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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
E-Mobilität? Gab′s schon vor 70 Jahren
Zwischenüberschrift:
Die „Omnibusse am Gängelband″ fuhren in Osnabrück von 1949 bis 1968
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Anfang Dezember 1949 begann ein neues Kapitel in der Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Osnabrück. Die ersten Oberleitungsbusse, kurz Obusse, nahmen den Betrieb zwischen Rißmüllerplatz und Eversburg/ Büren sowie Atter auf. Damit ist ein weiterer Schritt zur modernen Großstadt getan″, verkündete die Neue Tagespost″ damals stolz und schilderte das Szenario: Blitzblank, weiß, funkelnagelneu und mit grünen Tannengirlanden geschmückt″, standen die beiden Neulinge im Fuhrpark demnach am 2. Dezember 1949 um 11 Uhr abfahrtbereit am Rißmüllerplatz, jeweils um einen Anhänger ergänzt.

Einsteigen durften zunächst nur geladene Gäste, die Honoratioren der Stadt und der Verkehrsbetriebe sowie Repräsentanten der Lieferfirmen. Und die Presse. Der Reporter des Osnabrücker Tageblatts″ schwärmte: Es ist eine Lust, nach Eversburg zu fahren! Die Sitze seien weich gepolstert und mit rotem Leder überzogen. Außerdem funktioniere die Heizung.

Auch die Vorwärtsbewegung klappte: Da das Gängelband″ der Obusse in Gestalt der elektrischen Oberleitung ihnen so viel Spielraum lässt, war es eine Freude, zu sehen, wie sie es verstehen, auszuweichen und sich dem Verkehr anzupassen.″ Das war das Neue für die Osnabrücker, denn die ebenfalls von der Oberleitung abhängige Straßenbahn konnte das bekanntlich nicht, was oft genug zu Fahrzeugknäueln in den engen Altstadtstraßen führte.

Vor dem neuen Obus-Depot an der Atterstraße hielt die Karawane an. Die Fahrgäste bekamen die Basisstation des neuen Verkehrsträgers erklärt. Und weitere Details zur Infrastruktur. Seit Mai 1949 waren 314 Betonmasten aufgestellt, mehr als 100 Wandhaken in Hausfassaden verankert und 23 Kilometer Kupferdraht aus der Fabrikation des Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerks (OKD) im Gesamtgewicht von 17 Tonnen aufgehängt worden. Die Zuglast auf den Betonmasten sei sehr groß, erläuterte Stadtbaurat Wilhelm Wendhut, sie betrage durch das Gewicht und die Spannung des Fahrdrahtes bis zu 2, 8 Tonnen für den einzelnen Mast. Deshalb seien diese leicht nach außen geneigt aufgestellt worden. Wer das bemerkt habe, dem müsse man sagen, dass die Bauleute sehr wohl wüssten, was ein Lot ist, hier aber bewusst abweichend vom Lot gebaut hätten.

Der Oberleitungsbau lag in Händen der Siemens-Schuckert-Werke, die elektrische Ausrüstung der beiden zunächst eingesetzten Henschel-Wegmann-Busse lieferte die Firma Brown, Boveri & Cie (BBC).

Auch bei Raureif

Der 2. Dezember war ein nasskalter Tag. In der Nacht zuvor hatte es etwas geschneit. Nun tropfte das Schmelzwasser von den Fahrdrähten. Wendhut beruhigte die Versammlung mit dem Hinweis, dass ein störungsfreier Betrieb auch bei starkem Frost und Eisbildung möglich sei. Dazu gebe es den Raureifenteiser. Man müsse nur 20 Minuten elektrisch vorheizen, dann seien die Drähte eisfrei.

Die ersten Busse sahen nicht besonders futuristisch aus. Von Stromlinienform keine Spur. Aber wozu auch, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/ h. Der Volksmund hatte bald den Spitznamen Zigarrenkisten″ für sie parat. 1953 kam eine neue Serie formschönerer Busse zum Einsatz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die nordwestlichen Stadtteile Eversburg und Atter begründete Hoffnung, eine leistungsfähigere ÖPNV-Anbindung an die Stadtmitte zu bekommen. So, wie Haste, Schinkel, Schölerberg und die Weststadt das durch die Straßenbahnlinien längst hatten. Eine neue Straßenbahnstrecke kam aus Kostengründen jedoch nicht infrage. Auch die niveaugleiche Kreuzung mit der Bahnlinie nach Rheine hätte ein zu großes Hindernis dargestellt, deshalb war diese Variante schon in wirtschaftlich besseren Zeiten vor dem Krieg verworfen worden.

