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1
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1.
Erscheinungsdatum:
25.01.2020
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
„Keiner fragt, warum ich hier stehe″
Zwischenüberschrift:
Wie die Straßenzeitung „Abseits″ einem Osnabrücker Halt gibt
Artikel:
Originaltext:
Anfangs
schämte
er
sich.
Als
Sven
Hildebrandt
sich
vor
20
Jahren
zum
ersten
Mal
in
die
Osnabrücker
Fußgängerzone
stellte,
um
die
Straßenzeitung
„
Abseits″
zu
verkaufen,
war
das
ein
öffentliches
Eingeständnis,
dass
er
Probleme
hatte.
Doch
warum
er
in
der
Kälte
steht
und
stumm
auf
Käufer
wartet,
fragt
ihn
fast
nie
jemand.
Dies
ist
seine
Geschichte.
Sven
Hildebrandt
entgeht
nichts.
Der
43-
Jährige
steht
still
und
leicht
vorgebeugt
auf
seinem
Stammplatz
in
der
Großen
Straße
vor
Apollo-
Optik,
direkt
gegenüber
dem
Eingang
von
L+
T.
Er
schaut
den
Menschen
zu,
die
an
ihm
vorbeihetzen,
und
wartet
darauf,
dass
sich
einer
aus
der
Menge
löst
und
auf
ihn
zukommt,
um
eine
Abseits
zu
kaufen.
Die
Zeitschriften
hält
er
vor
sich
in
der
Hand,
an
seiner
Jacke
trägt
er
einen
Ausweis
mit
Foto,
der
ihn
als
offiziellen
Abseits-
Verkäufer
ausweist.
„
Die
meisten,
die
du
siehst,
sind
in
Eile″,
sagt
er.
Manche
Passanten
blicken
zu
Boden,
manche
sehen
ihn
und
machen
einen
Bogen,
manche
gucken
und
gehen
direkt
an
ihm
vorbei,
viele
nehmen
ihn
gar
nicht
wahr.
„
Du
siehst,
ob
die
Leute
gestresst
sind,
du
siehst
alles″,
sagt
er.
Er
und
die
anderen
30
bis
35
Abseits-
Verkäufer
in
Stadt
und
Landkreis
sind
stille
Beobachter.
In
den
25
Jahren,
die
es
die
Straßenzeitung
gibt,
hat
sich
die
Unaufdringlichkeit
bewährt.
Sie
sprechen
die
Passanten
nicht
an,
sondern
warten,
dass
sie
angesprochen
werden.
Heute
hat
Sven
Hildebrandt
keine
großen
Hoffnungen,
viel
zu
verkaufen.
Die
meisten
Osnabrücker
haben
die
aktuelle
Abseits-
Ausgabe
von
Dezember
bereits;
die
neue
erscheint
Ende
Januar.
Doch
es
dauert
nicht
lange,
und
ein
älterer
Herr
kommt
auf
ihn
zu,
kauft
Sven
Hildebrandt
ein
Exemplar
ab.
Direkt
danach
spricht
eine
Frau
ihn
an:
„
Eine
Abseits,
bitte!
″
Es
läuft
erstaunlich
gut.
Er
bettelt
nicht
1,
60
Euro
kostet
eine
Ausgabe
im
Verkauf.
Für
die
Hälfte
hat
Hildebrandt
die
Zeitung
in
der
Tageswohnung
beim
katholischen
Verein
für
Soziale
Dienste
(SKM)
gekauft.
Den
Gewinn
darf
er
behalten.
Die
Frau
gibt
Sven
Hildebrandt
drei
Euro,
der
Rest
ist
für
ihn.
Und
eine
ältere
Dame,
die
die
Ausgabe
wohl
schon
hat,
gibt
ihm
einfach
so
etwas
Geld.
„
Das
passiert
öfters″,
sagt
er.
Sogar
eine
Jacke
hat
er
schon
mal
geschenkt
bekommen,
als
er
im
Winter
im
T-
Shirt
draußen
stand,
um
die
Zeitung
zu
verkaufen.
Das
und
die
Kontakte
mit
den
Menschen,
die
er
dort
draußen
regelmäßig
trifft,
sind
die
schönen
Seiten.
Hildebrandt
hat
das
Gefühl,
etwas
Sinnvolles
zu
tun,
wenn
er
morgens
seinen
Standplatz
einnimmt.
