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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Tafel versorgt immer mehr Rentner
Zwischenüberschrift:
Warum die Zahl der Bedürftigen in einem Jahr um zwölf Prozent gestiegen ist
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück Der Vorsitzende der Osnabrücker Tafel, Hermann Große-Marke, schlägt Alarm: Die Zahl der Bedürftigen, die sich in der Zentrale an der Schlachthofstraße mit gespendeten Lebensmitteln versorgt haben, ist in einem Jahr um zwölf Prozent gestiegen. In den Ausgabestellen im Landkreis wurden fünf Prozent mehr Menschen versorgt.

Etwa jeder dritte Kunde ist Rentner. Einer Hochrechnung des bundesweiten Dachvereins Tafel Deutschland″ zufolge ist die Zahl der Senioren, die sich regelmäßig bei der Tafel mit Lebensmitteln versorgen, innerhalb von einem Jahr um 20 Prozent gestiegen. Auch Große-Marke konstatiert: Der Anteil der Senioren, die bei der Osnabrücker Tafel einkaufen, ist stark gestiegen. Besonders bei unserem Bringdienst, der Lebensmittel für ältere und kranke Menschen ins Haus liefert, können wir den Nachfragen unserer älteren Kunden kaum noch nachkommen.″

Ebenfalls stark gestiegen ist Große-Marke zufolge der Anteil der Bedürftigen, die über die Kindertafel mit Lebensmitteln versorgt werden. Die Kindertafel liefert Pausenbrote, Obst, Joghurt, Früchtequark und Milch in 13 Osnabrücker Schulen.

Warum kommen immer mehr Rentner zur Tafel? Große-Marke sitzt nicht nur in seinem Büro und organisiert die Abholung der Lebensmittel sowie die Versorgung der Bedürftigen an den insgesamt acht Ausgabestellen der Tafel in Stadt und Landkreis, sondern ist auch im regen Kontakt mit den Kunden in der Hauptausgabestelle. Daher kennt der 63-Jährige auch die Beweggründe, die sie dazu zwingen, sich über die Tafel mit dem Nötigsten zu versorgen: Einerseits klagen die Senioren über niedrige Renten oder Grundsicherung, andererseits über stetig steigende Mieten in Osnabrück. Das, was sie mehr an Miete zahlen müssen, sparen sie beim Lebensmitteleinkauf ein und kommen daher zu uns.″

Auch der Bundesverband der Tafeln hatte nun vor einer Überforderung der ehrenamtlichen Organisation gewarnt: Der Vorsitzende des Vereins, Jochen Brühl, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass große Mengen von Produzenten mitunter abgelehnt werden müssten, weil die Infrastruktur der Tafeln dem nicht gewachsen sei. Bevor über ein Gesetz diskutiert werde, das Lebensmittelhändler wie in Frankreich zum Spenden ihrer Überschüsse verpflichtet, sei deshalb finanzielle Unterstützung vom Staat für die Rettung und Verteilung von Lebensmitteln nötig. Brühl fordert finanzielle Mittel, um davon hauptberufliche Mitarbeiter zu bezahlen, die große Spenden koordinieren und an die Landesverbände verteilen sollen. Außerdem würden Logistiklager und Fahrzeuge benötigt, um große Mengen annehmen und weitergeben zu können.

Wie viele Lebensmittel landen jährlich im Müll? Der Bundesverband der Tafeln schätzt, dass jährlich rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll landen. Die Bundesregierung hat sich daher im Rahmen einer nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zum Ziel gesetzt, die Verschwendung im Einzelhandel und in privaten Haushalten bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Die Hamburger Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hat zudem eine Bundesratsinitiative angekündigt, die Supermärkte wie Rewe und Edeka sowie Discounter wie Aldi und Lidl verpflichten soll, mit Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten und noch genießbare Lebensmittel zu spenden. Die bundesweit 940 Tafeln, die mit 60 000 Ehrenamtlichen bislang jährlich rund 264 000 Tonnen Lebensmittelspenden annehmen und verteilen, dürften dabei eine wichtige Rolle spielen.

Braucht auch die Osnabrücker Tafel staatliche Unterstützung? Auf Nachfrage unserer Redaktion, ob auch die Osnabrücker Tafel staatliche Unterstützung für die Annahme und Verteilung von gespendeten Lebensmitteln benötigt, antwortet Große-Marke: Zurzeit benötigen wir dank der guten Zusammenarbeit zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und der großen Spendenbereitschaft der Menschen im Landkreis und in der Stadt Osnabrück keine staatliche Unterstützung.″ Bei der Osnabrücker Tafel sei es bislang auch noch nicht vorgekommen, dass große Warenmengen hätten abgelehnt werden müssen, weil die Infrastruktur nicht ausgereicht habe.

