und
in
den
Tod
geschickt
wurden.
Über
dieses
Dilemma
war
Calmeyer
sich
völlig
im
Klaren,
und
das
macht
ja
gerade
seine
Tragik
aus.″
Maßgeblich
für
die
Beurteilung
von
Calmeyers
Rettungswerk
sei,
dass
der
Osnabrücker
„
unter
höchster
Gefahr
für
sich
selbst″
nachweislich
in
65
Prozent
aller
Fälle
zugunsten
der
Verfolgten
entschieden
habe.
„
Eine
außerordentlich
hohe
Quote″,
findet
Castan.
Bei
weiteren
zehn
Prozent
der
Fälle
sei
die
Lage
unklar.
Die
Auschwitz-
Überlebende
Femma
Flijsman-
Swaalep
gehört
also
wohl
zu
jenen
25
Prozent,
für
die
Calmeyer
nach
eigenem
Ermessen
nichts
tun
konnte.
„
Daraus
einen
Skandal
zu
machen
geht
aber
nicht″,
findet
Castan.
Rat
ausgeschlagen
Auch
die
niederländische
Geschichtswissenschaftlerin
Petra
van
den
Boomgaard,
die
für
ihre
2019
vorgelegte
Doktorarbeit
über
Hans
Calmeyer
das
gesamte
Archiv
der
NS-
Entscheidungsstelle
–
sprich:
Tausende
von
Unterlagen
–
ausgewertet
hat,
warnt
davor,
„
Schlussfolgerungen
auf
der
Basis
eines
Einzelfalls
zu
ziehen″.
Das
habe
sie
auch
Els
van
Diggele
gesagt,
als
die
Autorin
sie
vergangenes
Jahr
zum
Interview
getroffen
habe,
berichtet
van
den
Boomgaard
unserer
Redaktion.
Doch
allem
Anschein
nach
wurde
ihr
wissenschaftlicher
Rat
in
den
Wind
geschlagen.
Schon
damals
habe
van
Diggele
keine
Dokumente
mitgebracht,
die
ihre
Behauptung
vom
absichtlichen
Handeln
Calmeyers
im
Fall
Femma
hätten
stützen
können.
Nun
ließen
Buch-
und
Filmtitel
vermuten,
dass
hier
anhand
eines
Schicksals
sogar
„
ein
moralisches
Urteil
über
Calmeyer″
gefällt
werde.
Was
die
vielleicht
Kenntnisreichste
aller
Calmeyer-
Fachleute
außerdem
bedauert:
dass
weder
ihre
Landsfrau
van
Diggele
noch
die
für
den
Dokumentarfilm
verantwortliche
niederländische
Rundfunkorganisation
Evangelische
Omroep
(EO)
sie
nach
Abschluss
der
Recherchen
um
eine
Einschätzung
des
Resultats
gebeten
hätten.
„
Dies
hätte
die
Arbeit
im
Sinne
eines
historisch
korrekten
Ergebnisses
überzeugender
gemacht.″
Anhand
der
ihr
mittlerweile
bekannt
gewordenen
Dokumente
könne
sie
für
den
Moment
aber
eins
festhalten:
Die
NS-
Entscheidungsstelle
habe
über
Femma
geurteilt,
während
zwei
SS-
Leute
und
ein
mit
den
Nazis
symphatisierender
Anthropologe
in
den
Fall
verwickelt
gewesen
seien.
„
Eine
Situation,
die
es
Calmeyer
unmöglich
gemacht
hätte,
anders
zu
entscheiden″,
ist
van
den
Boomgard
überzeugt.
Bildtexte:
Szene
aus
dem
Dokumentarfilm:
Femma
Flijsman-
Swaaleps
Sohn
Henny
protestiert
in
Osnabrück
gegen
Pläne
für
ein
Hans-
Calmeyer-
Haus.
Hans
Calmeyer
(1903–1972)
in
den
1950er-
Jahren.
Die
Auschwitz-
Überlebende
Femma
Flijsman-
Swaalep.
Fotos:
Evangelische
Omroep
(EO)
,
Filmkontor
Castan
Kommentar
Anklage
steht
auf
tönernen
Füßen
Femma
Flijsman-
Swaalep
wurde
nach
Auschwitz
deportiert,
weil
die
damals
vom
Osnabrücker
Juristen
Hans
Calmeyer
geleitete
NS-
Entscheidungsstelle
es
so
wollte.
Oder
besser
gesagt:
es
nicht
verhinderte.
Es
kann
nicht
überraschen,
dass
Femma
und
ihre
Familie
ausgerechnet
jenen
Mann
für
all
das
Leid
verantwortlich
machen,
den
andere
als
einen
der
größten
deutschen
Judenretter
jener
Zeit
bezeichnen.
Und
den
selbst
die
Gedenkstätte
Yad
Vashem
in
Israel
seit
1992
für
einen
„
Gerechten
unter
den
Völkern″
hält.
Seltsam
erscheint
hingegen,
wie
Autoren
und
Filmemacher
in
den
Niederlanden
dieses
Fallbeispiel
für
eine
allgemeine,
zudem
moralinsaure
Anklage
nutzen
–
gegen
Calmeyer,
aber
auch
gegen
die
Pläne
seiner
Heimatstadt,
ihm
ein
eigenes
Museum
zu
widmen.
Zum
einen
rettete
Calmeyer
nach
aktuellem
Forschungsstand
weit
mehr
als
doppelt
so
viele
Menschen,
wie
er
ins
Verderben
schickte
–
wobei
er
wohl
auch
nur
deshalb
so
oft
helfen
konnte,
weil
er
es
manchmal
eben
nicht
tat,
so
schwer
erträglich
das
ist.
Zweitens
missachtet
eine
Pauschalisierung
wie
im
Fall
Femma
die
Tatsache,
wie
behutsam
und
rücksichtsvoll
man
sich
in
Osnabrück
dem
Ziel
nähert,
einen
Ort
zu
schaffen,
an
dem
Calmeyers
Dilemma
nachvollziehbar
wird.
Einen
Ort,
der
gerade
nicht
einer
fragwürdigen
Heldenverehrung
dient,
sondern
im
Gegenteil
eine
ständige
kritische
Auseinandersetzung
mit
Calmeyers
Leben
und
Rettungswerk
ermöglicht.
s.stricker@
noz.de
Autor:
Sebastian Stricker