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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Finanzamt im Fledder ist verkauft
 
Hat die Stadt eine Chance verpasst?
Zwischenüberschrift:
SPD verärgert über Verkauf des alten Finanzamts
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Das ehemalige Finanzamt Osnabrück-Land an der Hannoverschen Straße bekommt einen neuen Besitzer: Eine bislang unbekannte Immobilienfirma hat zugeschlagen. In der aktuellen Drucksache 18/ 5568 des Niedersächsischen Finanzministeriums teilt Finanzminister Reinhold Hilbers lapidar mit, dass das knapp 50 Jahre alte Gebäude im Stadtteil Fledder für 1, 21 Millionen Euro an die Depot Commercial Grundbesitz GmbH veräußert werden wird. 20 Interessenten hatten für das 4000 Quadratmeter große Grundstück geboten. Das Land hatte 850 000 Euro verlangt, was dem Bodenrichtwert entsprach. Das alte Finanzamt ist stark mit Asbest belastet, weshalb die Stadt auf einen Kauf verzichtete. SPD-Fraktionschef Henning ist darüber sauer: Die Stadt habe eine Chance verpasst, sagt er.

Osnabrück 850 000 Euro wollte das Land haben, 1, 21 Millionen Euro bekommt es für das ehemalige Finanzamt Osnabrück-Land an der Hannoverschen Straße. Damit kommt Bewegung in ein Viertel, das nach dem Auszug der Finanzbeamten und der Flüchtlinge in Starre verfallen war.

Den Zuschlag bekam die Depot Commercial Grundbesitz GmbH, wie aus einer Veröffentlichung des Finanzministers in Hannover hervorgeht. Die Firma ist bislang ein unbeschriebenes Blatt. Der Geschäftsführer war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Das viergeschossige Gebäude ist 1951 errichtet und 1965 erweitert worden. Es war bis Februar 2015 Sitz des Finanzamtes Osnabrücker Land, das in die ehemalige Kaserne am Hafen umgezogen ist. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle wurde das Gebäude umgebaut und diente 2016 und 2017 als Notunterkunft für Flüchtlinge. Seit drei Jahren steht es leer.

Auch die Stadt hatte Interesse an der Immobilie. Vor allem der SPD-Landtagsabgeordnete und Ratsherr Frank Henning machte sich für einen Kauf stark und zog in Hannover die Fäden. Der Rat beschloss auf Vorschlag der SPD-Fraktion, in konkrete Verhandlungen mit dem Land einzutreten.

Asbest im Putz

Das Niedersächsische Landesamt für Bau und Liegenschaften verlangte 850 000 Euro für die Liegenschaft. 760 000 Euro sollte das 3987 Quadratmeter große Grundstück kosten, das marode Gebäude wurde mit 90 000 Euro bewertet. Im Januar 2019 schien der Kauf schon in trockenen Tüchern. Einschließlich der Sanierung kalkulierte die Stadt mit Gesamtkosten von 6, 5 Millionen Euro.

Doch dann die Wende: Gutachter stellten fest, dass das Gebäude von oben bis unten mit asbesthaltigem Material verputzt ist. Solange das nicht angerührt wird, besteht keine Gefahr. Doch bei einer Renovierung müsste das Haus komplett entkernt werden. Die Kosten einer Grundsanierung wurden sehr unterschiedlich eingeschätzt. Während Frank Henning von 2, 4 Millionen Euro sprach und sich dabei auf ein Schreiben des Finanzministeriums berief, kam der Eigenbetrieb Immobilien auf Kosten von knapp 16 Millionen Euro. Abriss und Neubau würden sogar 23, 6 Millionen Euro kosten. Angesichts dieser Zahlen stimmten CDU/ BOB und Grüne im Oktober vergangenen Jahres gegen den Kauf der mutmaßlichen Schrottimmobilie ab.

Jetzt zeigt sich: Das war ein Fehler″, sagte Henning am Donnerstag unserer Redaktion. Die SPD habe sich immer dafür eingesetzt, dass die Stadt die Federführung zur Entwicklung dieses attraktiven Standortes″ übernehme, so Henning. Die Fläche hätte für die Stadtverwaltung, für kulturelle Projekte oder Flüchtlingswohnungen genutzt werden können. Diese einzigartige Chance wurde verpasst, und wir ärgern uns sehr über die Kurzsichtigkeit der anderen Parteien.″

Henning wirft CDU, BOB und Grünen vor, der Stadt mit ihrer Verweigerungshaltung einen Vermögensschaden zugefügt zu haben. Die Stadt hätte die Chance gehabt, ein städtebaulich wichtiges Grundstück zum Bodenrichtwert von 850 000 Euro zu kaufen. Der Marktwert liege offensichtlich höher, wie das 1, 2-Millionen-Gebot des Investors zeige. Wenn CDU und Grüne weiterhin so leichtfertig mit Grundstücken umgehen, geben wir immer mehr die Stadtentwicklung aus den Händen und verlieren Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten″, so Henning.

34 Interessenten

Das Finanzministerium hatte die Liegenschaft in Immobilienportalen angeboten. 34 Interessenten hatten Exposés angefordert, wie aus der Drucksache des Ministeriums hervorgeht. 20 Interessenten besichtigten das Objekt, am Ende reichten zwölf Angebote ein. Nach der zweiten Gebotsrunde erhielt die Meistbietende die Depot Commercial Grundbesitz GmbH den Zuschlag.

Bildtext:
Das ehemalige Finanzamt an der Hannoverschen Straße ist verkauft worden.
Foto:
Jörn Martens

Kommentar
Mehr Risiko

Grünen-Ratsherr Michael Hagedorn warnte in der Ratssitzung im Oktober vor einer Fehlinvestition. Mit einem Kauf des asbestverseuchten Finanzamtes ginge die Stadt ein zu großes Risiko ein. Aber: Wer gestalten will, muss gelegentlich Risiken eingehen.

In einem Punkt lagen die Skeptiker schon mal daneben: Der ursprüngliche Preis von 850 000 Euro, der sich auf den Bodenrichtwert stützte, ist deutlich übertroffen worden. Der Markt gibt es her. Und daher wäre es für die Stadt überhaupt kein Risiko gewesen, die Liegenschaft vorsorglich zu kaufen, um dann in Ruhe Sanierung, Abriss und Nutzung zu prüfen. Vergessen wir nicht: Die in Gründung begriffene Wohnungsbaugesellschaft braucht auch Bauflächen. Und wenn am Ende die Erkenntnis gestanden hätte, dass die Stadt die Fläche nicht sinnvoll nutzen kann, wäre immer noch ein Weiterverkauf möglich gewesen. Der verpasste Kauf des Güterbahnhofs müsste doch eigentlich eine Lehre gewesen sein, risikobereiter zu sein und solche Chancen nicht zu verpassen.

Oder hat die Verwaltung den Kauf hintertrieben? Im Rat wurde öffentlich gemutmaßt, die Verwaltung habe die Sanierungskosten mit knapp 24 Millionen Euro extra hoch angesetzt, weil sie keine Büros im Fledder will, sondern lieber zentral in der Innenstadt arbeitet. Das hört sich doch sehr nach Verschwörungstheorie an.

w.hinrichs@ noz.de
Autor:
Wilfried Hinrichs


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