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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Drohen der Stadt Schulden wegen Corona?
 
Wie Osnabrück die Krise finanziell übersteht
Zwischenüberschrift:
Steuereinnahmen brechen ein, aber die Stadt kann sich neue Schulden leisten
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Die schöne Planung für den städtischen Haushalt ist dahin. Statt erneut einem ausgeglichenen Haushalt und einem möglichen Überschuss von rund sechs Millionen könnten nun der Stadt wieder Schulden blühen. Denn der Coronavirus hat auch den kommunalen Haushalt infiziert. Droht er die Stadt nun also wieder an den finanziellen Abgrund zu stoßen, wie im Jahr 2015? Denn wenn Geschäfte und Unternehmen eine zeitlang schließen und nicht produzieren können, brechen damit auch die Steuereinnahmen der Stadt ein. Bislang spürt Finanzchef Thomas Fillep von der Krise noch eher wenig. Die ersten Anträge zur Stundung von Steuervorauszahlungen wurden jedoch schon gestellt. Wie stark die Krise sich in Osnabrück auswirkt, wird sich allerdings erst noch zeigen.

Osnabrück Warum ist Osnabrück jetzt so reich? So war im November ein Bericht unserer Redaktion zum Stand der städtischen Finanzen überschrieben. Ein Titel wie aus einem anderen Zeitalter. Das Coronavirus hat auch den kommunalen Haushalt infiziert. Was kommt nun auf uns zu?

Wie starkt schlägt die Corona-Krise in den städtischen Haushalt ein? Es war einmal eine schöne Planung: Für 2020 erwartete Osnabrück Einnahmen von 593 Millionen Euro und Ausgaben von 587 Millionen. Unterm Strich sollte also ein Überschuss von rund sechs Millionen Euro bleiben. Die Stadt vertraute in den Planungen auf die solide Wirtschaftslage, die leicht steigende Steuereinnahmen verhieß.

104 Millionen Euro erwarteten die Finanzexperten im Rathaus in diesem Jahr aus der Gewerbesteuer, 74 Millionen Euro aus der Einkommensteuer. Diese Ansätze, die ein Drittel aller Einnahmen der Stadt ausmachen, sind jetzt schon Makulatur. Die Gewerbesteuer richtet sich nach dem Gewinn eines Unternehmens und ist daher stark konjunkturabhängig.

Wie entwickelt sich die Gewerbesteuer? Klar ist: Die Einnahmen werden einbrechen. Unklar ist, wie tief der Einbruch sein wird. Die Unternehmen müssen viermal jährlich (15. Februar, 15. Mai, 15. August, 15. November) die Gewerbesteuer im Voraus zahlen. Bemessungsgrundlage sind die bisherigen Zahlungen und die Erwartungen für die kommenden drei Monate. Die Zahlungen im Februar seien im erwarteten Rahmen gewesen, keine Spur von Krise, wie Finanzchef Thomas Fillep auf Nachfrage sagt. Doch jetzt rollt eine Welle von Anträgen auf Steuerstundung oder Herabsetzung auf die Finanzbehörden zu.

Auch die Kommunen im Landkreis setzen die vom Bund im Einvernehmen mit den Ländern geschaffene Möglichkeit um, zinslose Stundungen auszusprechen und Vorauszahlungen herabzusetzen. Es genüge ein formloser Antrag an die jeweilige örtliche Kommune, verbunden mit der Selbstauskunft, aufgrund der Corona-Krise die Steuerzahlung aktuell nicht leisten zu können, teilt der Sprecher der Bürgermeisterkonferenz, Reinhard Scholz, mit.

Die Kommunen haben Ähnliches schon einmal erlebt. Beispiel Osnabrück: In der Finanzkrise 2008/ 09 brachen die Gewerbesteuereinnahmen auf 62 Millionen (von 104 Millionen) Euro ein.

Welchen Kurs fährt der Rat in der Finanzpolitik? Nach der Jahrtausendwende bis 2015 wandelte Osnabrück meist am finanziellen Abgrund. Das Geld war immer knapp. Die Einnahmen deckten in der Regel nicht die laufenden Ausgaben für Löhne, Papier oder Fahrtkosten. Der Stadt blieb nur eine Wahl: Sie überzog ihr Girokonto. Sie nahm Kassenkredite (Liquiditätskredite) auf. Zwischenzeitlich stand das Minus auf dem Girokonto bei 170 Millionen Euro. Das stetige Wirtschaftswachstum in Deutschland machte sich dann ab 2016 auch im Haushalt bemerkbar. Die Stadt schloss die folgenden Jahre jeweils mit soliden Überschüssen ab. Endlich, endlich war das ewige Knausern vorbei. Die Politik sah sich ab 2018 wieder in der glücklichen Lage, zu gestalten, zu investieren und in Maßen Schulden abzubauen.

