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1.
Erscheinungsdatum:
05.10.2019
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Das jüdische Leben vor dem Martyrium
Zwischenüberschrift:
Erneut haben Nachfahren derjüdischen Familie Flatauer Osnabrück besucht. Beim Betrachten der von ihnen mitgebrachten alten Fotos lässt sich erahnen, wie wohlhabendund glücklich die Familie damals war.
Artikel:
Originaltext:
Unglaublich,
das
Haus
hat
sich
ja
kaum
verändert!
″
Irit
Segev
kann
es
fast
nicht
fassen.
Die
33-
Jährige
und
ihr
28-
jähriger
Bruder
Guy
Ben
Hamou
kennen
das
Gebäude
in
der
Herderstraße
3
nur
von
den
Fotos
ihrer
längst
verstorbenen
Urgroßmutter
Inge.
Diese
wurde
1914
geboren
und
wohnte
einst
in
dem
Haus,
verließ
Deutschland
aber
im
Jahr
1934
Richtung
Palästina.
Inges
Eltern,
Siegfried
und
Sophie
Flatauer,
verkauften
das
Haus
bereits
1936
und
zogen
nach
Berlin,
folgten
der
Tochter
aber
erst
im
Jahr
1939
und
damit
quasi
in
letzter
Sekunde:
Später
wäre
die
Ausreise
aus
Deutschland
für
das
jüdische
Paar
wohl
kaum
noch
möglich
gewesen.
Nun
haben
sich
die
in
Israel
lebenden
Urenkel
von
Inge
Flatauer
auf
die
Spuren
ihrer
Osnabrücker
Vorfahren
begeben.
Mit
dem
Besuch
der
Geschwister
schließt
sich
wohl
auch
der
Kreis,
den
ein
Artikel
unserer
Redaktion
im
November
2017
geöffnet
hat:
Damals
berichteten
wir
über
das
leer
stehende
Haus
in
der
Herderstraße
22.
Dieses
gehörte
einst
Siegfrieds
Bruder
Raphael,
der
hier
mit
Frau
Alma
und
den
Söhnen
Kurt
und
Hans
lebte.
Die
beiden
Flatauer-
Brüder
waren
Unternehmer
in
Osnabrück.
Sie
betrieben
die
Tuchgroßhandlung
„
Flatauer
und
Co.
KG″
in
der
Möserstraße
26
und
die
„
Großgarage
Osnabrück-
West″
in
der
Adolfstraße
60/
62.
Darüber
hinaus
besaßen
sie
drei
Häuser
in
der
Großen
Straße,
Nummer
27
bis
29,
die
1938
an
L&
T
verkauft
wurden,
sowie
weitere
Ländereien.
Doch
ihr
Wohlstand
und
Ansehen
halfen
ihnen
unter
der
NS-
Diktatur
nicht.
Die
jüdische
Familie
Flatauer
verlor
ihre
Geschäfte,
ihre
Häuser
und
teilweise
ihr
Leben:
Während
die
drei
Flatauers
in
der
Hausnummer
3
rechtzeitig
auswandern
konnten,
hatten
Raphael
und
Alma
kein
Glück.
Das
Paar
wurde
1943
in
Auschwitz
ermordet,
seine
Söhne
konnten
sich
retten:
Kurt
ging
nach
Palästina,
Hans
nach
England.
Alte
Fotos
gefunden
Bis
zum
November
2017
war
von
dem
Schicksal
der
Familie
nur
ein
Bruchteil
bekannt.
Doch
mit
einer
E-
Mail
im
Sommer
2017
sollte
sich
das
ändern:
Irit
Segev
aus
Tel
Aviv
schrieb
an
den
Bürgerverein
Katharinenviertel.
„
Meine
Großeltern
sind
2016
gestorben,
und
beim
Ausräumen
ihres
Hauses
fanden
wir
alte
Papiere
und
Fotos,
die
wir
nicht
lesen
oder
zuordnen
konnten.
Online
bin
ich
dann
auf
den
Bürgerverein
gestoßen,
der
über
die
Stolpersteine
für
die
mir
unbekannten
Raphael
und
Alma
Flatauer
berichtete.″
Vollkommen
unabhängig
davon
startete
im
Sommer
2017
auch
die
Recherche
der
NOZ
über
das
Haus
in
der
Herderstraße
22.