Zurzeit arbeitet die Osnabrücker Tafel bereits mit Edeka, Rewe, Lidl und Aldi zusammen und bekommt Große-Marke zufolge bereits reichlich gute Lebensmittel″. In Frankreich sind die Lebensmittelhändler vor Jahren aber sogar per Gesetz zum Spenden von überschüssigen und noch genießbaren Lebensmitteln verpflichtet worden. In der Folge sollen zwischen 2015 und 2017 knapp 20 Prozent mehr Lebensmittel von Supermärkten an die Tafeln gespendet worden sein. Auf Nachfrage, ob die Infrastruktur der Osnabrücker Tafel einem um 20 Prozent höheren Aufkommen an Lebensmitteln gewachsen wäre, antwortet Große-Marke: In diesem Fall müsste die gesamte Logistik mit Autos, Kühlhäusern und auch die bisherige Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter überdacht und neu gerechnet werden.″

Was benötigt die Osnabrücker Tafel aktuell? Aktuell benötigt die Osnabrücker Tafel rund 70 000 Euro an Spenden für ein neues, etwa 120 Quadratmeter großes Trockenlager in der Schlachthofstraße, um dort etwa Kartoffeln, Reis oder Nudeln zu lagern.

Wie finanziert sich die Osnabrücker Tafel? Die Osnabrücker Tafel finanziert sich nur über Spenden. Im Jahr werden rund 300 000 Euro eingeworben sowohl von großen Lebensmittelhändlern als auch von Einzelspendern. Kaufmann Große-Marke, der sich vor drei Jahren als stellvertretender Betriebsleiter in den Vorruhestand versetzen ließ, um ehrenamtlich die Geschicke der Tafel zu leiten, berichtet stolz von Menschen aus der Region, die sich anstatt Geschenke lieber Spenden an die Tafel wünschen. Über Spenden konnten etwa sechs Kühlhäuser finanziert werden, die fast bis zum Rand mit abgepacktem Aufschnitt, Gurkensalat oder etwa auch Fertig-Cappuccino-Bechern gefüllt sind. In der Warenannahme im Hof sortieren einige der insgesamt rund 280 Ehrenamtlichen, die für die Osnabrücker Tafel arbeiten, was noch essbar ist.

Wie viele Bedürftige versorgen sich bei der Tafel mit Lebensmitteln? In der Hauptstelle und den sieben Außenstellen in der Dodesheide, in Eversburg, Belm, Bramsche, Dissen, Georgsmarienhütte und Hollage kaufen in einer Woche rund 3500 Kunden ein, im Jahr mittlerweile rund 182 000. Mehr als sieben Tonnen an Lebensmitteln sammeln vier Lkw und ein Transporter der Tafel täglich bei Supermärkten oder Bäckereien ein. Die Kühlwagen sind so viel unterwegs, dass die Tafel monatlich mehr als 2000 Euro fürs Tanken ausgeben muss.

Mit mehr als 220 Geschäften in Stadt und Landkreis arbeitet die gemeinnützige Einrichtung bereits zusammen. So gelangt die Tafel an den großen Warenbestand an Spenden, die nicht mehr in den Verkauf gehen, weil sie sich in der Regel dem Verfallsdatum nähern.

Bildtexte:
Der Vorsitzende der Osnabrücker Tafel, Hermann Große-Marke, packt mit an: Der Bedarf an gespendeten Lebensmitteln ist groß, denn seit einem Jahr kommen zwölf Prozent mehr Bedürftige zur Osnabrücker Tafel.
Hermann Große-Marke.
Fotos:
Gert Westdörp

Kommentar
Das muss ein Weckruf für die Stadt sein

Diese Analyse ist erschreckend. Immer mehr Rentner sehen sich gezwungen, beim Lebensmitteleinkauf das einzusparen, was sie mehr an Miete zahlen müssen. Rentner, die im Niedriglohnsektor beschäftigt waren, können von den niedrigen Renten oder der Grundsicherung im Alter nicht mehr leben und sehen sich gezwungen, sich über die Osnabrücker Tafel zu versorgen. Das muss ein Weckruf für die Stadt Osnabrück sein!

Unsere Region konnte in diesem Jahr ein Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit und ein Rekordhoch bei der Beschäftigung verzeichnen. Auch die Osnabrücker Finanzsituation hat sich dank sprudelnder Steuereinnahmen deutlich verbessert. Wenn einerseits so viele vom Aufschwung profitieren und andererseits zwölf Prozent mehr Bedürftige zur Tafel gehen müssen, zeigt sich eine soziale Schieflage.

Wenn die Osnabrücker Tafel schon eine so wichtige gesellschaftliche Funktion übernehmen muss, wäre es das Mindeste, dass die Stadt die Ehrenamtsorganisation finanziell unterstützt etwa mit einem Beitrag für das so dringend benötigte neue Trockenlager. j.fays@ noz.de
Autor:
Jean-Charles Fays


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