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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Malerische Gassen und mystische Geschichte
 
Singende Holländer
 
Die Biertradition ist den Haarlemern heilig
 
Museen und Meer
Zwischenüberschrift:
Aus der Osnabrücker Partnerstadt Haarlem: Die Spuren der Vergangenheit haben viele Rätsel hinterlassen
 
Michel Ordeman gründet mit Gleichgesinnten eine Brauerei in einer ehemaligen Kirche
 
Tipps für Entspannung und Entertainment
Artikel:
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Originaltext:
HAARLEM. Kleine, schicke Häuschen aus roten Backsteinen mit spitzen Türmchen auf den Dächern und kunstvoll verzierten Giebeln, dazwischen blumengeschmückte enge Gassen voller Leben: Haarlem, niederländische Partnerstadt Osnabrücks mit 150 000 Einwohnern, hat Flair. Haarlem hat aber auch Geheimnisse und es ist schwer, ihnen auf die Spur zu kommen.

Haarlem empfängt uns mit weggeworfenen Regenschirmen: Aus jedem Mülleimer ragen die gebogenen Griffe hervor. Eine Protestaktion bei sonnigem Wetter gegen den Hagelsturm des Vortages? Oder das Werk des Windes, der die Schirme zerstört hat? Wir wissen es nicht. Was wir auch noch nicht wissen: Es wird nicht die einzige Frage bleiben, die in dieser mysteriösen Märchenstadt unbeantwortet bleiben wird.
Der Tag fängt eigentlich harmlos an. Treffpunkt am zentralen Marktplatz, dem Grote Markt″, unter einer Statue. Oder, wie Digna, 25 Jahre, Ex-Städtebotschafterin in Osnabrück und Haarlemerin, erklärt: Bei dem Typen da.″ Doch das Mysterium beginnt mit Paul: Er will uns weismachen, dass die Statueden Erfinder des Buchdrucks zeigt. Gutenberg? Nein, das ist Laurens Janszoon Coster, Erfinder des Buchdrucks″, entgegnet Paul. Schon 1423 soll er die Technik in Haarlem entwickelt haben. Oder 1428. Oder 1430, die Quellen widersprächen sich da etwas. Aber auf jeden Fall vor Gutenberg, der erst um 1450 herum in Mainz gewirkt habe.
Paul Feldbrugge ist unser Guide. Er hat einen Großvater im deutschen Teil Frieslands. Dort besäßen sie heute noch ein Landgut, sagt er und setzt einen Dackelblick auf, der um Vertrauen wirbt, während Digna bestätigend nickt. Wir bleiben misstrauisch, geben ihm aber Kredit. Das ist gut so, denn bei der nächsten Station im Märchenland geht es um Geld.
Früher wurde es hier gedruckt und auf geheimem Weg weggeschafft″, sagt Paul und zeigt auf ein zugemauertes Fenster an der Rückfront des Teyler-Museums: Pieter Teyler van der Hulst, bedeutender Händler des 18. Jahrhunderts, der auch von der Lage der Stadt an der gefährlichsten Kurve der Spaarne profitiert habe. Die Kehre ist für Kapitäne nicht einsehbar. Weil sie langsam fahren mussten, konnte man sie im Mittelalter perfekt stoppen und Zoll kassieren″, erzählt Paul, als wir am Ufer des kleinen Flüsschens stehen.
Über die Spaarne erhebtsich die schmale, weiß getünchte Zugbrücke Gravestenenbrug″, die Amsterdam seit ewigen Zeiten mit Haarlem verbindet. Eine malerische Kulisse, die Paul dazu animiert, sich Freiherr von Feldbrugge zu nennen. Wir sind irritiert, werden aber wieder in seinen Bann gezogen, als er uns ein Highlight Haarlems zeigt: einen Hofje″. Das sind liebevoll gepflegte Gärten mit Brunnen in einem Innenhof, der durch kleine Häuschen gebildet wird. Sie liegen zwar versteckt hinter großen Eisentoren, sind aber überall in der Stadt zu finden. Einst wurden sie von reichen Bürgern zur Versorgung alleinstehender Frauen gestiftet, heute symbolisieren sie die traditionelle Form des Zusammenlebens. Wer die Hofjes betritt, lässt den Lärm hinter sich und tritt ein in eine Oaseder Ruhe″, sagt Paul. Wir sind in der Tat beeindruckt und sagen erstmals: Er hat recht.
Also stellen wir am Bahnhof nicht infrage, dass zwischen Amsterdam und Haarlem die erste Eisenbahn des Landes fuhr obwohl Paulin zwischen behauptet, dass sein Ururgroßvater von und zu Feldbrugge ein riesiges Landgut in Friesland hatte. Dass Bill Meyer, kettenrauchender Chefredakteur des Haarlem Dagblad″, angeblich die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Niederlande leitet, akzeptieren wir. Wir erinnern uns an den Buchdrucker. Zumindestklingt die Story konsistent.
Dass der zehnjährige Mozart einst auf der bombastischen Müllerorgel spielte, welche die St.-Bavo-Kircheprägt, kann durch nachträgliche Recherchen als einigermaßen gesichert betrachtet werden trotz Pauls irritierenden Einwurfs, dass die Niederländer neben dem berühmten Orgelbauer Christian Müller auch den einzigwahren Orgelspieler Mozart erfunden hätten. Zudem habe, führt Paul weiter aus, die Grote Kerk″ im 80-jährigen Krieg eine bedeutende Rollegespielt in jenem Glaubenskrieg, der in Deutschland nur läppische 30 Jahre dauerte.
Bei der Belagerung durch die Spanier hätten die tapfer kämpfenden Stadtbewohner von ihrer Kirche aus erbitterten Widerstand geleistet bis eine Kanonenkugel die Mauern durchschlagen habe. Man könne sie heute noch sehen, weist Paul auf einen runden Gegenstand im Haus gegenüber hin, bevor er das niederländische Sprichwort Die Kugel ist durch die Kirche″ zitiert was Lateiner mit Die Würfel sind gefallen″ übersetzen würden.
Als wir zustimmend nicken, lacht Paul: Als Geschichtsprofessor gebe ich zu: Diese Story ist nicht wahr.″ Haarlem bleibt somit eine Stadt in Rätseln.

