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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Überschrift:
Das ist der älteste Stammtisch Deutschlands
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Die Klause″ ist kein eingetragener Verein, verfolgt keine karitativen Ziele, will die Welt nicht verbessern, treibt keinen Sport, kegelt nicht, singt nicht (jedenfalls nicht besonders gut). Was hält sie trotzdem zusammen, und das seit mindestens 200 Jahren?

Wenn man die Klausenbrüder an ihren eigenen Protokollaufzeichnungen und ähnlichen Schriftstücken misst, dann stößt man auf umständlich formulierte Regeln inhaltsleerer Zeremonien und scheinbar todernste Abhandlungen über Nebensächlichkeiten. Man könnte sagen: Sie pflegen eine Verballhornung des Amtsdeutschen. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass Juristen häufig eine bestimmende Rolle unter den Klausnern gespielt haben und spielen. Aber stets blitzt der Humor durch. Man merkt: Diese Männer nehmen sich selbst nicht zu ernst, sie haben Spaß am stilvollen Blödsinn. Klausner und Verleger Hermann Elstermann gab dem Stammtisch 1951 den Zusatz: Gesellschaft zur freudigen Entspannung″. Andere Beschreibungen: Die Klause ist in einer Welt voll Neid und Streit eine Insel herzlicher Heiterkeit″, eine jeden Freitagabend im Traditionslokal Grüner Jäger″ tagende Akademie des konsequenten heiteren Unsinns von überragender Weisheit″, ein Kleinod der Osnabrücker Kulturgeschichte, stets getragen vom humanistischen Geist″.

Stammtische hatten früher eine tatsächlich nützliche Funktion. Als es weder Internet noch Fernsehen noch Radio gab, waren Märkte und Wirtshäuser wichtige Orte der Kommunikation. Nachrichten und Neuigkeiten brachten vornehmlich Handlungsreisende, Beamte oder Militärs mit, die aus der Landeshauptstadt ins beschauliche Osnabrück kamen. Um auf dem Laufenden zu sein, sich eine Meinung zu bilden und zu äußern, gingen die Herren der Gesellschaft möglichst täglich zum Stammtisch.

Die Klausenbrüder geben als Gründungszeitpunkt vor 1819″ an. Damit ist ihre Behauptung, den ältesten Stammtisch Deutschlands zu verkörpern, schlecht angreifbar. Tatsächlich geht der erste schriftliche Nachweis auf den Meller Pastor Krochmann zurück, der laut Kirchenbuch am 17. März 1819 das Zeitliche segnete, aber vorher zu seinen Lebzeiten regelmäßiger Stammtischgast im Weinhaus Lange am Markt 18/ 19 war. Dort trafen sich der Überlieferung nach die Bürgermeister und Ratsherren, die Aldermänner und Gildemeister, die Mitglieder des Krameramtes, die Geistlichen, Juristen und Pädagogen und, wie es heißt, auch Justus Möser. Spätere Stammtischbrüder waren etwa Johannes von Miquel, Albert Lortzing, General Friedrich Freiherr von Dincklage, Senator Christian Wagner oder Oberturnlehrer Julius Schurig.

1894 schloss das Weinhaus Lange. Der Stammtisch suchte eine neue Bleibe und fand sie im Schatten der Katharinenkirche. Im früheren Herrenhaus des Barfüßerklosters schenkt seit 1859 die Traditions-Gaststätte Grüner Jäger″ aus und ein. Über den Bedeutungszusammenhang Kloster und Mönchsklause etablierte sich ab 1902 der Name Klause″ für den Stammtisch. Als Sinnbild, das alle Schriftstücke ziert, wählte man eine schlafmützige Mönchsgestalt, die Kunstmaler Walter Hobein schuf.

