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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Noch vor Abpfiff in die Dunkelkammer
Zwischenüberschrift:
Der krasse Wandel eines Berufs: Zeitungsfotografie früher und heute
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Die Fotografie im Allgemeinen und die Fotografie für Medien wie die Neue Osnabrücker Zeitung″ („ NOZ″) im Speziellen haben sich in den vergangen Jahrzehnten extrem gewandelt. Wir blicken zurück auf eine Zeit, als Fön und Pieper zur Ausrüstung gehörten und die NOZ-Fotografen den Abpfiff eines VfL-Spiels in der Dunkelkammer erlebten.

Der Zeitungsfotograf kann sich häufig die Objekte seines Tuns nicht aussuchen. Er knipst, was verlangt wird. Dadurch bekommt er eine außergewöhnliche Vielfalt an Motiven vor die Linse, vom Obdachlosen bis zum Papst, von der im Schacht eingeklemmten Katze bis zur künstlerisch fordernden Studie einer Balletttänzerin. Das ist geblieben, auch wenn die Technik starkem Wandel unterliegt.

Blende, Zeit, Entfernung

In Abwandlung eines Werbeslogans sagten die Fotografen früher: Drei Dinge braucht der Mann: Blende, Zeit und Entfernung″. Die Kameras verlangten Einstellungen per Hand. Und wenn die Aufnahmen im Kasten waren, ging die Arbeit ja erst richtig los.

Wohl wenige Berufe haben in den letzten 30 Jahren so krasse Umbrüche erlebt wie der des Zeitungsfotografen. Ein Wettlauf gegen die Zeit war es schon immer. Heute im Zeitalter der Digitalfotografie ist die Erstellung der Druckvorlage einfacher geworden, aber der zeitliche Stress ist geblieben. Er beruht auf dem Anspruch, möglichst schnell nach dem Ereignis dieses auch bildlich im Internet auf noz.de zu präsentieren.

Vor 40 Jahren kannte die alte Garde der NOZ″-Fotografen das Wort Internet noch nicht. Und auch von Digitalkameras hatte noch niemand gehört. Als sich Hartwig Fender, Walter Fricke, Emil Harms und Paul Petschkuhn um 1978 in einem Redaktionsbüro zum Gruppenfoto aufstellten, trug jeder als Handwerkszeug seine gute Analogkamera vor der Brust. Fender, der sich als Einziger nicht der damaligen Berufskleidung mit Schlips und Kragen unterwarf, sondern seinen geliebten alpenländischen Janker trug, war damals Chef der Zeitungsfotografie.

Heute bekleidet Gert Westdörp diese Funktion. Als Westdörp 1981 bei der NOZ″ anfing, war Fender gerade krank. Deshalb hat Paul Petschkuhn mich eingewiesen″, erinnert sich Westdörp. Er drückte mir seine Leica R 3 in die Hand und ließ mich einen Film einlegen. Na, wenigstens das kann er ja schon mal″, lautete der knappe Kommentar des Altmeisters.″

Die größte Herausforderung für die Zeitungsfotografen waren damals die Abendspiele des VfL Osnabrück, Anpfiff 20 Uhr. Bis maximal 21.15 Uhr standen sie an der Linie und versuchten, eine gute Spielszene einzufangen. Von der zweiten Halbzeit bekamen sie also gerade einmal eine Viertelstunde mit. Während der Textreporter im Stadion blieb und das Spiel bis zum Ende verfolgen konnte, flitzte der Fotograf zu seinem Auto auf dem Sonderparkplatz. Fünf Minuten später traf er im NOZ″-Haus in der Großen Straße ein. Im Keller waren in beengten Verhältnissen zwischen Heizungsrohren und Lüftungskanälen die Labore untergebracht, vier kleine Plätze mit Schwarzweiß-Vergrößerern und ein Labor zur Entwicklung der Negativfilme.

Hier war schon alles vorbereitet: Der Kanister mit der Entwicklerflüssigkeit stand in einer Wanne mit 40 Grad warmem Wasser. Der Fotograf brachte typischerweise fünf Filme zu 36 Aufnahmen als Ausbeute des Spiels mit. Diese fünf Filme passten in eine Entwicklertrommel. Dank der vorgewärmten Chemikalie lief der Prozess etwas schneller ab, aber sieben bis acht Minuten gingen auf jeden Fall ins Land. Dann rasch zwischenwässern und ins Fixierbad. Beim Fixieren haben wir manchmal besonders Tempo gegeben, den Filmen höchstens drei Minuten gegönnt. Das hat man später gemerkt, wenn solche Filme schneller verblassten″, erzählt Jörn Martens, der auch noch die alten Zeiten miterlebt hat.

Erneutes Wässern, bis die meiste Chemie raus war″, und dann das Trocknen. Oftmals haben wir die Filme durch Spiritus gezogen, damit das schneller ging″, weiß Klaus Lindemann zu erzählen, der von 1980 bis zu seinem Ruhestand 2015 hauptberuflicher NOZ″-Fotograf war. Und wir haben den Fön zu Hilfe genommen, weil das mit dem Trockenschrank zu lange dauerte.″ Nun hatte man den Film, aber noch nicht die Bilder. Unter dem Vergrößerungsapparat hieß es: Durchziehen, durchziehen, Tempo! Die Sportredaktion wartet! Gute Szene suchen, Schärfe kontrollieren, Ausschnitt wählen, das Fotopapier belichten, entwickeln, ins Stoppbad tauchen, fixieren, wässern, trocknen… Im Schnitt kamen so zehn bis 15 Abzüge zustande, mit denen man weitermachen konnte.

