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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Als die Haster wider Willen zu Osnabrückern wurden
Zwischenüberschrift:
Nationalsozialisten verfügen vor 80 Jahren die Eingemeindung
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Vor 80 Jahren, am 1. April 1940, wurde die bis dahin selbstständige Landgemeinde Haste der Stadt Osnabrück angegliedert. Es war nach der Eingemeindung Schinkels 1914 der zweite große Zuwachs an Fläche und Einwohnern in der Osnabrücker Stadtgeschichte.

Seit einem halben Jahr bereits diktierte der Zweite Weltkrieg das öffentliche Leben, als der Herr Oberpräsident in Hannover als Reichsstatthalter″ im Einvernehmen mit der Parteiorganisation, der Stadt Osnabrück und der Wehrmacht die Eingemeindung Hastes zum 1. April 1940 verfügte. Die Haster Bevölkerung wurde nicht gefragt. In Zeiten der NS-Herrschaft gehörten bürgerschaftliche Partizipation und demokratische Mitwirkungsrechte nicht zum politischen Vokabular, seit Kriegsbeginn schon einmal gar nicht mehr. Das Prinzip lautete: Führer befiehl, wir folgen!

Auslöser: Kasernenbau

Ganz so stumm und ergeben waren die Haster fünf Jahre zuvor noch nicht gewesen. Erste Überlegungen zur Eingemeindung tauchten bereits 1934 auf und wurden damals durchaus kontrovers diskutiert. Der Haster Gemeinderat war dagegen, Landrat Eberhard Westerkamp ebenfalls. Osnabrücks nationalsozialistischer Oberbürgermeister Erich Gaertner und die NSDAP-Gauleitung hingegen waren dafür.

Die Frage stand ganz oben auf der Tagesordnung, weil das Wehrkreiskommando den Bau einer neuen großen Kasernenanlage plante. Als geeigneter Standort erschien den staatlichen und militärischen Stellen die Fläche des Flugplatzes Netter Heide und die lag auf Haster Gemeindegebiet.

In der Rekordbauzeit von nur 16 Monaten wurde die später nach Oberst von Winkelhausen benannte Kasernenanlage hochgezogen und am 10. Oktober 1935 eingeweiht. Neben den Unterkünften für bis zu 2000 Soldaten gehörten zu dem großen Komplex Waffendepots, Gerätehallen, Werkstätten, Pferdeställe, Küchen, Speisesäle, Schießstände und Sporteinrichtungen. Drei Jahre später waren auch die Heeresverpflegungsdepots und eine Großbäckerei fertiggestellt. Die Kosten der Erschließung des Kasernengeländes wurden nicht von der Gemeinde Haste getragen, was sie heillos überfordert hätte, sondern von der Stadt Osnabrück. Das Straßen- und Wegenetz rings um die Kaserne musste angepasst, Versorgungsleitungen gelegt und der Anschluss an die städtische Kanalisation hergestellt werden.

OB Gaertner drängte den Regierungspräsidenten zu einer raschen Entscheidung für die Eingemeindung. Als weiteres Argument nannte er die enge bauliche und wirtschaftliche Verflechtung Hastes mit der Stadt: Es besteht die unbedingte Notwendigkeit, eine Bebauung des Gemeindegebietes Haste in geordnete und städtebaulich einwandfreie Bahnen zu lenken″, zitiert ihn Wido Spratte in seiner Haster Chronik. Und tatsächlich: 1938 wies die Bebauung zwischen beiden Kommunen kaum Lücken auf.

In der Haster Bevölkerung stießen die Pläne dennoch überwiegend auf empörte Ablehnung. Wir sinn Haster unn willt nich nau Ossenbrügge. Dat willt nur de Bonzen von de Partei. De müörget us nich″, erklärte offen und mutig die Hasterin Helene Kuhlmann, wie Wido Spratte festgehalten hat.