Wie wird die Politik auf die Finanzprobleme reagieren? Wenn die Einnahmen einbrechen, gibt es für Kommunen nur wenige Möglichkeiten, darauf zu reagieren: sparen, auf Rücklagen zugreifen, Bund und Land anpumpen, neue Schulden machen.

Sparen ist politisch unbequem und birgt die Gefahr, die konjunkturelle Talfahrt noch zu beschleunigen. Über nennenswerte Rücklagen kann die Stadt nicht verfügen, es sei denn, sie würde Tochtergesellschaften (wie die Stadtwerke) privatisieren worüber zumindest im Moment niemand ernsthaft nachdenkt. Die kommunalen Spitzenverbände haben schon in die Debatte geworfen, dass Bund und Länder die Kommunen nicht allein-lassen dürfen. Aber ob dort unten am Ende etwas ankommt? Sehr fraglich.

Bleibt als wahrscheinlichste Lösung: neue Schulden. Der Gesamtschuldenstand der Stadt (ohne Tochtergesellschaften) liegt zurzeit bei 380 Millionen. Davon sind 79 Millionen Euro (Stand: 25. März) Kassenkredite. Anders gesagt: Mit 79 Millionen Euro ist das Girokonto überzogen.

Wir können davon ausgehen, dass die Stadt in der Corona-Krise weiter das Girokonto belastet, in der Hoffnung, dass sich die Dinge nach ein oder zwei Jahren wieder konsolidieren. Genau dazu ist diese Kreditart auch da. Und, keine Sorge: Die Zinsen werden die Stadt nicht erdrücken. Sie liegen bei null oder sind sogar negativ. Die Stadt bekommt also noch Geld von der Bank dazu, wenn sie sich welches leiht. Für Normalbürger unvorstellbar.

Was steht in Osnabrück auf dem Spiel? Die Stadt hat sich für die kommenden vier Jahre ein gewaltiges Investitionsprogramm vorgenommen mit einem Volumen von 400 Millionen Euro wohl das größte ihrer Geschichte. Das Geld ist vor allem für Schulen und Straßensanierungen vorgesehen. Das Programm ist zum Teil kreditfinanziert. In diesem Jahr erhöht sich der Schuldenberg planmäßig um rund 30 Millionen Euro. Auch in den folgenden drei Jahren ist eine steigende Neuverschuldung jeweils um 40 bis 50 Millionen Euro geplant.

Macht die Politik angesichts der unsicheren Aussichten einen Rückzieher bei den Investitionen? Das ist unwahrscheinlich, denn sie steht bei den Bürgern im Wort, Versäumtes aufzuholen.

Denkbar wäre, dass freiwillige Leistungen wie Zuschüsse zu Vereinen und Teile der Kulturförderung auf den Prüfstand kommen. Aber, im Ernst: Die Politik wird die Kulturschaffenden, denen aktuell die Existenzgrundlage wegbricht, in Zukunft gewiss nicht unter weiteren Spardruck setzen. Im Gegenteil: Es sind Hilfen zugesagt, die Geld kosten.

Noch nicht absehbar ist, welche Spuren die Corona-Krise bei städtischen Tochtergesellschaften und Beteiligungen hinterlässt. Die Parkstätten-Betriebsgesellschaft OPG zum Beispiel war in den vergangenen Jahren ein solider Einzahler in den städtischen Haushalt. Ob das angesichts der derzeit leeren Parkhäuser auch für 2020 gilt, weiß noch keiner. Das Klinikum muss darauf vertrauen, dass die vom Bundesgesundheitsminister versprochenen Ausgleichszahlungen die Lücken stopfen, die die Verschiebung der elektiven (planbaren) Operationen schon gerissen hat. Vielleicht braucht am Ende auch der Flughafen Münster/ Osnabrück eine weitere Finanzspritze der Gesellschafter.

Wie wird Osnabrück die Krise finanziell bewältigen? Unsere Prognose: Die Stadt wird sich in hohem Maße neu verschulden, weil sie am Investitionsplan festhält, ihre Tochtergesellschaften stützt und ihre Fixkosten nicht plötzlich herunterfahren kann und will. Mindestens die Jahre 2020 und 2021 wird sie mit deutlichen Defiziten abschließen und damit ihr Girokonto weiter überziehen.

Aber: Osnabrück kann sich die Schulden leisten. Wenn es im Investitionsprogramm nicht zu unvorhergesehenen Mehrkosten kommt, wird Osnabrück die Krise finanziell meistern können ohne unmittelbar spürbare Nachteile für die Bürger.

Bildtext:
Die Investitionen zurückfahren? Damit würde die Stadt die wirtschaftliche Talfahrt noch weiter beschleunigen. Welchen Kurs schlägt die Kommunalpolitik also ein, um die finanziellen Folgen der Corona-Krise aufzufangen?
Foto:
Archiv/ Jörn Martens
Autor:
Wilfried Hinrichs


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