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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Morde zynisch als „Sterbehilfe″ getarnt
Zwischenüberschrift:
Stolpersteine erinnern an die NS-Opfer Elise Tölle und Georg Klöppel
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Marianne Niemeyer kann sich noch gut an Elise Tölle erinnern. Sie wohnten im gleichen Haus an der Sutthauser Straße 133. Ich war ein kleines Mädchen und habe oft Milch für sie geholt. Sie war eine sehr nette Frau. Und eines Tages war sie weg.″

Vor sieben Jahrzehnten musste die Nachbarin wegen einer psychischen Krankheitin die Heil- und Pflegeanstalt am Gertrudenberg. Im Juni1941 ermordeten Nationalsozialisten sie im hessischen Hadamar. So erging es auch Georg Klöppel, der an der Meller Straße 228 gelebt hatte. Doch fand sich kein Zeitzeuge mehr, der noch etwas über ihn hätte berichten können. Jetzt erinnern Stolpersteine an diese beiden Opfer der Nationalsozialisten.
Die jetzt 82-jährige Marianne Niemeyer wohnt immer noch im Haus an der Sutthauser Straße. Kurz vor der Stolpersteinverlegung öffnete sie die Tür und zeigte sich gerührt. Sie erinnerte sich andie lieb gewonnene Nachbarin, die damals auf die 60 zuging und so vergesslich″ war. Frau Tölle kam oft zu uns in die Wohnung, und in der Hand hatte sie eine Milchkanne mit Geld drin. Ich bin dann damit zum Milchmann gegangen.″ Und dann kam sie nie wieder. Marianne Niemeyer weiß noch, dass Elise Tölles Mann eines Tages sagte: Sie haben meine Frau vergast.″ Sie damit meinte er die Nationalsozialisten, die von Rassenhygiene″ sprachen und von unwertem Leben″.
Georg Klöppel wurde ebenfalls Opfer dieser menschenverachtenden Vorstellungen, die zum Regierungsprogramm geworden waren. Er stammte aus Kronsundern in der heutigen Gemeinde Bissendorf, lebte an der Meller Straße 228 und arbeitete als Brotfahrer. Bereits 1925 kam er als junger Mann ins städtische Pflegehaus und musste schließlich ebenfalls in die Heil- und Pflegeanstalt am Gertrudenberg. Abgesehen von früheren Wohnungswechseln ist nicht viel von ihm überliefert.
Währenddessen planten die Nationalsozialisten Massenmorde unter anderem an Menschen, die psychisch erkrankt oder behindert waren– und tarnten ihr Vorhaben zynisch mit dem Begriff Euthanasie (Sterbehilfe). Adolf Hitler beauftragte eine Verwaltung mit der Berliner Adresse Tiergartenstraße 4 und erteilte ihr eine Tötungsermächtigung″, der im Schatten des Zweiten Weltkriegs etwa 200 000 Menschen zum Opfer fallen sollten.
1941 machten sich graue Busse voller Patienten auf den Weg zu Tötungsanstalten. Im April mussten 181 Menschen aus der Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück in eines dieser Fahrzeuge einsteigen. Für sechs Wochen wurden sie nach Eichberg verlegt. Es handelte sich um eine Zwischenstation auf dem Weg ins hessische Hadamar, wo Ärzte sie im Juni mit Gas ermordeten Elise Tölle im Alter von 57, Georg Klöppel im Alter von 47 Jahren.
Während der Stolpersteinverlegung für die Opfer aus Osnabrück erinnerte Renate Seibt-Eisenblätter an die Bergpredigt: „, Selig sind die geistig Armen′, heißt es dort. Das sind die Menschen, die hier ermordet wurden im christlichen Abendland.″
In der Familie Tölle kam es 1942 zu einem weiteren Unglück. Wie Marianne Niemeyer berichtete, kam nur ein Jahr nach der Ermordung von Elise Tölle auch ihr Sohn ums Leben: Es brannte in der Wohnung, und er wollte noch das Foto seiner Mutter retten. Dabei ist er im Qualm erstickt.″

Bildtexte:
Sutthauser Straße 133 hier lebte Elise Tölle mit ihrer Familie.
Die Meller Straße 228 war das Zuhause des Brotfahrers Georg Klöppel.
Fotos:
Jörn Martens

Stolpersteine
Messingplatten in den Gehwegen erinnern an Opfer des Nationalsozialismus jeweils vor den Wohn- oder Wirkungsstätten der Juden, Sinti, Deserteure, Menschen, die aus politischen und religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung verfolgt und ermordet wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ist Initiator des Projekts Stolpersteine, dem sich etwa 600 Kommunen angeschlossen haben: außer in Deutschland weitere in Ländern wie Österreich, Ungarn, Italien, Tschechien, Polen, Belgien, Norwegen, den Niederlanden und in der Ukraine. Patin des Stolpersteins für Elise Tölle ist Renate Seibt-Eisenblätter, Paten des Stolpersteins für Georg Klöppel sind Ruth und Florian Stögbauer. Schüler des Berufsschulzentrums am Westerberg haben die Gedenktafel verlegt: Simon Bartsch, Jannik Hollenborg, Maurice Hüpel und Nico Seidel.
Das städtische Büro für Friedenskultur nimmt für künftige Stolpersteine gern Hinweise von Zeitzeugen über das Schicksal von Opfern des NS-Regimes entgegen. Die Telefonnummer lautet 05 41/ 323-22 87. Die nächste Stolpersteinverlegung findet am Freitag, 23. September, statt. Gunter Demnig wird voraussichtlich persönlicanwesend sein.
Autor:
Jann Weber


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