Hintergrund könnte sein, dass nur wenige Bewohner Hastes Parteigänger der NSDAP waren. Mit ihrem hohen katholischen Bevölkerungsanteil votierten die Haster, als das noch ging, mehrheitlich für die Zentrumspartei. Laut Spratte machte eine weitere Vermutung die Runde: Das Militär will unbedingt zum Großstadtstandort Osnabrück gehören, weil es dann höhere Ortszuschläge gibt: Dann krieget de mehr Geld!

Hastes letzter Bürgermeister Ferdinand Hardinghaus (1879–1945) lehnte ebenso wie alle übrigen Gemeinderatsmitglieder die Eingemeindung nach Osnabrück ab. Er sah die Gefahr, daß die örtliche Verbundenheit der Einwohner nicht mehr gewahrt bleibt und daß die Menschen die Verbundenheit mit ihrem Heimatboden verlieren″, dass die Landflucht beschleunigt und die Selbstverwaltung ausgehöhlt werde.

Der Ausbruch des Krieges aber ließ dann die Frage der kommunalen Zugehörigkeit in den Hintergrund treten. Partei und Militär stellten die Weichen in ihrem Sinne, sodass die Eingemeindung zum 1. April 1940 geräuschlos über die Bühne ging.

Den Ex-Bürgermeister und Hofbesitzer Hardinghaus der Hof östlich des Gutes Nette wird heute vom Enkel Friedrich Hardinghaus bewirtschaftet sollte wenige Jahre später in den letzten Kriegsmonaten ein grausames Schicksal ereilen. Drei seiner vier Söhne fielen innerhalb weniger Wochen an der Front. Er selbst starb am 26. Mai 1945 im Alter von 65 Jahren an Herzversagen, als eine bewaffnete Bande befreiter russischer Kriegsgefangener den Hof überfiel. Nach dem aufrechten Bürgermeister ist die Hardinghausstraße als wichtige Nord-Süd-Verbindung im Stadtteil benannt.

Vor fünf Jahren beging der Bürgerverein Haste den 75. Jahrestag der Eingemeindung und zwar ausdrücklich mit einer Feier. Vorstandsmitglied Heide Brinkschulte sagte damals: Wir finden, dass es ein Anlass zum Feiern ist, wie sich Haste in dem Dreivierteljahrhundert entwickelt hat, was die vielgestaltige Infrastruktur etwa mit Schulen und Sportstätten, aber auch das Zusammenleben der Menschen und die Integrationsleistungen angeht.″ Ihr Mann Eberhard Brinkschulte erinnerte an das vorhergehende Jubiläum im Jahr 1990: Den 50. Jahrestag durften wir nicht , feiern′, sondern nur , begehen′. Damals lebten noch viele ältere Haster, die der 1940 verloren gegangenen Selbstständigkeit der Landgemeinde nachtrauerten und von Feiern nichts wissen wollten.″

Nach der Eingemeindung von Haste blieb die Stadtkarte lange Zeit im Wesentlichen unverändert bis 1970/ 72 im Zuge der Gebietsreform die anderen Stadtrandgemeinden Sutthausen, Atter, Darum, Gretesch, Hellern, Lüstringen, Nahne, Pye und Voxtrup Osnabrücker Stadtteile wurden und die Stadt in ihre bis heute bestehenden Grenzen hineinwuchs.

Bildtexte:
Hastes Siedlungszentrum um 1940: Die Straße Summerland mündet in die Bramscher Straße, die alte Reichsstraße 68. Links eine Tankstelle, rechts Postamt und Kreissparkasse. Ansichtskarte aus der Sammlung Werner Franke
Ein Stück Alt-Haste konnte NOZ-Fotograf Emil Harms noch 1963 einfangen, bevor der mehrspurige Autobahnzubringer alles veränderte. Der Blick geht stadteinwärts an der Ostseite der Bramscher Straße entlang.
Ferdinand Hardinghaus (1879 1945) war Hastes letzter Bürgermeister.
Fotos:
Emil Harms, NOZ-Archiv, Familienarchiv Friedrich Hardinghaus, entnommen der Stadtteil-Chronik Osnabrück-Haste″ von Wido Spratte, H. Th. Wenner, Osnabrück, 1993
Autor:
Joachim Dierks


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