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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Von der Boombranche zum Sorgenkind
 
Weils Plan gegen den Kollaps der Windbranche
Zwischenüberschrift:
Warum ist die Windenergie in die Krise gerutscht? / Milliarden Kilowattstunden ungenutzt
 
Ministerpräsident legt Zehn-Punkte-Programm vor / Mindestabstand sorgt für Streit mit CDU
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück An den Windrädern im Norden scheiden sich die Geister: Für die einen stehen die Spargel″ in der Landschaft für Nachhaltigkeit, für die anderen verschandeln sie die Natur und sorgen langfristig nicht für eine gesicherte Stromversorgung in Deutschland. Insgesamt mehr als 29 200 Windräder waren laut Bundesverband Windenergie (BWE) im vergangenen Jahr bundesweit installiert davon allein mehr als 11 100 in Niedersachsen und fast 7000 in Schleswig-Holstein. Zum Vergleich: In Bayern sind es nicht einmal 2500. Von der Windenergie an Land abhängig sind bundesweit rund 133 000 Arbeitsplätze 3000 von ihnen plant der Auricher Windanlagenhersteller Enercon abzubauen.

Ein Grund, den das ostfriesische Unternehmen in den Fokus stellt: Der Zubau neuer Anlagen stockt seit Jahren und das nicht, weil Energieversorger nicht in neue Windparks investieren wollen, wie der Oldenburger Energiedienstleister EWE gegenüber unserer Redaktion betont. Konkrete Zahlen nennt Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler nicht, aber: Wir würden gerne das Doppelte investieren.″

Die drastisch sinkende Zahl neuer Anlagen heiße für das Netzausbaugebiet von EWE konkret: Zwischen Januar 2017 und Mai 2019 seien 77 Prozent weniger Windräder genehmigt worden als zwischen 2014 und 2016.

Dabei hätte laut Ausschreibung der Bundesnetzagentur durchaus mehr gebaut werden dürfen auch im Oktober ist in der Auktion nicht die gesamte Windleistung abgerufen worden. Für den Bundesverband Windenergie (BWE) ist das nicht überraschend. Seit Monaten machen wir ganz konkrete Vorschläge, um zusammen mit der Politik den Genehmigungsstau bei der Windenergie endlich zu lösen. Doch die politische Reaktion aus Berlin zeigt uns, dass die Krise der Windbranche schlichtweg nicht ernst genommen wird″, hieß es in einer Mitteilung des Verbands. Stefan Dohler fügt hinzu: Aktuell gibt es in der Branche eine zu geringe Zahl genehmigter Vorhaben, die in die Ausschreibung gehen könnten.″

Und: Die schwierigen Rahmenbedingungen wird das Klimaschutzgesetz noch einmal verschärfen, ist sich der EWE-Vorstandsvorsitzende sicher. Insbesondere die Abstandsregelung droht dafür zu sorgen, dass bereits in Planung befindliche Projekte verkleinert und damit weniger wirtschaftlich darstellbar oder sogar komplett aufgegeben werden müssen. Damit werden bereits getätigte Investitionen in Planung und Genehmigung entwertet.″

Eine höhere Akzeptanz der Bürger ergibt sich für Dohler aus einem größeren Abstand der Anlagen von Wohnbebauungen auch nicht. Das ist so, als würde man die Akzeptanz der Schüler für das Fach Mathe steigern wollen, indem man die Hälfte aller Stunden streicht.″

Nicht genehmigte Anlagen sind die eine Seite, gleichzeitig gilt jedoch auch: Nicht der gesamte Strom, den Windanlagen gerade im Norden produzieren, kommt am Ende auch aus der Steckdose des Verbrauchers. Laut Bundesnetzagentur wurden im ersten Quartal knapp 3, 3 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom wegen Überbelastung der Stromnetze nicht eingespeist im Gesamtjahr 2018 waren es 5, 4 Milliarden. Zum Vergleich: Ein mittleres Atomkraftwerk wie das Kernkraftwerk Emsland produziert nach Angaben des Betreibers RWE jährlich elf Milliarden Kilowattstunden Strom für 3, 5 Millionen Haushalte.

