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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
„Notschrei nach den schwarzen Diamanten″
Zwischenüberschrift:
Wie Osnabrück vor 100 Jahren unter dem Mangel an Kohle litt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Vor 100 Jahren griff die Kohlenot schwer in das Leben der Osnabrücker ein. Das lag an zu geringen Fördermengen, die noch lange nicht wieder das Vorkriegsniveau erreicht hatten, an Transportproblemen, am Wegfall der Kohle aus den gemäß Versailler Vertrag abzutretenden Gebieten. Die Siegermächte beanspruchten große Mengen als Reparationsleistungen. Ein früher Wintereinbruch verschärfte die Situation.

Vom 5. bis zum 15. November 1919 verhängen die Bahnverwaltungen die Verkehrseinstellung für alle Personenzüge im gesamten Reich, um Kohlen einzusparen. Ausnahmen gelten nur für den unbedingt notwendigen Arbeiterverkehr″. Güterzüge müssen weiterhin rollen, um das Wirtschaftsleben nicht völlig einbrechen zu lassen. Anträge auf Personenbeförderung in Güterwaggons werden grundsätzlich abgelehnt, teilt die Oldenburgische Eisenbahndirektion mit.

Ein Problem stellt die Rückführung deutscher Soldaten aus französischer Kriegsgefangenschaft dar, für die mit hohen Emotionen gekämpft worden war. Die Bahn genehmigt eine Ausnahme: Personenwagen mit Heimkehrern werden an sowieso verkehrende Eilgüterzüge angehängt.

Briefpost und Zeitungen können nicht zeitnah zugestellt werden. Die Deutsche Luftreederei bemüht sich um die Freigabe von Benzol, um einige Flugverbindungen aufzunehmen. Der Bayerische Luft-Lloyd fliegt ab dem 12. November Post und Personen zwischen München, Berlin und Frankfurt. Die Fahrten werden mit großen Flugzeugen für 6 bis 8 Personen durchgeführt″, meldet das Osnabrücker Tageblatt″.

Ähnlich hilflos klingen die Bemühungen, private Pkw-Fahrten zu erleichtern: Die bislang von den Kraftfahrzeugbesitzern bei der Mineralölversorgungs-Gesellschaft in Berlin gestellten Anträge auf Überweisung von Betriebsstoff sind für die Folge an den Herrn Regierungspräsidenten hier zu richten.″ Eine Ausnahme gilt für Ärzte. Sie müssen ihre Anträge weiterhin bei der Wirtschaftsvereinigung kraftfahrender Aerzte″ in Dresden einreichen.

Mangel an Strom und Gas

Der Kohlenmangel zieht in direkter Folge auch Einschränkungen bei der Verstromung und Verkokung nach sich, sodass es nicht genug Strom und Gas gibt. Die Osnabrücker bekommen eine Ortsvorschrift betreffend Ersparnis von Heizung, Beleuchtung und Kraft″ vorgesetzt. Danach dürfen Beleuchtung und Heizung in Ladengeschäften nur zwischen 9 und 16 Uhr betrieben werden. Das Gleiche gilt für Kontore, Büros und Schreibstuben″. Kegelbahnen dürfen nicht mit Kohlen, Koks oder Briketts geheizt werden, also höchstens mit Holz oder Torf. Die Klassenräume der Schulen dürfen vor 8.30 Uhr nicht beleuchtet werden. Jede Außenbeleuchtung von Gebäuden und jede Beleuchtung der Schaufenster und der Auslagen ist verboten. Polizeistunde ist 22 Uhr. Eine Viertelstunde später darf in Gastwirtschaften und Vergnügungsstätten kein Licht mehr brennen. Das Stadttheater darf ausnahmsweise bis 22.30 Uhr spielen, der regelmäßige Schluss muss aber auch hier 22 Uhr sein.

Das Tageblatt″ schildert aufgrund dieser Beschränkungen schon am frühen Abend eine ziemlich düstere Stimmung in den Straßen″. Im Übrigen bleibe abzuwarten, ob die scharfen Vorschriften rechtlich haltbar seien. Heizung und Beleuchtung mittels Kohle, Gas und Elektrizität möge man verbieten können, aber es könne doch nicht angehen, dass den Kaufleuten vor 9 und nach 16 Uhr auch der Einsatz von Kerzen oder Karbid zum Beleuchten und von Holz oder Torf zum Heizen verwehrt werde. Das käme in dieser Jahreszeit einer Begrenzung der Ladenöffnungszeiten gleich. Stadtsyndikus Reimerdes erklärt, ein einheitliches Verbot der Heizung und Beleuchtung ab 16 Uhr sei unabdingbar, weil sonst nicht kontrollierbar. Man könne nicht jeden Ofen daraufhin überprüfen, ob in ihm Kohlen oder Torf brenne.

Revival für Kohlenzeche?