Bildtext:
Wildwuchs mit Flair: Die engen Gassen in Osnabrücks Partnerstadt Haarlem laden zum Verweilen und zum Verlaufen gleichermaßen ein. Rechts oben ein Blickauf die Spaarne, rechts unten Paul Feldbrugge und Digna Brand.
Fotos:
Anja Burow, Benjamin Kraus

Vorurteile wie Holzschuhträger im Wohnwagen beherrschen viel zu oft unser Bild über die Niederländer. Dass die nicht ähnlich über uns denken, hat Benjamin Kraus verwundert: angesichts ihrer deutschen Musikkenntnisse.

Nur fur dün Kik, fur dün Ochchenblick! Zunächstkonnte ich dies nicht einmal verstehen und als ich die Zeile Nur für den Kick für den Augenblick″ erfasst hatte, nicht einordnen. Das änderte sich aber, als unsere liebe Reisebegleitung auf der Höhe des etwa fünften Glases Wein in Haarlems Altstadtkneipen den zweiten Song aus dem Repertoire von Tic Tac Toe intonierte, der wohl niveauvollsten Girlie-Band, die Deutschland je hervorgebracht hat: Ich find dich SchSchSchSchSchSch...″
Und warum? Weil die Deutschen bekannt sind wegen spießigen Sachen oder Kitsch″, sagt Digna und lacht über den offensichtlichen Widerspruch in ihrem Vergleich. Und sogeht die musikalische Reise munter weiter durch die Abgründe der deutschen 80er („ Brother Loui Loui-Loui″) und 90er („ Weil ich ein Määädchen bin″). Als ich einwende, dass wir in Deutschland Rudi Carrell im Sonnenschein von Juni bis September gefeiert und Heintje ertragen haben, ohne als Junge zu weinen, kontern unsere Begleiter mit einem Lied, das so schlecht ist, dass selbst ich als bekennender Trash-Musikfan nur noch sarkastisch lachen kann: Zauberstab von Jürgen G-Punkt.
Spätestens an dieser Stelle würde sich meine Freundin Sorgen machen, wo denn dieser intensive Kulturaustausch nach dem achten Glas Wein genau geendet hat. Glücklicherweise war sie dabei.

