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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Stadtwerke streichen Schulbusse
 
„Wie die Ölsardinen″
Zwischenüberschrift:
Liniennetz-Reform 2020: Schulbus-Fahrten in Osnabrück stark eingedampft / Eltern entsetzt
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Anfang Februar wurde über Osnabrück ein neues Linienbus-Netz ausgerollt. Im Zuge dessen gestalteten die Stadtwerke auch den öffentlichen Schülerverkehr um: ein System von Sonderfahrten, bei denen sogenannte Einsatzwagen die Kinder und Jugendlichen morgens einsammeln und direkt zu den Schulen bringen nach Unterrichtsschluss mitunter auch zurück.

Doch seit der Schülernetz-Reform sind deutlich weniger Einsatzwagen in Osnabrück unterwegs als vorher. Teilweise wurden Routen verkürzt, teilweise verlegt und teilweise komplett gestrichen. Eltern vor allem jüngerer Schulkinder aus verschiedenen Stadtteilen sind darüber entsetzt. Sie fordern, dass die Abschaffung bestimmter Schulbusse rückgängig gemacht wird. Die Stadtwerke zeigen bereits Reaktionen.

Osnabrück Herbe Einschnitte im Osnabrücker Schülerverkehr stellen Familien vor Probleme. Kinder müssten sich in die Busse quetschen wie Ölsardinen″ und manchmal sogar an den Haltestellen zurückbleiben, klagen Eltern.

Am 5. Februar 2020 wurde über Osnabrück ein ganz neues Buslinien-Netz ausgerollt. Im Zuge dessen gestalteten die Stadtwerke auch den öffentlichen Schülerverkehr um: ein System von Sonderfahrten, bei denen sogenannte Einsatzwagen die Kinder und Jugendlichen morgens einsammeln und direkt zu den Schulen bringen nach Unterrichtsschluss mitunter auch zurück.

Bei der Schülernetz-Reform wurde gut ein Drittel der bisherigen Einsatzwagen-Fahrten angepasst, das heißt: Routen wurden teils verkürzt, teils verlegt oder auch komplett gestrichen. Die Einschnitte erfolgten an den Stellen, wo wir ein verbessertes Linienangebot vorhalten und ein gesonderter Schülerverkehr nicht mehr zwingend erforderlich ist″, erklärt Stadtwerke-Sprecher Marco Hörmeyer auf Anfrage unserer Redaktion. Zahlen zum Umfang des Schülerverkehrs vor und nach der Netzumstellung nennt er nicht. Die Veränderungen würden jedoch vor allem die drei Achsen Neumarkt-Eversburger Platz, Neumarkt-Schinkel und Neumarkt-Hellern betreffen.

Widerstand regt sich

In vielen Familien formiert sich nun Widerstand. Eltern aus verschiedenen Stadtteilen fordern, dass die Abschaffung bestimmter Schulbusse rückgängig gemacht wird.

Im Stadtteil Widukindland hat sich die Gruppe der selbst ernannten Wutmütter″ gegründet. Jennifer Schwarz gehört dazu. Sie wohnt gut eineinhalb Kilometer Luftlinie von der Gesamtschule Schinkel (GSS) entfernt. Ihre Tochter besucht dort die sechste Klasse. Die Stadtwerke bieten für sie und andere Kinder dieser Gegend den Einsatzwagen E 161 an: Um 7.41 Uhr vom Haster Weg aus Dodesheide kommend, nimmt er auch in Widukindland Schüler auf und erreicht sein Ziel auf der anderen Seite des Schinkelbergs um 8.02 Uhr. Allerdings, klagt Schwarz, sei dieser Schulbus ständig überfüllt. Die Kinder quetschen sich wie Ölsardinen.″ Früher habe es immerhin zwei Schulbusse auf diesem Stück gegeben. Doch schlimmer noch als das Gedränge am Morgen sei die Situation nach Unterrichtsschluss. Denn zurück ins Widukindland fährt auf einmal gar kein Schulbus mehr.″

Eltern sähen sich deshalb veranlasst, ihre Kinder nachmittags mit dem Auto von der GSS abzuholen. Wir bilden jetzt Fahrgemeinschaften″, berichtet die Wutmutter″. Linienbusse wie die M3, M4 oder die Ringlinie 10/ 20 würden sich für den Heimweg kaum anbieten. Zu viele Umstiege, das dauert zu lange.″ Und die Schüler hin und zurück laufen oder radeln zu lassen, sei auch keine Option. Zu gefährlich.″

Ähnlich argumentieren Katrin Bäumer und ihr Mann Jörg Wellmann-Bäumer aus dem Stadtteil Schölerberg. Ihr Sohn geht aufs Graf-Stauffenberg-Gymnasium (GSG) im Stadtteil Kalkhügel. Für die knapp drei Kilometer lange Strecke steigt der Sechstklässler jeden Morgen in den Bus. An der Haltestelle Klump″ hält um 7.20 Uhr der Einsatzwagen E 172, kommend vom Gretescher Turm planmäßige Ankunft am GSG: 7.34 Uhr. Doch auf diese Sonderfahrt greift der Junge, wenn überhaupt, nur noch widerwillig zurück. Denn auch hier haben die Stadtwerke die Anzahl der Schulbusse zurückgefahren.

