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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Tod in der „Kinderfachabteilung″
Zwischenüberschrift:
Maria Westendorf wurde im Alter von viereinhalb Jahren von den Nationalsozialisten ermordet
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Maria Westendorf war gerade einmal viereinhalb Jahre alt, als sie starb. Nationalsozialistische Ärzte hatten das Mädchen als teilnahmslos″ und sehr tief stehendes Kind″ bezeichnet und es deshalb in die sogenannte Kinderfachabteilung″ der Landesheil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen ihr Todesurteil.

Wie genau Maria Westendorf im Mai 1944 ums Leben kam, kann nicht mehr geklärt werden. Doch die Recherchen für die Stolpersteinverlegungen ergaben, dass sie mit an Sicherheitgrenzender Wahrscheinlichkeit″ ein Opfer der sogenannten Kinder-Aktion″ wurde. Längst steht an der Adresse Neuer Graben 30 kein Haus mehr. Hier, in der Nachbarschaft des Ledenhofs, lebte Helene Westendorf mit ihrer möglicherweise geistig behinderten Tochter Maria, die im Oktober 1939 geboren worden war. Fotos aus der damaligen Zeit vermitteln das Bild einer idyllischen Straße, doch schon die Anschrift wirkte während des Nationalsozialismus wie die Ankündigung eines Unheils: Die Machthaber hatten dem heutigen Neuen Graben den Namen Straße der SA″ gegeben. Bereits vor der Machtergreifung entwickelte Adolf Hitler auf dem Parteitag der NSDAP 1929 in Nürnberg öffentlich eine Gewaltfantasie, die so begann: Würde Deutschland jährlich eine Million Kinder bekommen und 700 000 bis 800 000 der Schwächsten beseitigt...″ Die Nationalsozialisten hingen einem Rassenwahn an, der von 1933 an Regierungsprogramm wurde. Tatsächlich ermordeten sie während des Zweiten Weltkriegs 5000 oder mehr Kinder, die sie wegen Behinderungen oder psychischer Krankheiten als lebensunwert″ betrachteten. Zu Tatorten wurden die Fachabteilungen von Heil- und Pflegeanstalten in ganz Deutschland. Die Machthaber beschönigten die Morde mit den Bezeichnungen Kinder-Aktion″ und Euthanasie″ (Sterbehilfe). Fast sieben Jahrzehnte, nach dem Maria Westendorf von ihrer Mutter getrennt und nach Lüneburg gebrach twurde, versammelten sich jetzt Menschen auf dem Bürgersteig am Neuen Graben um den Künstler Gunter Demnig, der den Stolperstein für das Mädchen verlegte. Brigitte Neumann, Patin der Gedenktafel, sprach von ihren eigenen Enkelkindern. Eines ist jetzt auch viereinhalb Jahre alt.″ Sie seien damit in einem Alter, in dem Maria Westendorf sterben musste. Jemand hat entschieden, dass ihr Leben unwert war. Was waren das für Menschen? Trauer legte sich über die Teilnehmer der Zeremonie.

Bildtext:
Am Neuen Graben 30 steht heute kein Haus mehr. Hier lebte Maria Westendorf, die 1944 im Alter von viereinhalb Jahren in einer Anstalt in Lüneburg ermordet wurde.
Fotos:
Egmont Seiler

Stolpersteine

Messingplatten in den Gehwegen erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Deserteure, Menschen, die aus politischen und religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts Stolpersteine, dem sich europaweit etwa 600 Kommunen angeschlossen haben: außer in Deutschland auch in Österreich, Ungarn, Italien, Tschechien, Polen, Belgien, Norwegen, den Niederlanden und in der Ukraine. Patin des Stolpersteins für Maria Westendorf ist Brigitte Neumann. Gunter Demnig verlegte die Gedenktafel am Neuen Graben 30. Das Büro für Friedenskultur nimmt für künftige Stolpersteine gern Hinweise von Zeitzeugen über das Schicksal von Opfern des NS-Regimes entgegen. Die Telefonnummer lautet 05 41/ 323-22 87.
Autor:
Jann Weber


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