Als nun 1947 die Wiederinbetriebnahme der drei Vorkriegs-Buslinien zur Debatte stand, billigte man immerhin der alten Linie 5 nach Eversburg als der längsten und am stärksten ausgelasteten Linie eine Pionierrolle zu. Sie sollte elektrifiziert werden. Obusse beschleunigten flotter als die damaligen Diesel-Busse, sie waren leiser und verbreiteten keine Auspuffgase. Für den Betreiber waren die niedrigeren Betriebs- und Unterhaltungskosten sowie die Befreiung von der Kfz-Steuer interessant. Man hatte ausgerechnet, dass die Investition in Betonmasten und Fahrdrähte sich schon nach wenigen Jahren bezahlt machen würde.

Die Osnabrücker Obus-Historie ist recht gut dokumentiert, einerseits in Aufsätzen des Osnabrücker Verkehrshistorikers Joachim Behrens, andererseits im Buch Obusse in Deutschland, Band 1″ aus dem Nordhorner Kenning-Verlag. Darin kann man staunend nachlesen, welche Kapriolen sich die Osnabrücker ÖPNV-Geschichte geleistet hat. 1958 fällt die Entscheidung, die Straßenbahn aufzugeben und nur noch auf Busse zu setzen. Die Neuordnung sieht drei Obus- und fünf Dieselbuslinien vor. Stadtwerke-Chef Johannes Bax ist überzeugter Obus-Fan und glaubt an eine Zukunft mit reiner Obus-Flotte. 1965 hat das Obusnetz mit 27 Kilometer Länge seine größte Ausdehnung erreicht, 35 Obusse sind im Einsatz, 17 Ein- und 18 Anderthalbdecker.

Zwei Jahre später kommen verwirrende Nachrichten aus dem Rathaus. Die Abschaffung der Obusse wird diskutiert. Der Rat hat sich um Fördergelder des Bundes für die Umstellung auf reinen Dieselbetrieb (!) beworben, 1, 6 Millionen DM soll der Umstieg kosten. Gegen die Obusse spreche, dass sie sich angeblich nicht auf Einmannbetrieb umstellen ließen. Ferner schreite der Ausbau des Straßennetzes so rasant voran, dass fortlaufend Änderungen der Oberleitungen notwendig würden. Da 1969 auf jeden Fall neun neue Busse kommen sollten, wäre es sinnvoll, jetzt sofort auf Dieselbetrieb umzustellen, wo man die Neubestellung noch ändern könne. Der Umbau der vorhandenen Obusse auf Dieselantrieb sei technisch und wirtschaftlich möglich.

Bax sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, eine angekündigte Fahrpreiserhöhung hänge mit der millionenschweren Umstellung der Busflotte zusammen. Dem widerspricht er vehement und behauptet jetzt, die Umstellung könne kostenneutral erfolgen durch die Verwertung des Fahrdrahtkupfers und künftige Personaleinsparungen. Da stimmt doch was nicht!″, kommentiert das Tageblatt″ und nennt das Hin und Her nicht gerade ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Osnabrücker Verkehrsbetriebe″. Aber die Entscheidung ist gefallen. Am 10. Juni 1968 endet der planmäßige Obusverkehr, bis Ende 1968 sind alle Fahrdrähte abgebaut. Osnabrück hat den Umstieg auf Verbrennungsmotoren geschafft″.

Bildtexte:
Ein Obus der ersten Serie, wegen seines kantigen Äußeren auch Zigarrenkiste″ genannt, biegt vom Rißmüllerplatz in die Natruper Straße ein. Im Hintergrund Klosterkaserne und Dominikanerkirche. Das Foto von Werner Stock aus dem Jahr 1958 ist dem Buch Obusse in Deutschland, Band 1″, Kenning-Verlag Nordhorn, entnommen.
Auch Anderthalbdecker wie der Wagen 215 (hier 1966 vor dem Museum am Heger-Tor-Wall) gehörten zur Elektro-Flotte. Das Foto wurde entnommen aus dem Band Osnabrück 1949 bis 1979″ von Matthias Rickling (Sutton-Verlag).
Anstelle der Oberleitung schweben heutzutage Ampelausleger über der Kreuzung Rißmüllerplatz. Joachim Dierks
Zur Jungfernfahrt am 2. Dezember 1949 starteten die beiden Obusse im Girlandenschmuck vom Rißmüllerplatz, wie dieses Bild aus dem NOZ-Archiv zeigt.
Betonmasten aus der Obus-Ära sind noch an einigen Stellen zu finden.
Foto:
Joachim Dierks.
Autor:
Joachim Dierks


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