Er
bettelt
nicht,
er
verkauft
ein
Produkt
–
und
dafür
bekommt
er
durchaus
Wertschätzung.
Es
gibt
aber
auch
Zeiten,
in
denen
die
Stadt
rappelvoll
ist
und
er
45
Minuten
lang
kein
einziges
Exemplar
los
wird.
Ein
bisschen
tut
es
ihm
immer
noch
weh,
wenn
die
Leute
wegschauen.
„
Abgelehnt
zu
werden
ist
nicht
schön″,
sagt
der
43-
Jährige.
Er
wurde
auch
schon
bespuckt
und
als
„
arbeitsloser
Penner″
und
„
Stück
Scheiße″
beschimpft.
Vor
allem
jüngere
Leute
rufen
im
Sprüche
zu
wie:
„
Geh
mal
arbeiten!
″,
berichtet
er.
„
Es
fragt
aber
keiner,
warum
ich
hier
stehe.″
Er
ist
einer
der
Menschen
am
Rande
der
Gesellschaft,
auf
deren
Situation
die
Straßenzeitung
aufmerksam
macht
und
die
von
der
Osnabrücker
Wohnungslosenhilfe
des
SKM
aufgefangen
werden,
die
hinter
der
Abseits
steckt.
Seit
25
Jahren
gibt
es
die
Straßenzeitung
bereits.
„
Wir
wollen
Verständnis
wecken
für
die
besonderen
Lebenslagen
der
Menschen,
die
am
Rande
der
Gesellschaft
leben″,
sagt
Chefredakteur
Thomas
Kater.
Ab
der
Februar/
März-
Ausgabe
steigt
der
Verkaufspreis
aus
wirtschaftlichen
Gründen
auf
2,
20
Euro,
kündigt
er
an,
1,
10
Euro
behalten
die
Verkäufer.
Sozialarbeiter
Kater
ist
gleichzeitig
auch
Leiter
der
Tageswohnung
in
der
Bramscher
Straße
11,
direkt
am
Hasetor.
Sven
Hildebrandt
kommt
regelmäßig
hierher.
Etwa
zum
Frühstück.
Für
1,
25
Euro
bekommen
die
Gäste
der
„
Tawo″
zwei
Brötchen
und
Kaffee.
Das
ist
günstig,
aber
nicht
kostenlos.
„
Es
soll
nicht
als
Almosen
vergeben
werden″,
sagt
Sozialarbeiter
Thomas
Kater.
„
Das
hat
etwas
mit
Selbstwertgefühl
zu
tun.″
Acht
Männer
und
zwei
Frauen
sitzen
am
Frühstückstisch,
unter
ihnen
sind
auch
Mitarbeiter,
teils
ehrenamtlich,
teils
hauptamtlich.
In
der
Mitte
stehen
große
Teller
mit
diversen
Sorten
Aufschnitt
und
frischem
Gemüse.
Die
meisten
Gäste
der
Tageswohnung
waren
schon
einmal
wohnungslos
oder
sind
es
noch.
Im
Nebenraum
liegt
ein
Mann
auf
dem
Sofa
vor
dem
Fernseher
und
schläft.
Auch
ein
Computer
ist
dort
installiert,
den
die
Gäste
nutzen
können.
„
Ich
hab
mich
an
die
Leute
gewöhnt″,
sagt
Sven
Hildebrandt.
Ein
anderer
Stammgast
ergänzt:
„
Man
kann
sich
hier
unterhalten
und
Zeitung
lesen.″
Er
heißt
Ralf
Lischka.
„
Alleine
zu
Hause
würde
mir
die
Decke
auf
den
Kopf
fallen.″
Er
und
Sven
Hildebrandt
kennen
sich
aus
dem
Laurentiushaus.
Dort
kann
der
SKM
bis
zu
42
Wohnungslose
aufnehmen.
Sozialarbeiter
betreuen
sie,
bis
sie
wieder
alleine
klarkommen
und
in
eine
eigene
Wohnung
ziehen
können.
Vor
20
Jahren
erfuhr
Sven
Hildebrandt
von
einem
Abseits-
Verkäufer,
dass
es
die
Wohnungslosenhilfe
mit
der
Tageswohnung
und
dem
Laurentiushaus
gibt.
Damals
war
er
zum
ersten
Mal
obdachlos
und
lebte
auf
der
Straße.