Vor der Netzumstellung gab es drei Einsatzwagen, berichtet Bäumer. Jetzt fahre nur noch ein kleinerer Solobus, und der sei oft dermaßen voll, dass er an der Haltestelle , Klump′ nicht einmal mehr anhält″. Weil auch in dem nachfolgenden Bus der Linie 17 (Voxtrup-Hellern über Eversburg und Atter) unerträgliche Enge herrsche und die Kinder kaum Luft bekommen″, wie die Mutter sagt, würden ihr Sohn und seine Freunde inzwischen freiwillig einen Bus früher nehmen. Auch wenn sie dann ab Lutherkirche ein paar Hundert Meter zu Fuß gehen müssten und weit vor Unterrichtsbeginn am GSG ankämen.

Von unserer Redaktion mit den Vorwürfen konfrontiert, räumen die Stadtwerke Startschwierigkeiten im neuen Schülernetz ein. Wir haben im Vorfeld insbesondere im Dialog mit den Schulleitern darauf hingewiesen und betont, dass wir in den ersten Tagen nach Betriebsstart ganz genau prüfen werden, wo es im Schülerverkehr zu Problemen kommt, und dann bewerten, ob und inwiefern wir nachsteuern″, sagt Sprecher Hörmeyer. Inzwischen habe der Verkehrsbetrieb bereits an einigen Stellen reagiert.

Stadtwerke reagieren

So werde in den beiden aufgeführten Fällen wieder ein Gelenkbus anstatt eines Solobusses (Einsatzwagen 172 Schölerberg zum GSG) beziehungsweise ein zweites Fahrzeug zur Verstärkung (Einsatzwagen 161 Widukindland zur GSS) eingesetzt. Wir werden die Situation auch weiterhin beobachten″, versichert Hörmeyer. Zudem finde Ende Februar ein erneutes Treffen mit Schulamt und Schulleitungen statt.

Auf die Wiedereinführung eines Schulbusses von der Gesamtschule Schinkel zurück ins Widukindland dürften Eltern und Kinder jedoch vergeblich hoffen. Die Schüler der GSS mit Ziel Widukindland können nach Schulschluss mit der M3 stadteinwärts fahren, an den Haltestellen , Tannenburgstraße′/, Rosenburg′ in die Ringlinie umsteigen und bei Bedarf in die M4 wechseln″, erklärt der Stadtwerke-Sprecher. Dies sei zwar mit einem oder zwei Umstiegen verbunden – „ ist aber unseres Erachtens dank der guten neuen Verbindung nebst guter Taktung zumutbar.″

Bildtext:
Wie viele Kinder passen in einen Schulbus? Viele Schüler müssen sich dieser Frage in Osnabrück laut ihren Eltern tatsächlich täglich stellen, anstatt wie hier im Bild freiwillig bei einem ADAC-Test.
Foto:
dpa/ Jan Potente

Das Schülernetz

Das Osnabrücker Schülernetz umfasst nach der Liniennetz-Reform Fahrten zu 18 Zielen in 12 Stadtteilen.

Schinkel-Ost: Diesterwegschule, Gesamtschule Schinkel

Haste: Angelaschule, Thomas-Morus-Schule

Sonnenhügel: Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, Wittekind-Realschule, Felix-Nussbaum-Schule, Anne-Frank-Schule

Wüste: Erich-Maria-Remarque-Realschule, Gymnasium In der Wüste″

Kalkhügel: Graf-Stauffenberg-Gymnasium

Lüstringen: Wald- und Bergschule Lüstringen

Nahne: Franz-Hecker-Schule

Eversburg: Integrierte Gesamtschule Eversburg

Atter: Grundschule Atter

Hellern: Grundschule Hellern

Voxtrup: Grundschule Voxtrup

Innenstadt: Rosenplatzschule

Kommentar
Kindern mehr zutrauen

Die Reaktion ist menschlich: Wird jemandem etwas Liebgewonnenes weggenommen, löst das beim Betroffenen mitunter harschen Protest aus. Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr ticken da erst mal nicht viel anders als Kinder im Sandkasten. Was dem einen sein Schippchen, ist dem anderen seine Direktverbindung.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die von den Stadtwerken im Zuge der Liniennetz-Reform vorgenommene Kürzung des Schulbusangebots fiel hier und da zu heftig aus. Entsprechend berechtigt ist Kritik. Aber der Verkehrsbetrieb bessert bereits punktuell nach und will dies bei Bedarf auch weiterhin tun.

Auf der anderen Seite sollten Familien, deren Kinder den Schulweg vorzugsweise mit dem Bus absolvieren, aus den veränderten Rahmenbedingungen nicht die falschen Schlüsse ziehen. Warum immer gleich Elterntaxi spielen? Warum nicht Kinder bei überschaubaren Strecken begleitet oder in Gruppen mit Roller oder Fahrrad fahren lassen? Sicherheit im Straßenverkehr lernt man am besten durch eigene Teilnahme. Selbst Busfahren wird nicht unmöglich, nur weil man statt auf separate Einsatzwagen plötzlich auf den (an vielen Stellen verbesserten) Taktverkehr zurückgreifen muss. Umstiege mögen unbequem sein, sie sind aber nicht per se unzumutbar.

s.stricker@ noz.de
Autor:
Sebastian Stricker


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