Der
Bürgerverein
leitete
Segevs
E-
Mail
an
uns
weiter
–
und
so
kam
es
zu
der
Geschichte
über
das
leere
Haus
in
der
Herderstraße,
die
bis
nach
Israel
Auswirkungen
hatte:
Raphaels
Enkel
Guri
lebt
in
Tel
Aviv.
Durch
den
Artikel
war
seine
Neugier
geweckt.
Er
besuchte
mit
seiner
Frau
Aviva
zweimal
Osnabrück
–
und
erfuhr
hier
Dinge
über
seinen
Vater,
die
er
vorher
nicht
für
möglich
gehalten
hätte.
Zwei
Jahre
später
stehen
nun
auch
Irit
Segev
und
Guy
Ben
Hamou
vor
dem
Haus,
welches
ihr
Ururgroßvater
Siegfried
einst
bauen
ließ.
Die
Flatauers
waren
reich
–
und
modern:
Sie
wollten
Häuser
im
Bauhaus-
und
Art-
déco-
Stil,
und
sie
beauftragten
den
Osnabrücker
Bauhaus-
Architekten
Otto
Schneider.
Der
Stadt
damals
war
das
„
orientalische″
Flachdach
der
Herderstraße
3
nicht
genehm:
Wie
ein
Zeitungsartikel
aus
der
Zeit
erzählt,
musste
die
Baustelle
aus
diesem
Grund
sogar
für
einige
Zeit
stillgelegt
werden.
Doch
1928
war
das
Haus
Herderstraße
3
fertig
–
und
wurde
von
den
Flatauers
bezogen.
Wie
stolz
die
Familie
war,
zeigen
Dutzende
Fotos,
die
Segev
und
ihr
Bruder
mit
nach
Osnabrück
gebracht
haben:
Man
sieht
die
Familie
und
Freunde
im
Garten
des
Hauses,
Inge
und
Cousin
Hans
an
der
Eingangstür,
Fotos
vom
„
ersten
Hausball″
der
16-
Jährigen
im
Jahr
1930,
Schnappschüsse
von
Urlauben
und
vom
jüdischen
Tennisplatz
am
Uhlenfluchtweg,
dessen
Miteigentümer
die
Gebrüder
Flatauer
waren.
Viele
der
Fotos
sind
von
Inge
liebevoll
beschriftet
worden.
Siegfried
Flatauer
war
Offizier
im
Ersten
Weltkrieg
und
überzeugter
Patriot.
Erst
nach
der
Reichspogromnacht
1938
war
ihm
klar,
dass
er
Deutschland
verlassen
musste:
In
der
Nacht
wurde
das
große
Textilgeschäft
an
der
Möserstraße
geplündert.
Zeitgleich
wurden
die
jüdischen
Frauen
und
Kinder
des
Viertels
in
der
völlig
verwüsteten
Wohnung
der
Flatauers
in
der
Herderstraße
22
eingesperrt
und
mussten
mit
ansehen,
wie
antisemitische
Nachbarn
in
das
Haus
eindrangen
und
Möbel
kurz
und
klein
schlugen.
„
Unser
Ururgroßvater
Siegfried
hat
sich
von
dieser
Nacht
nie
wieder
erholt.
Für
ihn
brach
eine
Welt
zusammen.″
Seine
Tochter
Inge
ahnte
schon
früher,
dass
ihre
behütete
Kindheit
zu
Ende
war:
„
Sie
hörte
Anfang
der
1930er-
Jahre,
wie
in
ihrer
Schule
ein
Lied
gesungen
wurde,
das
den
Mord
an
Juden
guthieß.
Inge
wusste
nicht,
wie
sie
das
ihren
Eltern
beibringen
sollte,
beschloss
aber
für
sich,
Deutschland
zu
verlassen″,
erzählt
Martina
Sellmeyer.
Sie
hat
das
Buch
„
Stationen
auf
dem
Weg
nach
Auschwitz″
mitverfasst,
das
Standardwerk
über
die
Judenverfolgung
in
Osnabrück.
Als
Inge
Flatauer
Deutschland
verließ,
waren
die
Nationalsozialisten
etwa
ein
Jahr
an
der
Macht.