Es
war
direkt
nach
der
Bundeswehrzeit.
Während
er
seinen
Wehrdienst
ableistete,
wurde
ihm
die
Wohnung
gekündigt.
Dann
ging
auch
noch
seine
Beziehung
kaputt,
und
er
verlor
den
Halt.
Mehrere
Ausbildungen
hat
er
in
seinem
Leben
begonnen,
aber
keine
abgeschlossen.
Psychische
Probleme
kamen
hinzu,
auch
Drogen
–
und
dann
noch
die
Wirbelsäulenerkrankung
Morbus
Bechterew.
Wenn
er
heute
in
der
Großen
Straße
steht
und
die
Abseits
verkauft,
hat
er
oft
Schmerzen
und
steht
deshalb
leicht
nach
vorne
gebeugt.
Nur
die
Kälte,
die
macht
ihm
nichts
aus.
„
Kälte
fängt
für
mich
bei
minus
zehn
Grad
an″,
sagt
er.
Damals,
als
er
im
Winter
nach
seiner
Bundeswehrzeit
draußen
übernachtete,
waren
es
minus
zwanzig
Grad,
erinnert
er
sich.
„
Das
war
schlimm.″
Von
Drogen
lässt
er
schon
lange
die
Finger,
erzählt
er.
Heute
ist
es
die
Wettsucht,
die
ihm
Probleme
bereitet.
Das
zweite
Mal,
dass
Sven
Hildebrandt
auf
der
Straße
lebte,
war
Anfang
2015.
Nachdem
er
seine
Wohnung
verloren
hatte,
war
er
erst
eine
Zeit
lang
bei
Freunden
untergekommen.
„
Das
geht
aber
nicht
auf
Dauer.″
Die
Stadt
Osnabrück
unterhält
zwar
mehrere
Notunterkünfte,
aber
am
Frühstückstisch
in
der
Tageswohnung
ist
die
Meinung
darüber
deutlich:
Auf
der
Straße
ist
es
besser.
Sie
berichten
von
Dreck,
Gewalt
und
Diebstahl
in
den
Notunterkünften.
Der
43-
jährige
Hildebrandt
achtet
sehr
auf
sein
Äußeres
–
das
war
auch
so,
als
er
Platte
machte.
Niemand
sollte
ihm
seine
Obdachlosigkeit
ansehen.
Seine
Sachen
schloss
er
in
einem
Spind
in
der
Tageswohnung
ein,
dort
wusch
er
sich
und
seine
Klamotten.
Zeitweise
übernachtete
er
in
einem
Altpapiercontainer
am
Stadthaus
–
bis
es
einmal
plötzlich
ruckelte.
Die
Anekdote
kennt
jeder
am
Frühstückstisch.
Die
Müllabfuhr
wollte
den
Container
leeren
und
entdeckte
Sven
Hildebrandt.
„
Hey,
da
ist
Oskar
aus
der
Tonne″,
habe
der
Mitarbeiter
gerufen
und
gelacht.
Hildebrandt
lacht
nicht,
als
er
das
erzählt.
Ralf
Lischka
berichtet:
„
Ich
habe
die
Erfahrung
gemacht:
Als
Obdachloser
ist
man
nichts
wert.″
Die
anderen
nicken.
Dabei
kann
es
so
schnell
gehen.
Lischka
war
jahrelang
Berufskraftfahrer.
Dann
wurde
sein
Lohn
nicht
mehr
gezahlt,
er
verlor
seine
Wohnung
–
und
lief
los.
Von
Bremen
bis
nach
Bramsche.
Er
wusste
nicht
wohin,
war
am
Boden
zerstört
und
vernachlässigte
auch
sein
Äußeres.
„
Da
haben
sie
mich
zum
Laurentiushaus
geschickt.″
Mittlerweile
gehe
es
ihm
gut,
sagt
er.
Seit
2012
schon
hat
er
wieder
eine
eigene
Wohnung.
Doch
Arbeit
hat
der
57-
Jährige
nicht
mehr.
Die
Tageswohnung
gibt
ihm
Halt
und
Struktur.
„
Das
Problem
Wohnungslosigkeit
ist
meist
mit
der
Wohnung
nicht
behoben″,
sagt
Sozialarbeiter
Thomas
Kater.
