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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Verheerende Reaktion auf Klimagipfel
 
Augenringe und blank liegende Nerven
Zwischenüberschrift:
Zentrale Entscheidungen vertagt / Umweltschützer: Verrat an leidenden Menschen
 
Die Klimakonferenz in Madrid hat vor allem Frust provoziert: Schuld daran ist das Aufeinanderprallen zweier Welten
Artikel:
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Originaltext:
Madrid Die weltweiten Proteste für mehr Klimaschutz und die eindringlichen Appelle von Wissenschaft und Aktivisten wie Greta Thunberg sind bei der Klimakonferenz in Madrid weitgehend ungehört verhallt. Nach zweiwöchigen intensiven Verhandlungen ist das Treffen ohne nennenswerte Fortschritte im Kampf gegen die Erderhitzung zu Ende gegangen. UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die nach mehr als 40-stündigem Nachsitzen gefassten Beschlüsse als verpasste Gelegenheit″.

Zwar einigte sich das Plenum gestern darauf, alle gut 200 teilnehmenden Staaten an ihre Zusage zu erinnern, im nächsten Jahr ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen. Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen reagierten aber tief enttäuscht. Einige Staaten, allen voran Brasilien, Australien, Saudi-Arabien und die USA, hätten immer wieder Entscheidungen blockiert, rügten sie.

So scheiterte die Konferenz mit ihrem zentralen Vorhaben, den globalen Handel mit Klimaschutzgutschriften zu regeln. Die Idee: Wenn ein Land seine Ziele beim Einsparen klimaschädlicher Treibhausgase übererfüllt, soll es Gutschriften verkaufen können. Es gab bis zuletzt aber heftigen Streit darüber, wie genau angerechnet werden soll. Die Debatte wurde auf den nächsten Klimagipfel im November 2020 im schottischen Glasgow verschoben.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bezeichnete das Ergebnis von Madrid als inakzeptabel. Mit einem Angriff auf das Herz des Pariser Abkommens″ verrate die Klimakonferenz alle Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise litten und schnelle Fortschritte verlangten. Die Konferenz sei ein gruseliger Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020″, kritisierte der Word Wildlife Fund Deutschland.

Ziel des vor vier Jahren geschlossenen Pariser Abkommens ist es, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür muss der Ausstoß von Treibhausgasen vor allem aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in den nächsten Jahren drastisch sinken; bisher aber steigt er immer weiter an.

Auch die Bundesregierung zeigte sich unzufrieden. Das waren harte Verhandlungen in Madrid″, erklärte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Leider würden die Ergebnisse den Herausforderungen der Erderwärmung nicht gerecht″. Selbst Chiles Umweltministerin und Konferenzpräsidentin Carolina Schmidt zog eine negative Bilanz: Die Beschlüsse reichten nicht aus, um der Klimawandel-Krise mit einem Sinn für die Dringlichkeit zu begegnen″.

Kommentar
Madrids bittere Wahrheit

Der Berg kreißte und gebar eine Maus. So in etwa lässt sich das Ergebnis des Klimagipfels zusammenfassen. Fast 200 Länder haben nunmehr die Notwendigkeit anerkannt, dass alle ihre nationalen Klimaschutzziele deutlich anheben müssen, wenn man die Erderwärmung mit ihren drastischen Konsequenzen eindämmen will. Ja und?

Weder haben die Industriestaaten den ärmsten Staaten zur Bewältigung von Klimaschäden genug Geld zugesagt, noch konnten sich die Teilnehmer auf Regeln zum internationalen Handel mit Klimaschutzgutschriften einigen. Zentrale Punkte sind vertagt. Bis auf Weiteres klaffen tatsächliche Anstrengungen zur Reduzierung der Erderwärmung und nötige Maßnahmen zur Erfüllung der Paris-Ziele also auseinander.

Studien zeigen, dass die Wirklichkeit bisherige Klimaprognosen überholt; es wird ernster als gedacht. Deshalb reichen bisherige Ziele nicht aus. Dabei ist der Blick zurück unerheblich und ob die Lage menschengemacht ist oder nicht. Entscheidend ist, dass Menschen auf die weitere Entwicklung Einfluss nehmen können. Warum tun sie sich damit so schwer?

