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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Stadt geht Probleme im Schinkel an
 
So will die Stadt die Probleme im Schinkel lösen
Zwischenüberschrift:
Prekäre Lebensbedingungen von Bulgaren und anderen EU-Ausländern rücken in den Fokus
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück Monatelang war die Situation der Bulgaren im Stadtteil Schinkel Streitthema in Osnabrück. Jetzt hat Sozialdezernentin Katharina Pötter einen Vorschlag vorgelegt, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

Die meisten, die seit 2014 im Zuge der EU-Freizügigkeit nach Osnabrück gekommen sind, bleiben. Das hat das Jobcenter beobachtet. Damit sich nicht weiter Parallelgesellschaften bilden und Sozialleistungen teils erschlichen werden, ist die Stadt unter Zugzwang und will jetzt mit einem auf fünf Jahre angelegten Projekt in die Offensive gehen. Und zwar nicht nur mit Blick auf Bulgaren, sondern auf EU-Ausländer allgemein.

Für die Fokussierung auf die Gruppe der 2200 Bulgaren in Osnabrück hatte die CDU im Sommer Rassismus-Vorwürfe geerntet.

Osnabrück Das Dreieck Buersche Straße/ Venloer Straße und Schinkelstraße ist zum Sinnbild dafür geworden, was in Osnabrück im Hinblick auf die Lebensbedingungen von EU-Ausländern schiefläuft. Alteingesessene Anwohner berichten unter anderem von Ratten- und Müllproblemen, von prekären Wohnverhältnissen, davon, dass sich eine Parallelgesellschaft gebildet habe. Man lebe nebeneinander her und habe wegen der Sprachbarriere keine Chance, sich mit den bulgarischen Nachbarn zu verständigen. Und die Behörden würden nichts unternehmen.

Die Stadt will nun mit einem schon existierenden Team von 32 Jobcenter-Mitarbeitern, die auf EU-Ausländer spezialisiert sind, mitten ins Viertel gehen flankiert von diversen Sozialberatern und Unterstützungsangeboten. Wie Sozialdezernentin Katharina Pötter unserer Redaktion auf Anfrage erläuterte, geht es sowohl darum, Sozialleistungsmissbrauch zu verhindern, als auch darum, den Menschen zu helfen, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt wurden. Dort unter anderem im Schinkeler Problem-Eck leben sie in heruntergekommenen Wohnungen, für die der Staat überteuerte Mieten zahlt, Geld, das in den Taschen von Hintermännern landet. Eine Ermittlungsgruppe der Osnabrücker Polizei fand 2016 und 2017 klare Hinweise auf Schwarzarbeit, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz und Mietwucher.

Kürzlich habe wieder eine Begehung eines Hauses stattgefunden, berichtet Sozialdezernentin Pötter. Aus einem 15 Quadratmeter großen Raum seien ihr und den anderen Beamten sieben Männer in Schlafanzügen entgegengekommen. So kann kein Mensch leben. Das macht deutlich, in welcher Situation die Menschen sich erst in ihrer Heimat befinden müssen, wenn sie so etwas auf sich nehmen.″

Der Grundgedanke des Projektes im Schinkel lautet: Zum Jobcenter müssen die Menschen sowieso, also ist hier die beste Gelegenheit, sie bereits im Eingangsbereich anzusprechen und ihnen zu helfen. Im selben Haus sollen sämtliche Unterstützungsangebote zu finden sein, erläutert Pötter: Familiencoaching, Migrations- beratung für Jugendliche und Erwachsene und auch eine Beratungsstelle für Ar- beiter aus dem EU-Aus- land, vor allem Osteuropa, die Opfer von Ausbeutung werden und in der Regel ihre Rechte nicht kennen.

Polizei und Mitarbeiter der Ausländerbehörde sollen ebenso vor Ort sein wie ein Mitarbeiter aus dem städtischen Fachbereich Integration, der bereits jetzt schwerpunktmäßig Menschen aus Bulgarien berät. Geplant ist außerdem ein Multifunktionsraum, den weitere Vereine und Hilfsorganisationen nutzen sollen, beispielsweise für Nachhilfe.

