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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Erst die eigene Sprache macht wirklich frei
Zwischenüberschrift:
Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis an Ngugi wa Thiong′o und Seawatch verliehen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Habt mehr Selbstbewusstsein, seid nicht so schüchtern! Ray Lema lacht in die Runde, greift in die Tasten, singt und die Gäste im Osnabrücker Friedenssaal singen mit, zuletzt sogar mit Schwung und Inbrunst. Am Ende der Feierstunde zur Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises funktioniert einmal, was Festredner zuvor beschworen hatten: der Dialog mit Afrika. Dem Weltmusiker Ray Lema sei Dank.

Zuvor allerdings redete nicht nur Heribert Prantl den Zuhörern ins Gewissen. Die Würde des Menschen ist untastbar. Dieser Satz muss der sicherste aller Sätze sein″, sagte der Journalist, ein Gesicht der Süddeutschen Zeitung″, mit Verve in der Stimme. Prantl sprach als Laudator der Initiative Sea Watch, die mit dem Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Der Journalist benutzte für seine Kritik an der Flüchtlingspolitik des Westens das eindrucksvolle Bild eines großen Flüchtlingsbuches, in dem jedem Flüchtling nur eine Seite gewidmet sei. Die aktuelle Ausgabe hätte 60 Millionen Seiten″, machte Heribert Prantl aus einem für viele Menschen abstrakten Phänomen bedrängend konkrete Wirklichkeit.

Johannes Bayer, Vorsitzender des Vereins Sea Watch e. V., erzählte von einem Flüchtling mit dem fiktiven Namen Paul. Es ist ruhig an diesem Tag auf See″, sagt Bayer und zitiert damit das Schicksal des Soldaten Paul Bäumer aus Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues″. Der Soldat stirbt einsam an der Front, der afrikanische Flüchtling allein auf dem Mittelmeer. Der Fall landet in der Statistik. Ein Tweet wird abgesetzt. Die Medien berichten nicht″, kommentierte Bayer bitter den Umgang Europas mit den Flüchtlingen. Es erfordere heute Zivilcourage, sich für internationale Konventionen wie die zur Rettung Schiffbrüchiger einzusetzen, sagte Bayer und lobte ausdrücklich den Einsatz von Seawatch-Kapitänin Carola Rackete.

Fluchtbewegungen verweisen auf Not und Elend und auf die Vorgeschichte des Kolonialismus. Viele Afrikaner müssten ihre Muttersprache und damit ihre Identität verleugnen, wenn sie zur Schule gehen wollten, sagte Uni-Präsidentin Susanne Menzel-Riedl als Vorsitzende der Jury des Friedenspreises. Die politische Unabhängigkeit afrikanischer Länder sei unvollständig ohne ihre kulturelle und intellektuelle Unabhängigkeit. Diese Diskrepanz sei das zentrale Thema im literarischen Werk des kenianischen Autors Ngugi wa Thiong′o. Der Autor, der seit Jahren als Kandidat für den Literaturnobelpreis gilt, schreibe deshalb konsequent in seiner Muttersprache Gikuyu.

Manfred Loimeier verwies darauf, dass Unabhängigkeit immer auch eine Frage der intellektuellen Selbstbestimmung sei. Der Preisträger lebe diese Selbstbestimmung ebenso vor wie jenen Humanismus, den Europa für sich in Anspruch nehme, aber viel zu selten vorlebe. Sprache ist immer etwas Gemeinsames″, sagte Loimeier und forderte mit Blick auf Afrikas Literaturen: Wir müssen lernen, besser zuzuhören.″

Der mit dem Friedenspreis ausgezeichnete Autor war wegen einer Erkrankung nicht zur Preisverleihung nach Osnabrück gekommen. In seiner kurzen Dankrede, die für ihn Abdilatif Abdalla verlas, plädierte Thiong′o für ein Gespräch der Sprachen, ein Netzwerk des Gebens und Nehmens″. Die meisten Sprachen auf der Welt seien zu Unrecht marginalisiert und mit ihnen die Geschichten, die sie erzählten, sagte der Preisträger weiter. Ob es da ein Trost ist, dass Musik als Weltsprache alle verbindet? Weltmusiker Ray Lema spielte jedenfalls schwungvoll auf. Und machte aus allen, die da waren, für Momente eine swingende, singende Gemeinschaft.

Bildtext:
Mit der Hand an der Friedensklinke: Juryvorsitzende Susanne Menzel-Riedl, Seawatch-Vorsitzender Johannes Bayer, Abdilatif Abdalla, Vertreter des Preisträgers Ngugi wa Thiong′o, und Oberbürgermeister Wolfgang Griesert.
Foto:
Thomas Osterfeld
Autor:
Stefan Lüddemann


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