Beim Umzug 1894 nahmen die Brüder ihre hochstieligen Humpen und die Porträt-Bilder der verstorbenen Vorgänger mit. Sie sollten fortan auch die Wände der neuen Klause im Eckzimmer des Grünen Jägers″ zieren. Dieses Clubzimmer″ wurde vom Stammtisch seinerzeit exklusiv angemietet. Wirt Emil Kahle quittierte dafür den Empfang von 100 Mark Jahresmiete. Die Klausenbrüder sorgten für eigene Möblierung, die auch über spätere Eigentümerwechsel des Wirtshauses hinweg ihr verbrieftes Habe blieb. So der runde Eichentisch, dessen Tischplatte aus dem Holz gefertigt wurde, das am 21. November 1898 die Fürstlich von Bismarck′sche Sägewerksverwaltung geliefert hatte gratis als Dank des Fürsten für eine Geburtstagsgratulation, die der Stammtisch ihm entboten hatte. Ganzseitig in der Chronik abgedruckte Frachtbriefe und eine eidesstattliche Versicherung des Tischlermeisters Pues belegen die Herkunft zweifelsfrei.

Doch damit noch nicht genug des prominenten Holzes. Die Tischbeine sind aus der Stammware geschnitzt, die die Gutsforsten derer von Moltke in Kreisau/ Schlesien am 29. November 1900 mit freundlichen Grüßen des Feldmarschalls verließ. Noch heute ist der traditionsschwere Tisch Mittelpunkt einer jeden Sitzung der Klause. Er hat allerdings eine Ergänzung bekommen, den sogenannten Kleine-Leute-Tisch″, der bei Hochbetrieb angesetzt werden kann.

Seit 1919 ist freitags Klausen-Stammtisch. Sobald mehr als drei Klausenbrüder anwesend sind, werden die traditionellen Laternenlichter entzündet und wird die elektrische Beleuchtung in einer kleinen Glasvitrine angeknipst, die seit 1939 zum Inventar gehört. Sie birgt eine figürliche Nachbildung der alten Weinstube Lange nach Art einer Puppenstube mit 16 namentlich bekannten zechenden Klausenbrüdern, darunter Handelsschuldirektor Noelle und Friedrich Wilhelm Lyra, der Vater des Mailied-Komponisten. Die Vitrine ist über dem Sitz des Präsidenten angebracht.

Der Präsident wird alljährlich am Abend vor dem Buß- und Bettag neu gewählt. Er muss sodann die silberne Amtskette mit Brustschild anlegen und eine mahnende und zukunftsweisende Ansprache″ halten, wie es die Statuten bestimmen. Der Schatzmeister hat ebenfalls eine Amtskette, die allerdings als Ausdruck ewiger Sparsamkeit nur aus Ein- und Zwei-Pfennig-Stücken (seit 2001: Ein- und Zwei-Cent-Stücken) besteht.

Ein weiteres wichtiges Amt bekleidet der Dorfschulze″. Wenn jemand eine Runde spendieren möchte, meldet er dies dem Präsidenten. Der beauftragt den Dorfschulzen″, seines Amtes zu walten. Dieser erhebt sich, zieht einen großen ledernen Handschuh an und spricht die formelhaften Worte: Schon wieder einmal scheint sich dieser erlauchten Runde ein Wohltäter nähern zu wollen. Jedenfalls gibt mir der Auftrag unseres hochverehrten Herrn Präsidenten die frohe Vorahnung dazu. In dieser überaus freudigen Erwartung rufe ich laut aus: Alle alles austrinken! Er führt mit der behandschuhten Hand sodann einen gewaltigen Schlag auf das Klausen-Buch aus und lässt die Getränke servieren. Die wurden zuvor mittels Zug am historischen Straßenbahn-Schlaufengriff, der über dem Tisch baumelt, beim Wirt bestellt. Der Griff ist eine Stiftung des Jäger-Wirts Pascal Rupp.