„
Es
ist
völlig
legitim,
hierherzukommen,
auch
wenn
man
eine
Wohnung
hat.″
Für
die
Abseitsverkäufer
gilt
dasselbe:
Wohnungslosigkeit
ist
keine
Bedingung,
um
die
Straßenzeitung
verkaufen
zu
können.
50
bis
60
Gäste
hat
die
1989
gegründete
Tageswohnung
pro
Tag,
rund
80
Prozent
davon
sind
Männer.
Geöffnet
ist
die
Tawo
unter
der
Woche
von
8
bis
17
Uhr,
freitags
bis
13
Uhr.
Am
Wochenende
machen
in
der
kalten
Jahreszeit
Ehrenamtliche
eine
Öffnung
von
9
bis
14
Uhr
möglich.
Die
Zahl
der
Gäste,
die
unter
Psychosen
leiden,
nimmt
zu,
berichtet
Kater.
Warum,
darüber
rätseln
er
und
seine
Kollegen
selbst.
Vielleicht,
weil
diese
Menschen
angesichts
des
angespannten
Wohnungsmarktes
eher
auf
der
Straße
landen,
vermuten
sie.
Der
Job,
den
Thomas
Kater
und
seine
Kollegen
machen,
wird
dadurch
nicht
leichter.
Und
aktuell
ist
die
Zahl
der
Wohnungslosen
wieder
etwas
gestiegen:
307
Männer
und
Frauen
sind
dem
SKM
bekannt.
50
davon
leben
auf
der
Straße
–
im
September
waren
es
noch
40.
Sven
Hildebrandt
hat
längst
wieder
eine
Wohnung.
Es
war
eine
Kollegin
aus
dem
Abseits-
Chor,
die
sie
ihm
nach
vier
Monaten
Wohnungslosigkeit
2015
vermittelt
hat.
In
dem
Chor
singen
Besucher
der
Tageswohnung
sowie
ehrenamtliche
Mitarbeiter
der
Tageswohnung
und
der
Straßenzeitung
Abseits.
Auch
Sven
Hildebrandt
war
dort
jahrelang
aktiv.
„
Wären
die
Tageswohnung
und
das
Laurentiushaus
nicht
gewesen″,
sagt
er
– „
ich
hätte
nicht
gewusst,
wo
ich
hinsoll″.
Bildtexte:
Sven
Hildebrandt
verkauft
seit
20
Jahren
„
Abseits″.
Sein
Stammplatz
befindet
sich
in
der
Großen
Straße
vor
Apollo-
Optik.
Ralf
Lischka
war
einst
selbst
wohnungslos.
Er
hat
die
Erfahrung
gemacht:
„
Als
Obdachloser
ist
man
nichts
wert.″
Frühstückszeit
in
der
Tageswohnung.
Wohnungslose
wie
Sven
Hildebrandt
kommen
regelmäßig
hierher.
Ihnen
geht
es
vor
allem
um
den
Austausch
miteinander.
Wer
möchte,
kann
auch
mit
den
Sozialarbeitern
ins
Gespräch
kommen.
Fotos:
Thomas
Osterfeld
Redakteurin
Sandra
Dorn
hat
in
den
vergangenen
Jahren
viele
Wohnungslose
kennengelernt.
Sie
alle
haben
völlig
unterschiedliche
Biografien
und
doch
zwei
Gemeinsamkeiten:
Jeder
versucht
irgendwie,
sich
ein
besseres
Leben
aufzubauen.
Und
jeder
hat
mit
herben
Vorurteilen
zu
kämpfen.
Früher
war
sie
oft
unsicher,
wie
sie
auf
Obdachlose
oder
Bettler
reagieren
soll,
wenn
sie
sie
ansprechen.
Heute
weiß
sie:
Ein
freundliches
„
Guten
Tag″
ist
das
Mindeste
–
und
auch
gar
nicht
schwer.
Fotograf
Thomas
Osterfeld
hat
Abseits
in
den
vergangenen
knapp
25
Jahren
begleitet
und
tiefen
Respekt
vor
der
Zähigkeit,
der
Geduld,
der
Freundlichkeit
und
Ausdauer,
mit
der
Abseits-
Verkäufer
an
ihren
Verkaufsplätzen
stehen.
Abseits
ist
für
ihn
ein
gutes
Projekt,
um
auf
Menschen
in
schwierigen
Situationen
aufmerksam
zu
machen.
Autor:
Sandra Dorn