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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Enttäuscht, aber nicht ohne Hoffnung
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Scherz und Cramer Büroartikel, Wäsche Schmiemann, die Mohren-Apotheke und Bücher Acker, Schlachterei Lukosch, das Bekleidungshaus Leffers und Hosen Bäumer: Älteren Osnabrückern klingen solche Namen noch in den Ohren, wenn sie an die Johannisstraße denken. Wer sich heute auf die Suche macht, stolpert vom Mc Döner Kebap an der Spielothek vorbei zum Euro-Shop, findet Billigklamottenläden neben Fast-Food-Restaurants. Aber es gibt immer noch das Schuhhaus Bröcker und Foto Erhardt, alteingesessene Geschäfte, die sich bis heute behauptet haben.

Heinz von der Haar kann zu jedem Haus eine Geschichte erzählen. Dass im Haus von Barber Boss früher Baubeschläge verkauft wurden, dass zu der Blaubeere″, ehemals Johannisbeere″, mal ein Pferdestall gehörte und dass sich eine streitbare ältere Dame aus Ärger über die Stadtverwaltung weigerte, einen Wohnwagen von ihrem Grundstück gegenüber von St. Johann zu entfernen.

Ärger mit der Stadt hatte auch die Familie von der Haar, weil sie beim Wiederaufbau ihres im Krieg zerstörten Hauses den neuen Straßenverlauf außer acht ließ mit dem Ergebnis, dass noch einmal abgerissen und wiederaufgebaut werden musste. Es war der Urgroßvater, der vor 110 Jahren eine Blumenhandlung schräg gegenüber von St. Johann aufgemacht hatte. Heute gibt es das Pflanzengeschäft immer noch, aber nicht mehr in der Johannisstraße, sondern als Pottblume″ im Fledder. Bei den von der Haars ist jetzt Jonathans Laden drin.

Immer schriller

Zusammen mit seinem Freund und Nachbarn Olaf Richter, Inhaber vom Treibhaus″ und Vorsitzender der Interessengemeinschaft, blättert der 67-jährige Blumenhändler in einem Fotoalbum. Bauarbeiten sind darin zu sehen, immer wieder Bagger, das aufgerissene Pflaster und Paletten mit Steinen. Die Bilder geben auch preis, dass die Schriftzüge an den Fassaden schriller, die Namen der Geschäfte weniger klangvoll geworden sind. Und dass heute mancher Schaden gar nicht repariert wird, selbst wenn an der Schokoladenseite der Lack ab ist.

Der Wandel hat aus der Johannisstraße eine Adresse gemacht, die sich nicht mehr überregional vermarkten lässt, wie es der Immobilienspezialist Achim Weitkamp auf den Punkt bringt. Dabei wurde sie vor noch nicht langer Zeit als B-Lage taxiert. Wie ist es zu diesem Niedergang gekommen? Heinz von der Haar wirft der Stadt vor, sie habe die Straße ausbluten lassen″ und die Anlieger im Stich gelassen. Olaf Richter, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft, hatte sich vom Einkaufscenter am Neumarkt neue Impulse für das Quartier erhofft. Jetzt ist er enttäuscht, dass Unibail Rodamco Westfield abgesagt hat. Und er sieht die Stadt in der Verantwortung, weil sie dem Konzern mit ihren komplizierten Vorgaben das Leben schwer gemacht habe.

Schwer zu sagen ist, wann die Johannisstraße in die Abwärtsspirale geraten ist. An den Esprit, den die Große Straße (auch nicht immer) verbreitet hat, kam sie nie ganz heran. Aber als die Anfang der 70er-Jahre Fußgängerzone wurde, wollte die kleine Schwester auch. Ihr Wunsch wurde erfüllt, allerdings unter Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs.

Busse als Fluch oder Segen

Haben die Busse der Einkaufsmeile südlich des Neumarkts geschadet oder doch eher genützt? Darüber gehen die Meinungen bis heute auseinander. Dass der permanente Strom großvolumiger Dieselfahrzeuge nicht gerade als Wohltat für Nase und Ohren empfunden wird, steht der Erkenntnis gegenüber, dass er den Geschäften Kundschaft beschert. Busse haben allerdings einen gravierenden Nachteil: Pflasterungen aller Art sind ihrem Gewicht nicht gewachsen, schon gar nicht beim Bremsen.

Aus der Fahrbahn wurde ein Wackelpudding mit Stolperfallen für die Fußgänger, und der Anblick von Baukolonnen, die solche Schäden reparierten, gehörte fast schon zum Straßenbild. Dass die Fachleute vom Tiefbauamt das Problem über Jahrzehnte nicht in den Griff bekamen, förderte nicht gerade das Vertrauen von Anliegern und Geschäftsleuten in die Stadt.

Noch schwerer wog, dass 1986 mit der Schließung des Kaufhauses Hertie der größte Publikumsmagnet auf der Südseite des Neumarkts verloren ging. An dessen Anziehungskraft reichten auch die Nachfolger Wöhrl, Krüger und Ypso nicht heran. Den Schaden hatte die Johannisstraße, in der sich zunehmend Billigläden breit machten.

Shoppingmeile zu lang?