Für
die
Recherche
sprach
Sellmeyer
in
den
1980er-
Jahren
mehrmals
mit
Inge
–
und
freut
sich
über
die
Bilder,
die
das
Geschwisterpaar
mitbringt:
„
Ich
arbeite
an
einer
Neuauflage
von
,
Stationen′.
Bei
der
Recherche
habe
ich
eine
Beschreibung
gefunden,
die
Siegfried
Flatauer
1936
im
Rahmen
der
Verkaufsverhandlungen
über
das
Haus
verfasste.″
Laut
Sellmeyer
schreibt
er
voller
Stolz
über
die
Fussbodenbeläge
aus
Parkett
und
Marmor,
einen
Wandbrunnen
im
Wintergarten,
einen
Kamin
im
Erdgeschoss
und
den
im
Herrenzimmer
eingebauten
Zigarrenschrank.
„
Eine
andere
Anrede
als
,
Omi′
hat
unsere
Urgroßmutter
nicht
geduldet″,
sagt
Guy
Ben
Hamou.
„
Wir
waren
uns
sehr
nah
und
besuchten
sie
als
Kinder
mehrmals
in
der
Woche
in
der
israelischen
Stadt
Kirjat
Bialik.″
Dort
lief
dann
immer
Fernsehen
oder
deutsche
Klassik,
und
auf
die
Teller
kamen
deutsche
Gerichte
wie
Schnitzel
und
Kartoffelbrei.
„
Sie
fühlte
sich
der
deutschen
Kultur
sehr
verbunden,
besuchte
später
auch
mehrere
Male
Osnabrück.
Zudem
sprach
sie
mit
meiner
Großmutter
Deutsch
–
was
untypisch
war
für
viele
der
deutschstämmigen
Juden,
die
in
Israel
lebten″,
sagt
Segev.
„,
Benimm
dich′
war
einer
ihrer
Lieblingssätze″,
fügt
Guy
Ben
Hamou
hinzu
und
lacht.
Mit
den
Enkeln
und
Urenkeln
sprach
sie
jedoch
wenig
über
die
deutsche
Vergangenheit,
was
die
Geschwister
heute
bedauern.
„
Seltsamerweise
kennen
Menschen
in
Osnabrück
diesen
Teil
unserer
Familiengeschichte
besser
als
wir″,
sagt
die
33-
Jährige.
Sie
wollten
die
Stadt
und
die
Menschen
dort
treffen.
„
Dafür
haben
wir
extra
Rosch
ha-
Schana
gewählt,
also
den
jüdischen
Neujahrstag.″
Dieser
gilt
als
ein
Tag,
um
Bilanz
zu
ziehen,
bevor
etwas
Neues
beginnen
kann.
Das
Haus
Herderstraße
3
gehört
seit
1990
der
Mutter
von
Gesche
Tebbendorf.
Diese
wohnt
im
Erdgeschoss,
Tebbendorf
und
ihr
Mann
Manfred
Stücklschwaiger
in
der
ersten
Etage.
Das
Paar
sagte
sofort
zu,
als
es
hörte,
dass
sich
die
Nachfahren
der
Flatauers
gerne
einmal
in
den
Räumen
ihrer
Vorfahren
umschauen
möchten.
„
Ich
bin
selbst
neugierig
auf
die
Geschichte
dieses
Hauses
und
seiner
Bewohner″,
so
Tebbendorf.
Mit
viel
Elan
führt
sie
Segev
und
Ben
Hamou
durch
Haus
und
Garten
und
vergleicht
zusammen
mit
den
Geschwistern
die
alten
Fotos
mit
der
Gegenwart.
Dabei
können
sie
diverse
Details
wiedererkennen,
und
an
derselben
Stelle,
wo
einst
Inge
Flatauer
für
ihren
ersten
„
Hausball″
posierte,
entsteht
dann
auch
ein
Bild
ihrer
Urenkel.
Was
sich
noch
findet,
ist
der
Balkon,
auf
dem
sich
Raphaels
Sohn
Hans
zusammen
mit
seiner
jüdischen
Pfadfindergruppe
hat
fotografieren
lassen:
Dieser
befindet
sich
immer
noch
im
Haus
Herderstraße
3
und
nicht,
wie
von
Sellmeyer
einst
vermutet,
im
Haus
von
Hans′
Eltern,
der
Herderstraße
22.
