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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Münster macht das Busfahren kostenlos
 
Gratis-Busfahrten im Advent
Zwischenüberschrift:
Münster macht öffentlichen Nahverkehr an vier Samstagen kostenlos – Vorbild für Osnabrück?
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Die Stadt Münster wagt in der Vorweihnachtszeit ein teures Experiment: An allen vier Adventssamstagen macht sie das Busfahren für Nutzer kostenlos. Die Gratis-Aktion soll dazu beitragen, den Autoverkehr auf den Straßen zu verringern und so die Umwelt zu schonen. Außerdem hofft die Politik, über das Lockangebot viele neue Kunden für den ÖPNV zu gewinnen. Erwartet werden bis zu 50 000 Fahrgäste mehr pro Aktionstag.

Die Stadtwerke Münster sprechen von einem starken verkehrspolitischen Signal mit überregionaler Strahlkraft″. Allerdings verursacht die Maßnahme Zusatzkosten in Höhe von 450 000 Euro.

Unsere Redaktion fragte bei den Stadtwerken Osnabrück nach, was sie von der Gratis-Aktion halten und ob diese auch hier zum Vorbild gereichen könnte.

Osnabrück In Münster fahren in diesem Jahr an den vier Adventssamstagen die Busse kostenlos. Die Aktion soll Straßen und Umwelt entlasten, außerdem möglichst viele neue ÖPNV-Kunden anlocken. Der Osnabrücker Verkehrsbetrieb betrachtet den Gratis-Ansatz jedoch mit Skepsis.

Münster baut in der Vorweihnachtszeit sein Angebot im öffentlichen Nahverkehr deutlich aus. Wie der Haupt- und Finanzausschuss des Rates vorige Woche mit schwarz-grüner Mehrheit beschloss, fahren die Busse in Osnabrücks westfälischer Nachbarstadt an den vier Samstagen im Advent nicht nur häufiger, sondern auch zum Nulltarif. Die Stadtwerke Münster sprechen von einem starken verkehrspolitischen Signal mit überregionaler Strahlkraft″.

Hohe Zusatzkosten

Durch die Gratis-Aktion entstehen dem kommunalen Verkehrsunternehmen nach eigenen Angaben zusätzliche Kosten in Höhe von 450 000 Euro. Allein die Taktverdichtung sowie die Bereitstellung zusätzlicher Fahrzeuge schlagen mit 100 000 Euro zu Buche. Darüber hinaus sind Einnahmeausfälle und Ausgleichsleistungen für Abonnenten in Höhe von 35 000 Euro veranschlagt. Die Mehrausgaben sollen den Stadtwerken Münster aus dem städtischen Haushalt erstattet werden.

Wenn man den Autoverkehr in Münster an den Adventssamstagen kennt, weiß man, dass sich der Aufwand für uns lohnt″, sagt Stadtwerke-Sprecher Florian Adler. Insbesondere um die Parkhäuser herum herrsche regelmäßig Stau, sodass Busse oft kaum durchkämen. Die Folge seien Verspätungen und Fahrtausfälle. Wenn also möglichst viele Besucher der Innenstadt im Aktionszeitraum (30. November, 7. Dezember, 14. Dezember und 21. Dezember) auf das eigene Auto verzichten und stattdessen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen würden, hilft uns das auch betrieblich weiter″, erklärt Adler.

Darüber hinaus könne kostenloses Busfahren für viele Menschen ein Anreiz sein, den ÖPNV auszuprobieren um ihn anschließend ganz für sich zu entdecken.

50 000 Fahrgäste mehr

Politik und Verkehrsbetrieb in Münster versprechen sich von dem Lockangebot jedenfalls massiven Zulauf bei den Fahrgästen. Gerechnet wird örtlichen Medien zufolge mit 118 000 bis 141 000 Fahrgästen pro Adventssamstag. 2018 seien es im Mittel rund 95 000 gewesen. Laut Stadtwerke-Sprecher Adler gehört es zu den erwartbaren Effekten″, dass die Gratis-Aktion am Ende auch neue zahlende Kundschaft bringt.