Als Konsumforscher in den 90er-Jahren herausfanden, dass der Aktionsradius eines durchschnittlichen Innenstadtbesuchers selten größer als 400 Meter ist, war das wieder eine bittere Pille für die südliche Innenstadt. Damit stellte sich auch für die Stadtplaner die Frage, ob Osnabrücks Shoppingmeile vielleicht etwas überdimensioniert sei. Und weil der Fußgängerzone mit der Kamp-Promenade gerade noch ein neues Sahnehäubchen aufgesetzt wurde, erschien manchen die Johannisstraße als Einkaufsstraße obsolet.

Es gab schon Überlegungen, ihr eine neue Aufgabe zuzuweisen als Standort für Büros und Uni-Einrichtungen, Praxen und Kanzleien. Doch damit war es vorbei, als Investoren wie ECE und mfi Pläne für ein Neumarkt-Center (zuerst rund um das Landgericht, dann rund um das Wöhrl-Gebäude) präsentierten, von denen auch die Johannisstraße profitieren sollte.

Dass diese Träume im Sommer 2019 geplatzt sind, war wohl der härteste Schlag für die Anlieger, die seit Jahrzehnten mit dem Rücken zur Wand stehen. Heinz von der Haar und Olaf Richter sind enttäuscht, dass es so weit gekommen ist. Aber die Hoffnung geben sie nicht auf. Zum Vorbild nehmen sie sich die Hasestraße. Vor noch gar nicht langer Zeit war es um sie schlecht bestellt. Und heute, nach der Umgestaltung, ist sie eine begehrte Adresse. So müsste doch auch die Johannisstraße die Kurve kriegen!

Bildtexte:
Krechting & Pförtner, Fahrrad Göttgens und Wäsche Schmiemann: Solche Namen waren 1979 noch präsent.
Namen die längst vergessen sind: die Johannisstraße in den 80er Jahren.
Der ganze Stolz: Mit der neu gestalteten Johannisstraße wurde die Osnabrücker Einkaufsmeile 1980 nach Süden verlagert.
Erst zwei Jahre alt ist diese Aufnahme, im Hintergrund der Neumarkt.
Sie hoffen auf bessere Zeiten für die Johannisstraße: Olaf Richter und Heinz von der Haar.

Fotos:
Hartwig Fender, Elvira Patron, Walter Fricke, Michael Gründel, Rainer Lahmann-Lammert

Das Pflaster-Dilemma: So war das mit den Klöcker-Steinen

Am 17. November 1979, da lachten sie noch, Oberbürgermeister Ernst Weber, Oberstadtdirektor Raimund Wimmer und Stadtbaurat Franz-Josef Klöcker. Sie saßen im ersten Bus, der durch die neu gestaltete Johannisstraße fuhr, und winkten den Passanten zu. Doch schon bald dürfte ihnen das Lachen vergangen sein, denn das schöne Straßenpflaster aus sechseckigen Betonsteinen und roten Porphyrbändern kam in Bewegung, weil es dem Gewicht der Busse nicht standhielt.

Klöckerpflaster″ hieß es damals lautmalerisch, in Anlehnung an den Namen des Stadtbaurats. Zuerst waren die Regenrinnen aus Kunststoff hinüber, und schon nach wenigen Jahren musste an den Schwachstellen nachgebessert werden überall dort, wo die Busse bremsten oder beschleunigten. Bei der nächsten Sanierung verwendete die Stadt anstelle der sechs Zentimeter hohen Sechsecksteine doppelt so hohe Exemplare. Als auch deren hörbares Klackern den Handlungsdruck erhöhte, versuchte das Tiefbauamt, das Pflaster mit einem Fugenvergussmittel zu stabilisieren. Ohne Erfolg.

Die nächste Eskalationsstufe war ein sogenanntes Ipro-Pflaster, das mit seiner Knochenform einen derart stabilen Verbund und damit einen sicheren Untergrund für die schweren Busse bilden sollte. Leider vergebens, am Ende gab es doch wieder Wackelpudding und Stolperfallen für die Fußgänger. 1997 kamen findige Köpfe im Tiefbauamt auf die Idee, schwedische Granitsteine, die unter dem Asphalt des Kollegienwalls steckten, in der Johannisstraße zu recyceln. Und damit nichts schiefging, wurden diese schweren Brocken aus der Natur gleich mit Bitumen verfugt. Es ging trotzdem schief.

Am Ende geschah das, was eigentlich niemand wollte: Die Fußgängerzone wurde wie eine ganz normale Straße asphaltiert. Sah zwar nicht schön aus, sollte aber halten. Als 2019 im Zusammenhang mit der Neumarkt-Umgestaltung Leitungen verlegt werden mussten, wurde der Asphalt aufgerissen und am Ende wieder notdürftig zugestopft.

Dieses Provisorium muss nun halten, bis die Zeit für den nächsten Bodenbelag reif ist: Graue Betonstreifen sollen es sein, wie demnächst auch am Neumarkt. Und so ähnlich, wie wir sie vom Rosenplatz kennen. Aber da gab es ein Problem mit Rissen. Davon sollen Neumarkt und Johannisstraße natürlich verschont bleiben. Erst wenn erforscht ist, wie solche Mängel künftig vermieden werden können, will die Stadt den Auftrag erteilen.

Bildtext:
Ein besonderes Pflaster: die Johannisstraße an der Ecke Große Rosenstraße 2012.
Foto:
Jörn Martens
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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