Das alles kostet Geld, und zwar 188 000 Euro pro Jahr. Kommenden Mittwoch wird das Projekt mit dem allgemein gehaltenen Titel Europa Osnabrück Schinkel″ im Sozialausschuss diskutiert, bevor es im Dezember in den Rat geht. Der genaue Standort ist noch offen.

Auch für Prostituierte soll es künftig Streetworker und Ausstiegshilfen geben. Osnabrücks Straßenstrich in der Franz-Lenz-Straße ist nur einen Steinwurf vom Problemviertel im Schinkel entfernt. Den letzten Versuch, der Hilfsorganisation Solwodi und des SKF, ein mobiles Hilfsangebot für Prostituierte zu finanzieren, hatte der Rat 2017 noch abgelehnt.

Neben all diesen Hilfsangeboten wolle die Stadt mit dem Projekt gleichzeitig ein Signal senden, dass es sich nicht lohnt, nach Osnabrück zu kommen, nur um Leistungen zu beziehen″, so Pötter. Rund ein Drittel aller 2200 Bulgaren in Osnabrück beziehen staatliche Leistungen, wie im Sommer eine Anfrage der CDU-Fraktion an die Verwaltung ergab. Die Quote hatte ihren Höchststand 2016: Da waren es mehr als die Hälfte, und das Jobcenter reagierte, kontrollierte verstärkt, ob die Leistungen zu Recht bezogen werden. Die Quote sank.

Seit 2014 gilt die volle EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Rumänen und Bulgaren, in jenem Jahr begann der Zuzug in Osnabrück. Ein 450-Euro-Job reicht, um das Recht auf den Bezug von Sozialleistungen zu haben. Und jetzt drängt die Zeit: Wer fünf Jahre in Deutschland gelebt hat, hat uneingeschränktes Recht auf den Bezug von Sozialleistungen, auch ohne Minijob. Das Osnabrücker Jobcenter rechnet bereits mit einem Anstieg der Anträge.

Bildtext:
Die Ecke Buersche Straße/ Schinkelstraße gleich hinter der Bahnunterführung hat in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme bereitet. Anwohner meinen, dort habe sich eine bulgarische Parallelgesellschaft gebildet.
Foto:
Gert Westdörp

Kommentar
Wer nach Osnabrück gekommen ist, der bleibt

Das ist die wohl wichtigste Erkenntnis: Kaum ein Bulgare kommt nach Osnabrück, um hier den Staat zu schröpfen und irgendwann weiterzuziehen. Die Menschen kommen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben und bleiben. Deshalb ist es nicht nur grundsätzlich wichtig, denen zu helfen, die Opfer krimineller Banden geworden sind und die ausgebeutet werden egal ob nun aus Bulgarien oder aus einem anderen EU-Staat. Es lohnt sich auch.

Niemandem ist geholfen, wenn man die Gruppen sich selbst überlässt. Die Kinder werden hier groß und gehen zur Schule, die Erwachsenen wollen sich in der Stadt etwas aufbauen und zu fairen Bedingungen arbeiten, anstatt in Schrottimmobilien zu hausen und von dubiosen Subunternehmern ausgebeutet zu werden. Die meisten Bulgaren sind Opfer und keine Kriminellen das sagt auch die Polizei.

Dass die Stadt Jobcenter und Hilfsangebote an einem Standort bündeln möchte, ist eine gute Idee. Je unbürokratischer, desto besser. Denn oft sind es formelle Hürden, die etwa verhindern, dass ein Kind aus einer armen Familie Nachhilfe bekommt. Die Antragstellung ist in Deutschland so kompliziert, dass sogar Akademiker daran verzweifeln. s.dorn@ noz.de
Autor:
Sandra Dorn


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