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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Energiewende in Gefahr
Zwischenüberschrift:
Geplante Abstandsregeln werfen die Frage auf: Wie geht es weiter mit dem Ausbau der Windkraft?
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Hamburg/ Hannover Damit Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht, will die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 den Strombedarf zu 65 Prozent durch erneuerbare Energien decken. Die Windkraft spielt im Kampf gegen die Erderwärmung eine Schlüsselrolle. Doch die Große Koalition torpediert diese Ziele mit den Plänen für eine bundesweit einheitliche Mindestabstandsregel. Demnach dürfen Windräder künftig nur noch dort gebaut werden, wo sie mindestens 1000 Meter Abstand zu Wohnsiedlungen haben. Das ist der Inhalt eines Gesetzentwurfs von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Klagende Anwohner

Die Lage der Windenergie in Deutschland ist schon jetzt dramatisch: Der Ausbau der Windenergie ist in diesem Jahr praktisch zum Erliegen gekommen. Hauptgründe für die Flaute: lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen von Anwohnern. Kritiker der 1000-Meter-Regel befürchten nun, diese könne die Ausbaukrise weiter verschärfen.

Der Präsident des Bundesverbands WindEnergie, Hermann Albers, befürchtet durch die geplante Regel einen schweren Schlag für den Zubau der kommenden Jahre″.

Die Windkraftbranche ächzt schon seit Jahren: Seit 2017 sind Schätzungen zufolge bereits mehr als 40 000 Stellen weggefallen. Zuletzt kündigte der Anlagenbauer Enercon aus Aurich an, rund 3000 Stellen abzubauen. Bei der Konkurrenz sieht es nicht besser aus. Susanna Zapreva, Chefin von Energieversorger Enercity, sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: Wind ist unsere heimische Energiequelle Nummer eins. Es gilt, diese unendliche Ressource zu ernten, statt sie pauschal einzuschränken und zu blockieren, zum Beispiel über überzogene Abstandsregeln.″

Die Kritik scheint nachvollziehbar: Wie die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende ausgerechnet hat, müssten auf dem deutschen Festland jedes Jahr Windräder mit einer Kapazität von rund 4000 Megawatt neu ans Netz gehen. Im ersten Halbjahr 2019 waren es gerade einmal 231 Megawatt.

Den Effekt pauschaler Mindestabstände auf die Windenergie hatte zuletzt das Umweltbundesamts in einer Studie thematisiert. Nach Einschätzung der obersten Umweltbehörde würde ein solcher Abstand von 1000 Metern die verfügbaren Planungs- und Bauflächen um fast 50 Prozent reduzieren. Das Potenzial für neue Windräder würde sich schlimmstenfalls fast halbieren von etwa 80 auf rund 43 Gigawatt (GW).

Windräder sind meist zwölf bis 15 Jahre im Einsatz. Danach werden die Anlagen meist durch sogenanntes Repowering durch neue, leistungsfähigere Windräder ersetzt. Mit der 1000-Meter-Abstandsregel wäre das in vielen Fällen unmöglich. Laut Umweltbundesamt ist ein Repowering schon jetzt nur an 53 Prozent der bestehenden Standorte möglich nicht überall ließen sich kostendeckend und regelkonform höhere Turbinentürme errichten. Eine bundesweit einheitliche Abstandsregel drückt den Anteil der Flächen laut UBA auf unter 35 Prozent. Die Konsequenz: 65 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 wären in Deutschland bei Einführung eines Mindestabstands von 1000 Metern zu Wohnbebauung nicht erreichbar.″

So heftig die Kritik an den Plänen von Wirtschaftsminister Altmaier auch ist: Er lässt den Bundesländern ein Schlupfloch. Mit der sogenannten Opt-out-Chance können die Länder geringere Abstände für Windräder zu Siedlungen festlegen.

Niedersachsen, Deutschlands Windland Nummer eins, hatte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne der Bundesregierung scharfe Kritik an der 1000-Meter-Abstandsregel geäußert. Der Mindestabstand sei nicht machbar″. Schon jetzt fallen große Gebiete wegen Naturschutz, Flugverkehr oder anderer Nutzung aus. Die Landesregierung hält 600 bis 800 Meter für ausreichend. Um schnell zu neuen Windparks zu kommen, fordert das Land schnelle Zusatzausschreibungen.

Wenige Genehmigungen

In Schleswig-Holstein sind dieses Jahr fast keine neuen Windräder gebaut worden, weil wegen eines vorübergehenden Ausbaustopps nur wenige Genehmigungen für neue Anlagen erteilt werden. Das Land hat jedoch gleich nach dem Bekanntwerden des Klimapakets verkündet, beim Repowering von der Opt-out-Klausel Gebrauch zu machen.

Altmaier verteidigt die Pläne der Bundesregierung beharrlich. Viele Anwohner empfänden die Errichtung von Windrädern als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität″.

Heute planen die fünf norddeutschen Regierungschefs in Berlin einen gemeinsamen Auftritt zur Zukunft der Windenergie″. Denn bei ihnen geht die Angst um, dass diese Zukunft finster wird.

Bildtext:
Wo bleibt Raum für neue Windräder? Die geplante Abstandsregelung gefährdet aus Sicht der Kritiker die Energiewende und einen ganzen Wirtschaftszweig.
Foto:
dpa/ Julian Stratenschulte
Autor:
Anna Behrend, Christian Ströhl, Beate Tenfelde, Klaus Wieschemeyer


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