Im Laufschritt

Der Fotograf sprang wieder ins Auto, raste zum Breiten Gang und stürmte zur Sportredaktion hoch. Bis 22 Uhr musste das passiert sein, damit die Kollegen es schaffen konnten, bis 22.30 Uhr die Seite zu bauen″, also Text und Fotos manuell zusammenzusetzen und die weiteren Druckvorbereitungen mit dem Klischieren der Fotos einzuleiten. Die Flutlichtspiele an der Bremer Brücke waren vom Zeitdruck her immer das Schwierigste″, resümiert Gert Westdörp, denn der Andruck, meistens um 23 Uhr oder um 23.30 Uhr, war heilig. Wir haben alles im Laufschritt erledigt.″ Es gab kein Redaktionssystem, in das man die Bilder hätte einspeisen können. So wie die Sportredaktion bekam auch jede andere Redaktion ihre Fotos händisch hereingereicht: Das war unser Turnschuh-Netzwerk″, nennt Westdörp es im Rückblick.

Heute ist der Redaktionsschluss spätabends für die gedruckte Zeitung nicht mehr der alleinige Dreh- und Angelpunkt. Wir haben permanenten Redaktionsschluss″, weiß Westdörp, denn der Digitalabonnent möchte rund um die Uhr mit dem Aktuellsten auch bildlich versorgt werden. Beispiel Bombenentschärfung: Der Liveticker verlangt ständig nach Just-in-time-Bildern. Wenn es dann Bumm! macht und die Bombe zur Explosion gebracht worden ist, schickt der Fotograf das Foto sofort per Handy in die Redaktion. Wenn etwas mehr Zeit ist, überträgt er die Fotos auf seinen mitgeführten Laptop, hat dadurch die Möglichkeit auszuwählen und zu bearbeiten. Und dann kann man nur hoffen, dass man nicht gerade in einem Funkloch sitzt und die Mail auch rausgeht″, schildert Klaus Lindemann häufig durchlebte Sorgen.

Die jüngste Generation der NOZ″-Fotografen wie Michael Gründel und David Ebener darf man als Digital Natives″ bezeichnen, die mit der Digitalfotografie groß geworden sind. Die etwas Älteren wie Westdörp, Lindemann und Martens haben den Wandel vom Analogen zum Digitalen in voller Länge miterlebt. Als sie anfingen, da mussten noch vom Bahnhof oder vom Überlandbus die Blechbehälter abgeholt werden, die die Filme aus den Außenredaktionen im Emsland oder im Südkreis enthielten. Denn kein Labor draußen in der Region konnte so schnell entwickeln wie das der NOZ″.

Sie unternahmen die ersten Gehversuche mit farbigen Fotos für die Zeitung, zunächst noch von Diapositiven aufbereitet. 1998 probierten die NOZ″-Fotografen die ersten Digitalkameras aus. Nach einigen Tests fiel die Wahl auf die qualitativ genügende Spiegelreflex-Digitalkamera, eine Canon EOS D 2000. Auch die Kommunikation mit den Redaktionen änderte sich. Bevor Handys um 1995 sich durchsetzten, wurde der Fotograf draußen vor Ort angepiept″. Das war das Signal, die nächste Telefonzelle aufzusuchen und in der Redaktion nachzuhören, welcher Anschlussauftrag noch auszuführen war. Und wenn dann nach langem Suchen der einzige öffentliche Fernsprecher kaputt war? Lindemann hat das oft genug erlebt: Tja, dann war′s das, dann sind wir eben so wieder nach Hause gefahren.″

Manchmal wird′s riskant

Das Leben des Zeitungsfotografen kann gefährlich sein. Jörn Martens war einst beim Hallenfußballturnier Hüggel-Cup″ zu nah am Geschehen. Ein stramm geschossener Ball traf auf die Kamera und diese auf seine Nase. Ein Nasenbeinbruch war die Folge. Klaus Lindemann hatte ein Erlebnis beim Bergrennen in Borgloh: Ein Rennwagen wurde aus der Kurve geschleudert und schoss wenige Meter neben ihm in die Botanik. Man sucht sich dann ja auch keinen langweiligen Standort aus, sondern einen, wo Dramatik zu erwarten ist.″ Vorsichtshalber hatte er sich hinter einem Baum postiert, sodass nichts passieren konnte.

Gert Westdörps gefährlichste Autofahrt hatte einen umgeknickten Hochspannungsmast bei Fürstenau zum Ziel. Es herrschte Eisregen. Die Redaktion wollte sich nicht mit Agenturfotos begnügen und wünschte sich eins aus der Region. Es war spiegelglatt, man kam nur im Schritttempo vorwärts. Ich brauchte zweieinhalb Stunden für den Weg, mir kamen auf der ganzen Strecke keine zwei Autos entgegen.″ Lohn der Angst: Westdörps Foto des geknickten Masts am nächsten Morgen vorne auf Seite 1.

Fotograf Michael Münch begleitete einst einen Wahlkampftermin von Helmut Kohl in der Stadthalle. Rückwärts lief er vor dem Kanzler her, als der mit seiner Entourage energisch durch die Gänge schritt. Münch konzentrierte sich voll auf sein Motiv und fotografierte eifrig. Plötzlich zogen ihn Sicherheitsleute zur Seite. Münch wäre sonst rückwärts gegen die Tür der Herrentoilette gekracht, die Kohl gerade ansteuerte.

Bildtexte:
Fast alle mit Schlips: Die alte Garde der fest angestellten NOZ-Fotografen um 1978 (oben). Von links: Hartwig Fender, Walter Fricke, Emil Harms und Paul Petschkuhn. Unten, die aktuellen NOZ-Fotografen: David Ebener, Jörn Martens, Gert Westdörp und Michael Gründel.
Fotos:
Archiv NOZ, Bastian Rabeneck
Autor:
Joachim Dierks


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