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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kahlschlag am Dörenberg
Zwischenüberschrift:
Wo Klimawandel greifbar wird: Mehr als 200000 Bäume im Landkreis fallen Borkenkäfer zum Opfer
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Georgsmarienhütte Wo vor einem Jahr noch 30 Meter hohe Fichten standen, bieten sich am Dörenberg nun ungeahnte Aussichten auf das Schloss Bad Iburg. Milliarden Borkenkäfer haben im vergangenen Jahr mehr als 200 000 Bäume im Osnabrücker Land dahingerafft. Und der Forstamtsleiter für die Region Osnabrück, Reinhard Ferchland, warnt: Ein Ende der Katastrophe ist noch nicht in Sicht.″ Ein Ortstermin im Krisengebiet.

Ferchlands Blick bleibt an einer einsamen, etwa 80 Jahre alten Fichte hängen. Als letzter von einst Hunderten Nadelbäumen in diesem Bereich hat er bislang den Käfern getrotzt und versperrt wie ein Strich in der Landschaft von der höchsten Erhebung des Landkreises den Blick auf den zwei Kilometer entfernten Kurort Bad Iburg.

Wie groß ist der Schaden im Privatwald? Der Dörenberg ist das Epizentrum der Käfer-Krise. Mehr als die Hälfte des Baumbestandes macht die Fichte aus. Laut Bezirksförster Christoph Dries haben die Schädlinge sich hier im Bereich des Privatwalds insgesamt durch eine mehr als 100 Fußballfelder große Fläche gefressen. Die nur etwa fünf Millimeter langen Insekten haben somit ein Viertel des gesamten Fichtenbestandes in seinem Bezirk absterben lassen.

Die Stürme Sabine″ und Victoria″ haben in den vergangenen Wochen zwar nur einen Bruchteil des Gesamtschadens von Friederike″ angerichtet. Das Problem ist aber, dass sie sehr viele einzelne Fichten in ansonsten gesunden Beständen umgerissen haben. Diese aus dem Teutoburger Wald zu schaffen ist aufwendig, da sich der Einsatz von schwerem Gerät für die privaten Waldbesitzer wirtschaftlich nur lohnt, wenn sehr viele Bäume aus dem Wald geschafft werden müssen. Bleiben diese Bäume aber in den kommenden sechs Wochen bis zum Beginn der Käfer-Saison liegen, dienen sie als Brutstätte, und die Borkenkäfer vermehren sich auch in bislang gesunden Bereichen exponentiell″, warnt Dries.

Warum hoffen Förster auf einen regnerischen Sommer? Im Staatswald ist am Dörenberg zudem eine mehr als 40 Fußballfelder große Fläche den Käfern zum Opfer gefallen. Forstamtsleiter Ferchland beschreibt: Seit Anfang 2018 haben wir erst den Windwurf aufgearbeitet, und ab Sommer 2018 haben wir die verbleibenden, absterbenden Fichten geerntet, um möglichst viele Borkenkäfer aus dem Wald rauszukriegen. Wir sind hier aber leider noch nicht am Ende.″ Aktuell seien noch mehr Borkenkäfer im Wald als zum Beginn der vergangenen Jahre. Ferchland hofft auf einen feuchten, kühlen Sommer, um die Plage noch eindämmen zu können. Seine vage Hoffnung: Bei kühlem und nassem Wetter können sich unter der Rinde Pilze entwickeln, die den Käfer schädigen.″ Wenn Frühjahr und Sommer 2020 also wieder ähnlich trocken und heiß werden sollten, dann werden wir in diesem Jahr wieder genauso viel zu tun bekommen wie im letzten Jahr″, befürchtet Ferchland.

Jens Kohlbrecher ist seit 2013 zuständiger Leiter für das Revier des Staatswaldes am Dörenberg. Ihm geht der Kahlschlag sichtlich nahe. Sein grünes Förster-Cappy wirft Schatten auf seine Augen, die gerade das Waldgebiet vor ihm scannen. Er macht sich selbst Mut und weist darauf hin, dass seine Vorgänger in diesem Bereich des Dörenbergs neben Fichten auch Buche und Douglasie angepflanzt haben: Nur dadurch ist das hier noch einigermaßen Wald.″ Ansonsten wäre vor ihm noch deutlich mehr als die aktuelle, etwa zwei Fußballfelder große Fläche kahl. In weiten Teilen des Dörenbergs wurde dieser Umbau des Waldes hin zu mehr Mischwald mit größeren Anteilen von Eiche oder anderen Laubbaumarten zu spät angegangen.