Die Wahrheit von Madrid: Das internationale System ist zu komplex, zu viele Player mit unterschiedlichen Interessen sind an Bord, als dass Minimalkompromisse zum Erfolg führen. Traurig, aber wahr: Es wird Zeit, sich für die Konsequenzen des Klimawandels zu wappnen. t.ludwig@ noz.de

Madrid Der große Wurf ist ausgeblieben. Doch es gibt einen Lichtblick: Immerhin 120 Staaten haben sich in Madrid zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekannt. Es erfüllt uns mit Stolz, dass diese Allianz auf 120 Länder angewachsen ist″, sagte die Präsidentin des UN-Klimagipfels (kurz: COP25), die Chilenin Carolina Schmidt, gestern in Spaniens Hauptstadt. Die Zahl der Staaten in der Climate Ambition Alliance″ habe sich verdoppelt. Auch fast 400 Städte und 800 Firmen strebten nun an, klimaneutral zu werden, also unterm Strich keine Treibhausgase mehr auszustoßen. Ob das reicht?

Schmidt betonte , dass die bisherigen Fortschritte nicht genügen. Die Bürger der Welt fordern uns auf, schneller voranzukommen″, sagte sie. Tatsächlich sind die Staaten, die sich vorgenommen haben, ihre Klimaziele anzupassen darunter die EU –, nach Angaben der Online-Plattform Climate Watch″ für etwas mehr als 20 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das heißt im Gegenzug: 80 Prozent sehen dafür keinen Bedarf.

Entsprechend groß war der Frust beim Klimagipfel aber er war absehbar. Denn in Madrid sind zwei Welten aufeinandergeprallt. Da ist die Welt der Klimaschutzbewegung, die mit Fridays for Future so laut, fordernd und wütend ist wie nie zuvor. Ihre Galionsfigur, Greta Thunberg, wurde in Madrid als Star gefeiert. Just an dem Tag, als sie im Plenarsaal spricht, kürte das Time Magazine″ sie zur Person des Jahres.

Gemeinsame Sache

Die Jugendlichen machen gemeinsame Sache mit den Vertretern indigener Völker, die in Madrid für das Überleben ihrer Heimat kämpfen und in traditioneller Kleidung samt Federschmuck im Haar für ihre Sache mobilmachen. Der Wald ist unser Supermarkt!″, sagt eine Aktivistin aus Myanmar mit Blick auf die weltweite Zerstörung der Regenwälder. Wir Indigenen haben schon immer auf eine Weise gelebt, die die Umwelt respektiert.″ Viele Aktivisten in Madrid haben sich Augen in die Handflächen gemalt, um den Mächtigen zu sagen: Wir beobachten euch!

Und da ist die Welt der mühsamen Klima-Weltpolitik, wo um die winzigste Formulierung tagelang gestritten wird, wo fast 200 Staaten mit denkbar unterschiedlichen Interessen an einem Strang ziehen und am Ende halbwegs einstimmig entscheiden sollen. Und das in Zeiten von Präsidenten wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien. Die Geopolitik spielt hier schon eine Rolle″, sagt ein Verhandler vorsichtig und alle wissen, was damit gemeint ist.

Dass die Konferenz mit zwei Tagen Verspätung endete, lässt erahnen, was in den Verhandlungsräumen los war. Optimismus wich am Wochenende blank liegenden Nerven und tiefen Augenringen. Die chilenische Konferenzleitung Madrid war nur wegen der Unruhen in dem südamerikanischen Land kurzfristig als Gastgeber eingesprungen wirkte überfordert, machte strategische Fehler. Und technische Probleme führten zu Chaos in der Abschlusssitzung.

Besorgte Wissenschaft

Und der Klimaschutz an sich? Das war das wohl größte Problem dieser Konferenz, jedenfalls für ihre Außenwirkung. Denn mit dem Pariser Klimaabkommen hat die Weltgemeinschaft 2015 nicht nur das Ziel vereinbart, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 und möglichst auf 1, 5 Grad zu begrenzen. Es gibt auch einen Fahrplan. Und der sieht vor, dass alle fünf Jahre die nationalen Klimaschutz-Pläne aktualisiert werden beginnend 2020. Und nicht 2019. Was das Pariser Abkommen wert ist, erfährt die Welt im nächsten November in Glasgow.

