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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
So entstand Osnabrücks „Grand Canyon″
Zwischenüberschrift:
1911 wird die Buersche Straße in einen Felseinschnitt verlegt
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück Osnabrück hat mit den Schluchten des Balkans sonst wenig gemein, aber an einem Ort sieht es in der Friedensstadt fast so aus wie dort. Gemeint ist die Stelle, wo in einer S-Kurve die Buersche Straße in den Klushügel hineingesprengt worden ist, um unter der Bahnstrecke nach Bremen hindurchzukommen.

Zuvor hatte der niveaugleiche Straßenübergang der Buerschen Straße über das Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs für eine Verkehrsbehinderung erster Güte gesorgt. Es waren ja nicht nur die Zug-Durchfahrten, die für geschlossene Bahnschranken sorgten, sondern auch die oftmals schier endlosen Rangierfahrten zwischen dem Hauptbahnhof, den Lokschuppen, den Anschlussgleisen der Industriebetriebe und dem alten Bremer Bahnhof auf der Klus″, der bis zur Eröffnung des neuen Güter- und Verschiebebahnhofs im Fledder 1913 dessen Aufgaben versah.

Fuhrleute verbrachten bis zu zwei Stunden am Tag vor den Schranken. Denn nicht nur hier, sondern an vielen Stellen im Stadtgebiet hielten die Planübergänge″ der Eisenbahnlinien die Stadt wie ein eiserner Ring im Würgegriff. Als 1855 die Ost-West-Bahnstrecke niveaugleich mit dem Straßennetz eröffnet wurde, hatte Osnabrück etwa so viele Einwohner wie heute die Gemeinde Belm, nämlich 13 700. Mit der Industrialisierung ging eine Verfünffachung einher, 1910 zählte man bereits 66 000 Bürger. Entsprechend nahm auch der Verkehr zu. Die Bahn war der Faktor, der dieses Wachstum ermöglicht hatte, und paradoxerweise war sie es auch, die die weitere Entwicklung hemmte.

Zähe Verhandlungen

Die städtischen Gremien bissen sich die Zähne an der Königlichen Eisenbahndirektion Hannover aus. Wenn die eine Brücke bewilligte, dann nur um die eigenen Betriebsabläufe günstiger gestalten zu können. Seit 1890 wurde geplant, beantragt, verworfen. Hannover schlug vor, die Stadt könne ja die Bahnstrecken untertunneln, die Straßen mittels Serpentinen auf die notwendige Tiefe bringen. Nur an einer Stelle wurde das ausgeführt, nämlich im Verlauf der Buerschen Straße durch den Klushügel.

Erst 1905, als Stadt und Bahn sich auf den Bau des Güterbahnhofs im Fledder einigten, wurde auch die Höherlegung aller innerstädtischen Bahnstrecken beschlossen. 1907 begann die Anlage des Bahndamms. Bramscher Straße, Alte Poststraße, Bremer Straße, Iburger Straße und Sutthauser Straße mussten allenfalls gering abgesenkt werden, um unter der hochgelegten Bahn unterführt werden zu können. Im Verlauf der Buerschen Straße war das so nicht möglich. Das breite Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs mit dem Gleisanschluss an das Ausbesserungswerk ließ sich nicht höherlegen. Also musste hier stattdessen die zu unterführende Buersche Straße bedeutend tiefergelegt werden.

Eine Absenkung der Buerschen Straße in gerader Linie wäre tiefbaumäßig aufwendiger geworden, weil auch noch die Verbindungsbahn Kluskurve″, die sich vom niedrigeren Niveau der Bahnstrecke Löhne–Rheine hocharbeitet″, hätte untertunnelt werden müssen. Und die noch vorhandene Infrastruktur des Bremer Bahnhofs hätte aufgegeben werden müssen.

Stichwort Bremer Bahnhof: Es war ja so, dass die beiden Hauptbahnlinien Osnabrück mit etwa 20 Jahren zeitlichem Abstand erreichten und jeweils eigene Personenbahnhöfe bauten. Die Ost-West-Linie besaß den Hannoverschen Bahnhof am heutigen Wittekindplatz und die Nord-Süd-Linie den Bremer Bahnhof („ auf der Klus″). Das wenig komfortable Umsteigen″ von einer Linie zur anderen mit längerem Fußmarsch oder Droschkenfahrt zwischen den beiden Bahnhöfen hatte erst mit der Anlage des neuen Centralbahnhofs″, des heutigen Hauptbahnhofs, genau im Kreuzungspunkt der beiden Bahnlinien 1895 ein Ende. Anlagen des Bremer Bahnhofs blieben für den Güterverkehr jedoch weiter in Nutzung.

Markante S-Kurve

Für den Problemfall Unterführung der Buerschen Straße entschieden sich die Bahningenieure, eine s-förmige Kurve in den Klushügel zu legen und dadurch den alten Bremer Bahnhof nördlich zu umgehen. 1910/ 11 sprengten sie einen kühnen Einschnitt von bis zu elf Meter Tiefe in den Fels. Osnabrück bekam seinen Grand Canyon″.

Im Mai 1913 wurde die Unterführung dem Verkehr übergeben. Der alte niveaugleiche Bahnübergang konnte geschlossen werden, und die verhassten Schranken verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Osnabrück und der 1914 eingemeindete Schinkel konnten nun auch verkehrsmäßig besser zueinanderkommen.

Der Klushügel ist im Übrigen ein geschichtsträchtiger Ort. Manches musste er über sich ergehen lassen. Wenn die damals noch recht sagenhafte Geschichtsschreibung recht hat, dann kam es hier zum Showdown zwischen Franken-Kaiser Karl und Sachsenherzog Widukind. In der Schlacht am Schlagvorder Berg, so der alte Name des Klushügels, soll Karl 783 seinen heidnischen Widersacher entscheidend geschlagen und damit den Grundstein für das Bistum Osnabrück gelegt haben.

Nicht erst mit dem Einschnitt Buersche Straße wurde der Klushügel deutlich angeknabbert, sondern schon vorher für den Bau der Bahnlinien, die sich an seinem Fuße kreuzen. Im letzten Krieg durchlöcherte man ihn dann auch noch mit einem weit verzweigten Tunnelsystem, das als Luftschutzstollen vielen Osnabrückern Schutz vor den Bomben bot. Die Namen Klus und Klushügel sollen auf eine im Jahr 1310 dort gestiftete Mönchsklause zurückgehen.

Bildtexte:
Ein Canyon″ tut sich auf: 1911 wird der Einschnitt in den Klushügel zur Bahnunterführung Buersche Straße hergestellt. Mit Feldbahnloren schaffen Arbeiter das anfallende Felsgestein fort. Der Blick des Fotografen geht von den Bahngleisen in Richtung Innenstadt.
Der Blick aus der Gegenrichtung. Im Oktober 1911 ist der Durchstich erfolgt. Noch führt die alte Buersche Straße (im Vordergrund) den Verkehr zum ebenerdigen Bahnübergang.
Blick vom Klushügel über die neu entstandene Schlucht und die Gleisanlagen auf die Einmündung der Hamburger Straße in die Buersche Straße östlich der Bahn.
Dichte Vegetation verdeckt heute im Verlauf der Buerschen Straße die Felswände und auch den früheren Zugang zum Luftschutzstollen, der sich auf der rechten Straßenseite befindet.
Fotos:
Niedersächsisches Landesarchiv Osnabrück/ Rudolf Lichtenberg, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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