An einer anderen Stelle des Dörenbergs mit Blick gen Osten Richtung Freeden konstatiert Ferchland: An dieser Stelle war es absolut dunkel. Man konnte das Tal nicht sehen, man konnte die Straße nicht sehen, und einen schönen Ausblick hatte man schon gar nicht. Hier standen Fichten. Und diese hat sich der Borkenkäfer in den letzten zwei Jahren vorgenommen und eine richtige Schneise reingefressen.″

Wie viele Fichten gibt es noch in der Region? Die deutlich mehr als 200 000 Bäume, die 2019 im Privat- und Staatswald der Region vom Borkenkäfer zerfressen wurden, entsprechen, auf den gesamten Landkreis bezogen, einem Flächenverlust von rund zehn Prozent für die Fichte, so Ferchland. Allerdings bedeute das auch, dass im Landkreis immerhin noch 90 Prozent des Bestandes an Fichten stünden. Das zeigt: Es lohnt sich durchaus, uns nicht zurückzulehnen und den Kampf gegen den Borkenkäfer weiterzuführen. Es gibt noch eine Menge zu retten.″

Wie kämpfen Förster gegen Borkenkäfer? Revierleiter Kohlbrecher warnt: Das Ende ist noch nicht in Sicht. Das Spiel wird in diesem Jahr weitergehen.″ Wenn das Team des Forstamtes nichts unternehmen würde, würden alle Fichten hier absterben. Die Strategie dagegen lautet: Möglichst schnell alle befallenen Bäume erkennen und aus dem Wald in die Sägewerke bringen, damit die etwa 1000 Borkenkäfer pro Baum nicht auch noch auf andere Bäume überspringen. Unterstützend werden im März oder April die sogenannten Tri-Net-Fallen aufgestellt. Rund 1200 dieser Fallen hatte der Landkreis im Frühjahr 2019 aufstellen lassen, um die Käfer mit Pheromonen in mit Insektiziden beladene Fallen zu locken. Die Vermehrung konnte dadurch geringfügig eingedämmt werden, die Massenausbreitung verhindern konnten sie nicht.

Im Schnitt bringen mehr als 1000 Schädlinge eine Fichte zur Strecke, indem sie deren Saftstrom unterbrechen und den Baum mangels Nährstoff- und Wasserzufuhr absterben lassen. Danach fliegen sie zum nächsten Baum, der wegen der Trockenheit im vergangenen Sommer nicht mehr ausreichend Harz produzieren konnte, um sich gegen die Übermacht der Insekten zu wehren.

Warum breiten sich die Schädlinge so schnell aus? Nachdem die lange Dürre die Käferpopulation in den vergangenen beiden Jahren exlosionsartig ansteigen ließ, könnte sich dieses Szenario in diesem Sommer noch ein weiteres Mal wiederholen. Der Unterschied: Die Ausgangspopulation ist in diesem Frühjahr sogar noch einmal größer. Bei heißem und trockenem Wetter kann es statt der sonst üblichen zwei sogar drei Generationen geben.

Förster in unserer Region gehen davon aus, dass es sowohl 2018 als auch 2019 zur Entwicklung dieser dritten Generation kam, da es im Frühjahr früher warm wurde und die besonders trockenen und heißen Sommer länger dauerten. Experten sprechen davon, dass ein Weibchen bis zu 100 Eier legen kann. Somit könne ein Weibchen unter guten Bedingungen über drei Generationen bis zum Herbst rund 100 000 Nachkommen haben. Wegen der rasanten Vermehrung und Ausbreitung ist es verheerend, wenn befallene Bäume nicht bis zum Saisonbeginn im April in die Sägewerke gebracht werden.

Letztlich kann nur ein Bündel von Maßnahmen zum Erfolg führen. Besonders wichtig ist dabei aber, möglichst viele Käfer möglichst schnell zusammen mit dem Holz aus dem Wald zu schaffen. Ferchland warnt: Aus einem befallenen Baum kann schnell auch ein Hektar befallene Bäume werden, wenn man nichts dagegen unternimmt.″

Aktuell befinden sich die Schädlinge noch zu Millionen in der Bodenstreu oder unter den Rinden der Nadelhölzer. Sie fliegen aus, wenn die Temperaturen sich wieder der 20-Grad-Marke nähern. Dann beginnt der Kampf wieder von vorne.

Bildtexte:
Das Luftbild zeigt Teile des Kahlschlags am Dörenberg.
Borkenkäfer vermehren sich rasant. Befallene Fichten müssen so schnell wie möglich aus dem Wald.
Jens Kohlbrecher (l.) ist Revierleiter am Dörenberg. Im Hintergrund ist eine einsame Fichte übrig geblieben.
Fotos:
Andre Havergo, David Ebener
Autor:
Jean-Charles Fays


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