Die Stadtwerke Osnabrück bezweifeln das. Zwar werde durch den Vorstoß die Umwelt punktuell entlastet. Nach unserer Einschätzung führt ein kostenloser ÖPNV an Adventssamstagen aber nicht automatisch zu einer gewünschten Werbung für den Busverkehr″, teilt Sprecherin Lisa Hoff auf Anfrage unserer Redaktion mit. Vielmehr würden viele Nutzer, die lediglich vom Nulltarif profitieren wollten, feststellen, dass die Busse sehr überfüllt und wegen der hohen Verkehrsbelastung an diesen Tagen im Stadtgebiet unpünktlich sind″. Dies wiederum werde eventuell vorhandene Vorurteile bestätigen″ und Schnupperkunden davon abhalten, sich dauerhaft an den öffentlichen Nahverkehr zu binden.

Eine nachhaltige Neukundengewinnung″ gelingt nach Ansicht der Stadtwerke Osnabrück vielmehr durch eine konstante Verbesserung des Grundangebots. Beispiel sei das neue Osnabrücker Liniennetz, das ab Februar 2020 gilt und neben Taktverdichtungen erstmals auch eine Ringlinie bringt.

Würde Osnabrück es Münster mit der Adventsaktion dennoch gleichtun wollen, müsste die Stadt wohl auch hier tief in die Tasche greifen. Hoff: Wir schätzen die zusätzlichen Kosten für alle vier Samstage auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.″ Die Entscheidung über ein solches Angebot und seine Finanzierung treffe allerdings die örtliche Politik.

SPD macht Vorschlag

Und die scheint für den Gedanken, Busfahren vorübergehend kostenlos zu machen, wenig aufgeschlossen. Das Ganze kostet viel Geld, ist ein Strohfeuer und hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun″, meint SPD-Fraktionsvorsitzender Frank Henning. Im Rat würde seine Partei einen vergleichbaren Beschluss wie in Münster deshalb nach gegenwärtigem Stand nicht mittragen″.

Stattdessen könnten die Genossen sich etwas anderes gut vorstellen: eine gemeinsame ÖPNV-Werbestrategie von Osnabrücker Stadtwerken und Einzelhandel″, die zum Beispiel in der Vorweihnachtszeit ganz bewusst die jeweiligen Transportdienste anpreist. Nach dem Motto: Der Bus holt und bringt die Kunden, das Geschäft liefert die Pakete.

Denkbar wäre auch, dass der Einzelhandel Rabatte auf Weihnachtseinkäufe gibt, wenn der Kunde seine Busfahrkarte vorlegt″, so Hennig weiter. Das wäre Werbung für den öffentlichen Nahverkehr und den fortschrittlichen Einzelhändler gleichermaßen.″

Bildtext:
Ein E-Bus der Stadtwerke Münster auf dem Prinzipalmarkt. An den Adventssamstagen müssen Fahrgäste in Münster für die Nutzung der Stadtbusse nichts bezahlen.
Foto:
Stadtwerke Münster/ Münster-View/ HeinerWitte

Kommentar
Chauffieren, nicht echauffieren

Es gibt viele Möglichkeiten, potenzielle Fahrgäste für den öffentlichen Nahverkehr zu interessieren. Eine davon sind günstige Bustickets oder sogar der vollständige Verzicht darauf. Wenn die Stadtwerke Münster also in diesem Jahr ihren Busverkehr an den vier Adventssamstagen erstmals kostenlos anbieten, haben sie die Aufmerksamkeit der Menschen schon mal sicher.

Fraglich ist, wie viele neue Kunden nach der Gratis-Aktion bei der Stange bleiben. Ob sie den ÖPNV auch dann noch für das Transportmittel der Wahl halten, wenn sie dafür bezahlen sollen. Wobei es ohnehin kühn anmutet, die Menschen ausgerechnet an solchen Tagen von den angeblichen Vorzügen einer Busfahrt überzeugen zu wollen, wo die City rappelvoll und so gut wie jede Straße verstopft ist.

ÖPNV muss die Leute chauffieren, nicht echauffieren. Wenn das gut klappt, darf er auch ruhig etwas kosten.

s.stricker@ noz.de
Autor:
Sebastian Stricker


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