HAARLEM. Ein malerisches Backstein-Gebäude mit verschnörkeltem Turm. Bunte, nicht durchsichtige Ornamentgläser in den ovalen Fenstern, die so zusammengefügt sind, dass sie heilige Figuren zeigen: Wir befinden uns ohne Frage an einer heiligen Stätte Haarlems, in Vergangenheit und Gegenwart. Doch wo einst der Altar der Kirche war, steht heute die lange Jopen-Bar.
Haarlem war einst im Mittelalter eine wichtige Bierstadt. Deswegen wollten wir unbedingt etwas mit Biermachen″, sagt Michel Ordeman. Er gehört zum Gründer- und Gesellschafterkreis der ersten Bier- und Brauereikirche Haarlems: der Jopenkerk, die am Gratieplein unweit des Stadtzentrums seit einem knappen Jahr ihre Pforten für den durstigen Besucher öffnet. Ordeman und seine Leute haben dabei ein tolles Ambiente geschaffen: Braukessel aus Kupfer- und Messing glänzen hinter der Theke und vor den Kirchenfenstern, die verschiedenen Besucherbereiche begeistern durch ihre eigene Aura.
Wer es zünftig mag, setzt sich auf rustikale Bierbänke im Zentrum, wer lieber ein bisschen beobachten möchte, fläzt sich in die gemütlichen Sandsessel und Ledercouches in der Ecke und nimmt ein Buch aus dem bereitstehenden Regal. Und wer das Besondere sucht, erklimmt die Wendeltreppe und findet im ersten Stock einen Raum, der sowohl am Boden als auch an den Wänden und an der Decke mit roten Orientteppichen bedeckt ist. Von der Galerie nebenan kann man sowohl den Trubelder Besucher bei einem Glas Bier als auch die Braumeister bei der Herstellung des Gerstensaftes beobachten.
2005 haben Ordeman und seine Leute die Kirche erworben, die auf grund einer Gemeindeauflösung nicht mehrgenutzt wurde. 15 Jahre hates gedauert, alle Genehmigungen zu erhalten und die Idee der Brauereieröffnung umzusetzen, die zum 750. Stadtjubiläum entstanden ist. Damals haben wir spaßeshalber Bier nach dem Rezept von 1407 gebraut, ohne Hopfen, dafür mit einer speziellen Kräutermischung. Würzig und süffig: Das ist so gut angekommen, das wir die Idee unbedingt weiter lebenlassen wollten″, erzählt Ordeman.
An der Spaarne residierten noch im Mittelalter über 100 Brauereien, die Brouwersteur″ war die wichtigste Einnahmequelle der Stadt. Das Reinheitsgebot des Bieres, so rühmt man sich, sei älter als das Bayerische: Um den Ruf des Haarlemer Bieres und damit den Export zu sichern, wurde es damals eingeführt. Die alten Rezepte wurden im Stadtarchiv aufbewahrt das war unser Glück″, erinnert sich Ordeman, als er lässig in seiner Bierkirche sitzt und den Frühstückscappuccino schlürft. Der 41-Jährige ist zum Studieren nach Haarlem gekommen, als es dort längst keine Brauereien mehr gab.
Wenn Essen und Trinkengut sind, ist das Leben gut″, erklärt er seine Motivation, seine Abschlussarbeit in Gastronomie umzusetzen und mit der Jopen-Brauerei die alte Tradition der Stadt wiederzubeleben. Der einzige Unterschied zu früher ist, dass wir neben Gerstenmalz auch Weizenmalz und Hafer zum Brauen verwenden und bei unseren Saisonprodukten auch immer wieder neue Kreationen entwickeln″, sagt er und deutet auf das Rosébier: ein Weizenbier mit Himbeersaft, das tatsächlich besser schmeckt, als es diese Beschreibung vermuten lässt.
Wer das Jopen-Bier einmal testen möchte, kann dies auch auf der Osnabrücker Maiwoche tun: Am Nikolaiort, wo regelmäßig die Partnerstädte Osnabrücks ihre Stände aufbauen, ist Haarlems Vorzeige-Gerstensaft stets vertreten. Mein Cousin Peter hat seine Frau fürs Leben in Osnabrück gefunden: Zusammen mit seiner Daniela organisiert er für uns dort immer den Verkauf″, erzählt Ordeman

Bildtext:
Bar- und Braubereich der Bierkirche: Michel Ordeman hat ein besonderes Ambiente geschaffen.

HAARLEM. Interessantes entdecken oder entspannt relaxen: Haarlem und Umgebung bieten für jeden Geschmack etwas.
Wer das goldene Zeitalter Hollands als Seefahrernation erleben möchte, hat in Haarlem hierfür mehrere Anlaufpunkte: Der Bekannteste ist sicherlich das Frans Hals Museum im ehemaligen Altmännerhaus, das im Stile des 17. Jahrhunderts erbaut worden ist und zu Ehren des berühmten Porträtmalers benannt wurde, der in Haarlem wirkte und starb. Wer lieber wissen möchte, was die wirtschaftliche und wissenschaftliche Welt im 18. Jahrhundert beschäftigte, ist im Teylers-Museum richtig.
Entspannung und Entertainment gleichermaßen bieten die versteckten Hinterhöfe (Höfjes) in der Stadt oder die Dünenlandschaft außerhalb der Stadt in Richtung Nordseestrand in Zandvoort oder Blomendaal aan Zee. Geheimtipp: Für eine Tagestour zum Strand ein Fahrrad ausleihen oder ein Boot mieten, um auf eigene Faust den Fluss Spaarne sowie die anliegenden Grachten zu erkunden.

Geschichte einer Partnerschaft
Haarlem ist 262 Kilometer von Osnabrück entfernt und liegtwestlich von Amsterdam, etwa 10 Kilometer vor der Nordseeküste. Die Städtepartnerschaft zwischen Haarlem und Osnabrück ist die Älteste der Friedensstadt und besteht seit 50 Jahren. Drei Jahre später unterzeichneten beide Städte mit dem französischen Angers einen Partnerschaftsvertrag. 1969 entsandte Haarlem die erste Städtebotschafterin nach Osnabrück, viele weitere folgten. Aktuell repräsentiert Bart Balm die 150 000-Einwohner-Stadtder Provinz Nordholland.
Autor:
Benjamin Kraus


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