Wie überlastet die Netze sind, zeigt auch die Zahl der Eingriffe, die allein EWE zur Stabilisierung vornehmen muss. Laut Energiedienstleister waren es im vergangenen Jahr insgesamt 2593 diese Zahl sei bereits im Sommer dieses Jahres überschritten gewesen, teilte EWE unserer Redaktion mit. Bis Anfang November musste der Oldenburger Energiedienstleister fast 3700-mal eingreifen.

Um den Strom besser verteilen zu können, braucht es neue Stromtrassen insbesondere in Richtung Süden. Laut Bundesnetzagentur werden bundesweit im Zuge der Energiewende rund 7700 Kilometer Hochspannungsleitungen benötigt genehmigt sind davon lediglich 1800 Kilometer, knapp 1000 Kilometer gebaut. Auch aufgrund von Bürgerprotesten gegen den Trassenbau.

Stefan Dohler vergleicht die dezentrale Stromerzeugungmit der Landwirtschaft. Es ist für uns alle selbstverständlich, dass in den ländlichen Regionen mehr Kartoffeln, Milch und Getreide produziert werden, als wir selbst essen können. Die Landwirte versorgen die Städte mit. So wird es auch mit der Energieversorgung sein, wenn wir die großen Kraftwerke nach und nach vom Netz nehmen wollen, um das Klima zu retten.″

Bildtext:
Still stehende Anlagen und zu wenig Neubau: Die Windenergie steckt in einem Dilemma.
Foto:
dpa/ Jan Woitas

Hannover Angesichts der Krise in der Windindustrie hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil vor einem Kollaps der Branche gewarnt und zehn Maßnahmen zum Gegensteuern vorgeschlagen. So solle ein Ausbau der Windenergie an Land von fünf Gigawatt pro Jahr gesetzlich vorgeschrieben werden. Uneins zeigten sich die Koalitionspartner SPD und CDU beim Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung.

Nach Angaben von Ministerpräsident Weil sind seit 2016 in der deutschen Windindustrie mehr als 40 000 Arbeitsplätze abgebaut worden – „ das sind doppelt so viele, wie es insgesamt Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie heute noch gibt″, sagte der SPD-Politiker gestern in einer Regierungserklärung vor dem Landtag in Hannover. Wenn es so weitergeht, wird es in Zukunft keine deutsche Windindustrie mehr geben.″

Auf die Tagesordnung gebracht hatte das Thema der angekündigte Stellenabbau des Windkraftanlagenherstellers Enercon aus Aurich. Rund 3000 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. Bei einem Treffen mit Weil hatte Enercon-Chef Hans-Dieter Kettwig bereits klargemacht, dass auch kurzfristige politische Maßnahmen nichts mehr an den Streichungen ändern könnten. Um die Branche dennoch wiederzubeleben, schlug Weil neben dem Ausbauziel von fünf Gigawatt pro Jahr auch günstigere Stromtarife für Nachbarn von Windparks vor. Zudem sollten die Modernisierung von Windrädern erleichtert und Genehmigungen beschleunigt werden. Darin bestehe auch eine wirtschaftliche Chance für das Land: Wind ist der Rohstoff des Nordens, und davon haben wir sehr viel″, sagte Weil.

Weil wiederholte, dass Niedersachsen den vom Bund geplanten Mindestabstand von einem Kilometer zwischen Windrädern und Wohnhäusern nicht übernehmen werde. Kritiker sehen darin eine Einschränkung der verfügbaren Fläche. Für den Koalitionspartner CDU verwies Vize-Fraktionschef Ulf Thiele allerdings auf Konflikte mit der Bevölkerung″, wenn die Anlagen zu nah gebaut würden. Man solle sich die Abstandsregelung daher ohne Vorbehalte ansehen.
Autor:
Nina Kallmeier, dpa


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