Herderstraße
22
Ebendieses
Haus
ist
mittlerweile
an
einen
Privatmann
aus
Osnabrück
verkauft
worden.
Gegenüber
unserer
Redaktion
will
dieser
sich
nicht
dazu
äußern,
was
er
mit
dem
Haus
vorhat.
Dem
Bürgerverein
hat
er
jedoch
mitgeteilt,
dass
er
das
Haus
nicht
abreißen
werde,
sondern
privat
nutzen
wolle.
„
Darüber
sind
wir
natürlich
sehr
froh″,
sagt
Vereinsmitglied
Hartmut
Böhm.
Aktuell
stehen
mehrere
Mulden
vor
dem
Haus.
„
Dass
das
Haus
nun
renoviert
wird,
zeigt
aber
auch,
wie
falsch
die
Annahme
der
Stadt
war,
dass
es
nicht
zu
retten
sei″,
sagt
Böhm.
Zur
Erinnerung:
Die
Erben
der
ehemaligen
Besitzerin
hatten
es
der
Stadt
für
den
Kaufpreis
von
340
000
Euro
angeboten.
Doch
im
April
wurde
der
Antrag
der
SPD,
Ankaufsverhandlungen
zu
führen,
bei
einer
Ratsversammlung
abgelehnt.
Irit
Segev
hatte
den
Bürgerverein
vor
ihrem
Besuch
gebeten,
beim
neuen
Hausbesitzer
anzufragen,
ob
sie
und
ihr
Bruder
das
Haus
besichtigen
könnten.
Doch
laut
Böhm
lehnte
der
Besitzer
diese
Bitte
ab,
weil
er
negative
Reaktionen
aus
der
Bevölkerung
befürchtet.
Allerdings
können
Segev
und
ihr
Bruder
trotzdem
einen
Blick
in
die
Räume
ihrer
Verwandten
werfen:
Beim
Gang
durch
die
Herderstraße
sprechen
sie
spontan
einen
der
Arbeiter
an,
und
dieser
gewährt
ihnen
eine
Stippvisite.
Was
die
beiden
Israelis
erstaunt:
Hier
finden
sich
dasselbe
Parkett
und
dieselben
Deckenverzierungen
sowie
ein
ähnlicher
Marmorboden
wie
in
der
Herderstraße
3.
Höhepunkt
für
die
Geschwister
bleibt
aber
der
Besuch
der
Herderstraße
3,
sagt
Irit
Segev:
„
Omis
Haus
von
innen
und
außen
zu
sehen
und
die
Räume
von
den
alten
Fotos
wiederzuerkennen
ist
aufregend
und
berührend
für
uns.″
Bildtexte:
Es
hat
sich
kaum
etwas
geändert:
Irit
Segev
vergleicht
das
Haus
Herderstraße
3
mit
Bildern
ihrer
Urgroßmutter
Inge
Flatauer.
Inge
Flatauers
erster
Hausball
an
Weihnachten
1930
in
der
Her-
derstraße
3
in
Osnabrück.
Fast
an
der
selben
Stelle
wie
die
Festgesellschaft
im
Bild
oben
stehen
Irit
Segev
und
Ben
Hamou
89
Jahre
später.
Das
Haus
Herderstraße
3
im
Jahr
1928.
Fotos:
Swaantje
Hehmann,
Irit
Segev,
Ben
Hamou
Jedes
Mal
wenn
Corinna
Berghahn
ihre
Tochter
vom
Hort
abholte,
fragte
sie
sich:
„
Warum
steht
mitten
im
Katharinenviertel
ein
Haus
seit
Jahren
leer?
″
Unabhängig
davon
fragte
sich
ihre
Kollegin
Kathrin
Pohlmann
dasselbe.
Ein
zufälliges
Gespräch
in
der
Küche
führte
zur
gemeinsamen
Recherche,
und
im
November
2017
erschien
die
Geschichte
von
Moderne,
Vertreibung,
Mord,
Moral
und
Verwahrlosung.
Zu
sehen,
dass
all
die
Arbeit
schon
mehrmals
dazu
geführt
hat,
die
jüdischen
Nachfahren
in
Osnabrück
zu
treffen,
berührt
die
Journalistin
derart,
dass
sie
diese
Geschichte
wohl
nie
vergessen
wird.
Autor:
Corinna Berghahn