Immer lauter wird der Notschrei nach den so kostbaren schwarzen Diamanten″, schreibt die Zeitung. Die Wiedereröffnung der 1898 stillgelegten Kohleförderung im Piesberg wird vorgeschlagen, aber auch die Ausbeutung von Lagerstätten in Borgloh, in Laggenbeck und am Hüggel. Viele deutsche Volksgenossen möchten gerne ihre Arbeitskräfte zur Hebung des Wirtschaftslebens hergeben. Gebt ihnen Gelegenheit! Hebt die Bodenschätze!″, ruft das Tageblatt″ auf.

Bezüglich des Piesbergs kommt schnell der technische K. o. Die Wasserhaltung, die schon 1898 das Hauptproblem darstellte, wäre heute ebenso wenig mit vertretbarem Aufwand lösbar, sagen die Fachleute. 46 Kubikmeter pro Minute müssten abgepumpt werden. Das sei aber noch nicht das Schlimmste, sondern vielmehr der Salzgehalt der Grubenwässer. Die Einleitung in Hase oder Stichkanal sei deshalb stets vom Ministerium abgelehnt worden.

Das Sparen an öffentlicher Beleuchtung wird ungewollt zum Bundesgenossen des lichtscheuen Gesindels″, bemerkt die Zeitung und schildert den Fall des Hilfsschaffners Ortmann an der Tannenburgstraße. Er hatte ein Schwein aufgezogen, das nun schlachtreif war. Diebe kamen ihm zuvor. Sie töteten das Tier in seinem Stall, zerteilten es und zogen unter Hinterlassung der Innereien mit den Hälften davon. Als Ortmann den frechen Diebstahl″ am Morgen bemerkte, wollte er die Polizei anhand der frischen Spuren veranlassen, mit einem Polizeihund die Verfolgung aufzunehmen. Es war aber kein Polizeihund verfügbar. Ortmann ist der festen Überzeugung, dass die Diebe gefasst worden wären mithilfe eines einigermaßen fährtefesten Hundes″. Die Zeitung pflichtet ihm bei und drängt darauf, dass bei der immer größer werdenden Unsicherheit Polizeihunde in genügender Anzahl vorhanden sind″.

Zur Monatsmitte sorgt starker Schneefall für ein Winterbild, wie man es sich sonst manchmal um Weihnachten gewünscht hätte″. Rund 30 Zentimeter sind gefallen. Wagenfahrten über Land sind außerordentlich erschwert, der Pferdeschlitten ist wieder das praktischste Beförderungsmittel geworden. In der Stadt hat der mit vier Pferden bespannte Bahnbrecher″ (Schneepflug) wahre Schneewälle zu beiden Straßenseiten erstehen lassen. Schwere Fuhren wie Möbelwagen sieht man sechsspännig fahren, weil sie sonst schon vor kleinen Steigungen kapitulieren müssten. Am Harderberg ist eine große Rodelbahn angelegt. Sofort nach der Schule strömen Heerscharen von Kindern aus dem Johannistore heraus, um dem gesunden Wintervergnügen obzuliegen″, wie es die Zeitung formuliert. Einen solchen Frühwinter hat es zuletzt 1890/ 91 gegeben.

Ein Leser beklagt die Belästigung der weiblichen Jugend durch Schneeballwerfen″ in einem Leserbrief: Tagtäglich kann man gegenwärtig auf der Straße beobachten, wie Schülerinnen, Ladenfräulein usw. von der männlichen Jugend durch Werfen mit Schneebällen belästigt oder sogar mißhandelt werden. Man darf es wirklich nicht als einen harmlosen Sport bezeichnen, wenn den Mädchen sogar wassertriefende oder harte Schneebälle ins Gesicht geschleudert und dadurch Auge oder Ohren verletzt oder Hut und Kleidungsstücke beschmutzt werden. Es sei daher an alle Eltern, Vorgesetzte und Lehrer die Bitte gerichtet, dahin zu wirken, daß ihre männlichen Untergebenen den rohen Sport unterlassen.″

Die städtischen Kollegien haben die Gründung eines städtischen Orchesters beschlossen, das 32 Spieler umfassen solle und damit bereits als kleines Wagnerorchester″ angesehen werden könne. Den Stamm werden die Musiker der 78er-Regimentskapelle bilden, die in der Auflösung begriffen ist. Deren Leiter, Musikmeister Schellbach, wird auch erster Dirigent des städtischen Orchesters werden.

Bildtexte:
Die städtische Gasanstalt mit der Kohlen-Misch-und-Mahl-Anlage.
Muss er wieder ran? Obersteiger Degen, hier auf einem Foto um 1894 mit Grubenlampe und Fahrtstock, war zu einer Symbolfigur des Steinkohlebergbaus im Piesberg geworden. 1919 erwog man wegen der Kohlenot eine Wiederöffnung der 1898 geschlossenen Zeche.
Fotos:
Archiv Stadtwerke Osnabrück, Archiv des Museums Industriekultur
Autor:
Joachim Dierks


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