Zu den weiteren Ritualen gehört die Kleiderordnung, die auf den Schmuck- und Kleiderwart″ Günter Steinhäuser zurückgeht. Sie schreibt unter anderem vor, dass in den Monaten mit r″ die giftgrüne Klausenkrawatte zu tragen ist. Wenn das Klausenlied″ mit seiner anerkannt gemütsaufhellenden Wirkung″ angestimmt wird, müssen alle das Jackett verschließen. Dabei kann es manchmal sehr eng werden. Steuerberater Bernd Albers hat während seiner Präsidentschaft 1977 die sogenannten Strapse″ eingeführt, mittels derer sich auseinanderklaffende Knopfleisten andeutungsweise überbrücken lassen. Damit befindet sich der Träger noch im Rahmen der Kleiderordnung. Wer länger als sieben Tage ortsabwesend ist, hat die 1929 eingeführte Pflicht, eine Ansichtskarte an die Runde zu schicken. Ein eingezeichneter Kreis irgendwo zwischen Briefmarke und Anredeformel bedeutet: Der Reisende verspricht, nach seiner Rückkehr eine Runde auszugeben. Kreis mit Punkt in der Mitte bedeutet: Zusätzlich gibt es einen Schnaps.

Neben den wichtigen Ämtern Präsident, Vizepräsident, Dorfschulze, Chronist, Klausensekretär, Schatzmeister und Rundenaufschreiber gibt es seit 1977 den Risiko-Fonds-Verwalter (RFV). Der Fonds wurde erforderlich, um gelegentlich noch offen gebliebenen Verzehr bei der Bedienung begleichen zu können.

Mitglied in der Klause zu werden ist nicht so einfach. Man muss einen Bürgen unter den bestehenden Mitgliedern finden, der einen vorstellt und zunächst als Gast einführt. Eine ausgewogene Berufs- und Altersstruktur wird angestrebt. Derzeit besteht die Runde aus 27 Mitgliedern im Alter zwischen 39 und 85 Jahren. Wir sind nicht elitär″, sagt dazu Klausenpräsident Friedrich Jandeck, aber wir verfolgen das Lebensbundprinzip, und da muss das Neumitglied schon zu uns passen.″

Am Jubiläumsempfang mit geladenen Gästen an diesem Samstag nimmt auch Oberbürgermeister Wolfgang Griesert teil. Nicht nur für ihn ist die Klause ein wichtiger Teil der Osnabrücker Stadtgesellschaft″.

Bildtexte:
Die Klausenbrüder stoßen an auf den 200. Geburtstag ihres Stammtisches. Unter den mahnenden Blicken ihrer Vorgänger, die in 110 Bildporträts an den Wänden hängen, pflegen sie die überlieferten Rituale. Links vom Schlaufengriff: Präsident Friedrich Jandeck.
Die Symbolfigur des " Klausners" wurde vom Kunsterzieher Walter Hobein erschafen.
In einer Glasvitrine ist die alte Weinstube Lange mit 16 zechenden Klausenbrüdern nachgebildet.
Das Anstoßen mit Würstchen″, hier eingeleitet von Rechtsanwalt Fritz Schröder (Mitte) in den 1950ern, geht auf eine Anregung des Klausenbruders Julius Heywinkel zurück.
Die Hand des Dorfschulzen″ im Lederhandschuh liegt bedeutungsschwer auf dem Klausen-Buch und dieses wiederum auf der Tischplatte aus von-Bismarck′schem Holz.
Der Grüne Jäger″ in einem ehemaligen Nebengebäude des Barfüßerklosters besitzt das Schankrecht seit 1859. Er hatte den Krieg überdauert, während an der Osterberger Reihe (am linken Bildrand) um 1955 auf abgeräumten Trümmerfeldern noch ein großflächiger Parkplatz eingerichtet war.
Fotos:
Klausenarchiv/ Georg Bosselmann, Archiv Museum Industriekultur, NOZ-Archiv/ Thomas Osterfeld
Autor:
Joachim Dierks


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