Darauf aber will die Klimaschutzbewegung nicht warten. Wenn die Zeit zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen so schnell davonrennt, wie Forscher sagen, worauf noch warten? Alden Meyer von der Union of Concerned Scientists der Union besorgter Wissenschaftler ist seit dem Start der Klimaverhandlungen 1991 dabei. Einigermaßen entgeistert sagt er: Ich habe noch nie so eine fast komplette Trennung gesehen zwischen dem, was Wissenschaft und die Menschen verlangen, und dem, was die Klimaverhandler an Sinnvollem liefern.″

Bildtext:
Allein mit seinem Galgenhumor: Ein Teilnehmer zeigt nach Abschluss des Klimagipfels vor der leeren Bühne das Victory-Zeichen.
Foto:
AFP/ Cristina Quicler

Was die UN-Klimakonferenz beschlossen hat und was nicht

Klimaschutz: Erst im kommenden Jahr sollen die Mitgliedstaaten des Pariser Klimaabkommens neue nationale Klimaschutz-Pläne für 2030 vorlegen. Das haben sie 2015 zugesagt daran werden sie im Gipfelbeschluss nun noch mal ausdrücklich erinnert. Und zwar unter Verweis auf die wachsende Dringlichkeit″ und die bedeutende Lücke″, die bisher zwischen den Zusagen und dem eigentlich Notwendigen beim CO2-Sparen besteht, wenn die Erderwärmung auf deutlich unter 2 oder sogar 1, 5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden soll. Thematisiert werden außerdem die Themen Ozeane, biologische Vielfalt und Geschlechter-Gerechtigkeit all das war umkämpft.

Vergangenheit der Industriestaaten: Bevor es das Pariser Abkommen gab, hatten die Industriestaaten auch schon Ziele für den Klimaschutz und die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern. Nicht alle haben diese Ziele eingehalten. Auch Deutschland hinkt seinem 2020-Ziel bei den CO2-Emissionen deutlich hinterher. Es soll jetzt in einem Arbeitsprogramm″ noch mal darüber gesprochen werden, ob sie gute Vorbilder waren für die Staaten, die ihre Wirtschaft erst entwickeln.

Geld für ärmere Länder: Ein Dauerthema ist der Umgang mit Schäden und Verlusten in ärmeren Ländern durch die Folgen des Klimawandels etwa durch Stürme, Dürren, Starkregen oder steigende Meeresspiegel. Künftig könnten die betroffenen Staaten für die Abmilderung der Folgen auch Geld aus dem Green Climate Fund bekommen darüber soll jetzt gesprochen werden. Dieser Geldtopf, in den auch Deutschland einzahlt, ist bisher dafür da, Treibhausgas-Minderung und die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren, nicht aber Schadenersatz zu leisten. Das Thema Schäden und Verluste kam aus Sicht vieler bisher zu kurz. Ab 2020 sollen insgesamt 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Klimafinanzierung″ bereitstehen, dazu gehört neben öffentlichem auch privates Geld und Kredite. Trotzdem zeigten sich vor allem beim Thema Finanzen viele Länder, etwa die afrikanische Gruppe, zum Abschluss des Madrider Gipfels unzufrieden.

Handel mit Klimaschutz-Gutschriften: Die sogenannten Marktmechanismen sollen dafür sorgen, dass Staaten einen Teil ihrer CO2-Einsparung auch im Ausland erledigen können. Man könnte auch sagen, sie kaufen sich Klimaschutz anderswo. Umgekehrt können Länder, die ihre eigenen Ziele übererfüllen, Gutschriften verkaufen. Damit das auch wirklich global gesehen zu weniger Emissionen führt, braucht es strenge Regeln dazu, wer sich was anrechnen und womit man handeln darf. Bei dieser Frage fanden die Staaten keinen Kompromiss. Darüber soll nun kommendes Jahr weiterverhandelt werden. Schon vor einem Jahr beim Gipfel in Polen wurde das Thema vertagt.
Autor:
dpa, AFP, Thomas Ludwig, Teresa Dapp, Carola Frentzen, David Schwarz


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